Wohnungsnot Bestehende Häuser aufstocken? Geht kaum, sagt die ETH

smi

12.5.2023

Die Wohnungsnot in der Schweiz könnte gelindert werden, indem Wohnhäuser um mehrere Stockwerke erhöht würden, besagt eine Studie.  
Die Wohnungsnot in der Schweiz könnte gelindert werden, indem Wohnhäuser um mehrere Stockwerke erhöht würden, besagt eine Studie.  
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Würden in Schweizer Städten Wohnhäuser um mehrere Stockwerke erhöht, könnte Platz für 135'000 Menschen geschaffen werden, so eine Studie. Das sei schon statisch nicht möglich, kontert die ETH. 

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Würden die Wohnhäuser um mehrere Stockwerke erhöht, bei denen das möglich ist, entstünden in der Schweiz 67'700 neue Wohnungen, sagt eine Studie. Die Wohnungsnot lasse sich so rasch lindern.
  • Aus Gründen der Baustatik und gesetzlicher Vorschriften sei das bei den meisten Häusern nicht möglich, widerspricht die ETH.
  • Auch das Vorhaben, Menschen, vor allem Senior*innen, die in zu grossen Wohnungen leben, in kleinere umzusiedeln, stösst vielerorts an rechtliche Grenzen.

Die Idee klingt einfach genial: Gebäude in Städten erhalten mehrere zusätzliche Stockwerke. So entstehen schweizweit mehr als 67'700 zusätzliche Wohnungen, und es gibt Platz für über 135'000 Personen. Und das, ohne freie Fläche zu verbauen.

Die Berechnung stammt vom Immobilien-Beratungsunternehmen IAZI, das vom Berner Wirtschaftsprofessor Donato Scognamiglio geführt wird. Die Hälfte der Häuser in den Städten habe Aufstockungspotenzial, gibt der «Tages-Anzeiger» die Analyse des Experten wieder.

Doch so einfach ist es nicht: Ein Gebäude muss die zusätzlichen Stockwerke tragen können. Die Statik vieler Wohnhäuser lasse nicht mehr als eines oder zwei zusätzliche Stockwerke zu, erklärt die Architektin und Raumplanungs-Wissenschaftlerin Sibylle Wälty. In einigen Fällen müsse die aufgesetzte Etage kleiner gebaut werden als die darunter liegenden, ebenfalls aufgrund der Statik.

Gebäude-Erhöhungen sind nur in wenigen Fällen umsetzbar

Der Bauingenieur Diego Trutmann hat in seiner Master-Arbeit das Aufstockungspotenzial von 38'000 Häusern in Zürich untersucht. Bei weniger als 10 Prozent wäre das Aufsetzen von Stockwerken möglich. Wälty erklärt, in der ganzen Stadt liessen sich etwa 8500 Wohnungen auf bestehenden Häusern bauen. Sie böten 17'000 Menschen Platz. IAZI ist von fast 27'000 zusätzlichen Wohnungen ausgegangen.

Nur eines oder zwei Stockwerke aufzusetzen, lohne sich aber für viele Liegenschaften-Besitzer*innen finanziell nicht, hält Wälty fest. Das sei erst ab drei Stockwerken der Fall. Und dann müssen die Eigentümer*innen die Investition auch noch stemmen können und bereit sein, den damit verbundenen Aufwand auf sich zu nehmen.

Weitere Hindernisse für die rasche Erhöhung von Wohnhäusern sind laut Wälty das Baurecht und der Denkmalschutz. Hinzu kommen die Bewilligungsverfahren, die auch wegen Einsprachen oft lang gehen. Deshalb seien Aufstockungen kein Mittel, um rasch die Wohnungsnot zu bekämpfen, schliesst die Raumplanerin.

Senior*innen in zu grossen Wohnungen

Weiterer Wohnraum könnte laut IAZI-Studie verfügbar werden, wenn Senior*innen ihre grossen Wohnungen freigeben würden. Gemäss Daten des Bundesamts für Statistik nutzen Betagte durchschnittlich 71,2 Quadratmeter Wohnfläche pro Person. Deutlich mehr als der gesamtschweizerische Durchschnitt von 46,6 Quadratmetern.

Würde ein Viertel der Älteren in eine kleinere Wohnung ziehen, entstünde Platz für 200'000 Menschen. Auch diese Berechnung stammt von IAZI.

Dazu müssen sie aber bereit sein, sich eine andere Bleibe zu suchen. Und diese müssen sie erst noch finden. Da stossen auch die grosszügig mit Wohnraum Ausgestatteten auf die harte Realität der Wohnungsknappheit in der Schweiz. Hinzu kommt, dass manche ihre grosse Wohnung oder ihr Haus freihalten, in der Hoffnung, eines ihre erwachsenen Kinder ziehe dereinst ein.

Mieter*innen umzuplatzieren schafft neue Probleme

Die Stadt Zürich hat angekündigt, ab 2024 alle zwei Jahre die Belegung ihrer Wohnungen zu überprüfen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet hat. Erlaubt sind maximal 1,5 Zimmer mehr, als Personen in der Wohnung leben. Wer diese Limite überschreitet, erhält zwei Angebote von der Stadt und ein Jahr Zeit, um umzuziehen. Bei Todesfällen sind es zwei Jahre.

Die Stadt Zürich besitzt 3500 Wohnungen – von über 230'000 Wohneinheiten auf Stadtgebiet. Auch wenn die grösste Stadt der Schweiz hier vorangeht, wird auch diese Massnahme die Wohnungsknappheit kaum beenden. 

Auch Genossenschaften versuchen, ihre geräumigen Wohnungen denen anzubieten, die so viele Zimmer auch tatsächlich brauchen. Doch gerade kleinere Genossenschaften tun sich schwer, für jene in zu grossen Wohnungen innert nützlicher Frist eine kleinere zu finden. Die tiefe Fluktuation macht es selbst Genossenschaften mit mehr Liegenschaften schwer, ihre Mieter*innen rasch umzuplatzieren.

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