Mittel gegen WohnungsnotHat Wien die Lösung für Zürichs Probleme? Oder Kopenhagen?
mmi
12.5.2023
Die Wohnungsnot geht über Zürich und Genf hinaus. Weltweit haben Städte und ihre Bewohner*innen mit Wohnungsknappheit und steigenden Mieten zu kämpfen. Eine Übersicht der wichtigsten Gegenmassnahmen.
mmi
12.05.2023, 19:26
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der Schweizer Wohnungsmarkt ist angespannt, deshalb hat Wirtschaftsminister Parmelin am Freitag Kantone, Gemeinden und Verbände zum Runden Tisch geladen.
Der Mieter*innenverband hat einen Forderungskatalog zusammengestellt, in dem er fordert, dass die Anzahl Zimmer pro Person beschränkt werden soll.
Weltweit kämpfen Städte gegen Wohnungsknappheit und steigende Mieten. Eine Übersicht der wichtigsten Massnahmen.
Wer diese Tage eine Wohnung suchen muss, ist nicht zu beneiden. Denn wie jüngst die Beratungsfirma Wüest und Partner ausrechnete, fehlen in der Schweiz in den nächsten drei Jahren bis zu 50'000 Wohnungen.
Dementsprechend dauert die Suche nach einer passenden Wohnung länger, als einem lieb sein dürfte, besonders in Städten wie Genf oder Zürich. Hinzu kommt, dass die Preise auf dem Wohnungsmarkt nur eine Richtung kennen, und zwar nach oben.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin will auf die Wohnungsknappheit reagieren. Deshalb hat er am Freitag zum Runden Tisch geladen, wo Städte, Kantone und Verbände mitdiskutieren. Besonders der Mieterverband soll mit brisanten Forderungen aufwarten, schreibt «20 Minuten», dessen Redaktion der Forderungskatalog vorliegt.
Darin hält der Mieterinnen- und Mieterverband fest, dass die Zimmerzahl pro Person beschränkt werden soll. Das heisst, die Wohnung darf maximal ein Zimmer mehr haben, als die Anzahl Personen, die darin wohnen. Also Schluss mit einer Dreizimmerwohnung für eine Einzelperson – und Paare müssten die Vierzimmerwohnung aufgeben.
Weiter fordert der Mieterverband, dass die Mietenden untereinander zu gleichen Vertragsbedingungen die Wohnung tauschen können. Damit will der Verband eine Diskussion über den Wohnflächenverbrauch anstossen und aufzeigen, wie der gelingen könnte.
Dem gegenüber steht der Hauseigentümerverband der Schweiz, der die Platzbeschränkung für nicht praktikabel hält und eine gravierende Einschränkung der Eigentumsrechte sieht. Vielmehr müssten die Bauvorhaben erleichtert werden, fordert der Hauseigentümerverband.
Aber nicht nur in der Schweiz bewegen hohe Mieten und Wohnungsknappheit die Gemüter. In fast jeder Grossstadt, ob in den USA, Schweden oder Deutschland, klagen die Menschen über die Zustände auf dem Wohnungsmarkt.
Mit verschiedenen Instrumenten versuchen die Städte weltweit, diese Entwicklung zu brechen. Welche das sind, hat der deutsche «Tagesspiegel» aufwändig zusammengetragen. Hier eine Übersicht der wichtigsten Massnahmen:
Häuser kaufen und günstig vermieten
Sobald ein Wohngebäude auf den Markt kommt, versucht die Stadt es zu kaufen, um diese Wohnungen als Sozialwohnungen weiterzuvermieten. Paris etwa will bis ins Jahr 2025 einen Viertel des gesamten Wohnungsbestandes in solche Wohnungen umwandeln. Aktuell beträgt der Anteil 21 Prozent.
Aber auch andere Metropolen wie London und Dublin wollen den kommunalen Wohnungsbestand ausbauen. Auch Madrid ist ein weiteres Beispiel, wo die städtische Wohnungsbaugesellschaft Ende 2020 knapp 21 Millionen Euro an öffentlichen Geldern für den Kauf von mehr als 120 Häusern aufgewendet hat.
Investoren aus dem Ausland aussperren
In der Schweiz gilt seit 1983 das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, besser bekannt unter «Lex Koller». Ausnahmen gelten für EU-Bürger mit Wohnsitz in der Schweiz. So bleibt ausländischen Investmentfonds der direkte Zugang zum Wohnungsmarkt erschwert. Auch wenn es Schlupflöcher gibt: Nur 16 Prozent aller Investitionen in Wohnimmobilien zwischen 2007 und 2020 kamen aus dem Ausland. In Berlin waren es doppelt so viele, in Madrid sogar 85 Prozent.
Neue Mietwohnungen bauen
Wo das Angebot knapp ist, muss zusätzliches geschaffen werden – im konkreten Fall also neue Wohnungen bauen.
In Wien hat man es gar nicht zu einer Wohnungsnot kommen lassen, weil in der österreichischen Hauptstadt pro Jahr 10'000 neue Mietwohnungen entstehen. Der grösste Teil davon ist städtisch gefördert oder in baugenossenschaftlicher Hand. Den sozialen Wohnungsbau lässt sich die Stadt etwas kosten, und zwar jährlich Hunderte Millionen Euro.
Auch Kopenhagen will gemäss Medienberichten neue, bezahlbare Wohnungen bauen. Von den neu gebauten Wohnungen soll rund ein Viertel zu bezahlbaren Preisen vermietet werden. Als bezahlbar gilt beispielsweise eine 70 Quadratmeter grosse Wohnung um die 670 Euro pro Monat (Stand 2018). Auf dem freien Wohnungsmarkt würde die Wohnung schätzungsweise doppelt so viel kosten.
In Stockholm floriert deswegen der Schwarzmarkt, in Katalonien ist es Realität, in Berlin Geschichte: das Einfrieren oder Deckeln der Mietpreise.
Seit das katalanische Regionalparlament ein neues Mietgesetz verabschiedet hat, sind die Mietpreise in Barcelona und der Region auf einem Durchschnittsniveau eingefroren. Aber nur, wenn der Markt angespannt ist. Das heisst, wenn die Mieten 30 Prozent eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens übersteigen und die Mietpreise in den fünf zurückliegenden Jahren mehr als 3 Prozent über dem Inflationsniveau lagen.
Anreize für günstigere Mietpreise schaffen
In Amsterdam ist ein Grossteil der Grundstücke im Besitz der Gemeinde, die wiederum das Land an die Vermieter*innen verpachtet. Falls diese während 20 Jahren die Wohnungen in einer mittleren Preisspanne vermieten (737 Euro und 1027 Euro), zahlen sie weniger Pacht für das bebaute Grundstück. Gleichzeitig dürfen die Vermieter*innen den Mietpreis jährlich nicht mehr als einen Prozentpunkt über der Inflation anheben.
Bricht ein Vermieter die Regel, muss er rückwirkend den Rabatt bezahlen.
Auch in Spanien fordert die Regierungspartei der Sozialisten, dass Vermieter*innen, die in angespannten Wohnungsmärkten ihre Miete um mindestens 10 Prozent senken, im Gegenzug steuerlich entlastet werden sollen.