Evelyne Binsack zum Unglück im Wallis«Es wurden viele Fehlentscheide getroffen»
Von Alex Rudolf
11.3.2024
Mindestens fünf Menschen starben dieses Wochenende auf einer Skitour im Kanton Wallis. Bergexpertin Evelyne Binsack erklärt, wie sie gehandelt hätte und worauf man bei Skitouren achten muss.
Von Alex Rudolf
11.03.2024, 15:53
12.03.2024, 07:21
Alex Rudolf
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Fünf Skitourengänger verstarben an der Tête Blanche im Kanton Wallis.
Auch Bergführerin Evelyne Binsack hätte an diesem Wochenende eine Tour gehabt, die sie jedoch absagte.
Sie sagt im Interview mit blue News, es seien viele Fehlentscheide getroffen worden.
Evelyne Binsack, was bringt Berggänger dazu, Touren trotz schlechter Wettervorhersagen nicht abzubrechen?
Das ist schwierig zu sagen. Ich hätte am Samstag und Sonntag ebenfalls eine Tour geführt, sagte diese jedoch ab, weil das Wetter zu heikel war. Vielleicht suchte die verunglückte Gruppe lange nach einem passenden Datum für die Skitour und wollte sie auf Biegen und Brechen durchführen. Möglicherweise starteten sie in die Tour, ohne einen Plan B oder Plan C zu haben.
Unter welchen Vorzeichen wären Sie gestartet?
Würde ich bei einer solchen Föhnlage starten, dann sicher nicht in Richtung Alpenhauptkamm und zweitens nicht so hoch. Je tiefer man ist, desto eher hat man eine Chance, zurückzukehren. Man ist weder exponiert noch auf Gletscher und hat somit keine Probleme mit Gletscherspalten.
War es bei dieser Wettersituation fahrlässig, dennoch auf Tour zu gehen?
Ich sage dies ungern. Aber bei all den Vorzeichen: Es wurden viele Fehlentscheide getroffen.
Die Opfer hätten alles gemacht, um sich zu schützen, hiess es heute Morgen an der Medienkonferenz. Was kann man in einer solchen Situation überhaupt tun?
Man machte nicht ganz alles, um zu überleben. Wäre alles gemacht worden, dann wären sie auf einer Berghütte geblieben.
Es fiel das Stichwort Schneehöhle an der Medienkonferenz.
Hier ist die Frage, wie gut die Menschen ausgerüstet waren. Hatten sie eine Lawinensonde bei sich? Dabei handelt es sich um einen Stick, den man bis zu zwei Meter ausfahren kann. Wenn die Lawinensonde nicht auf Grund stösst, ist genügend Schneehöhe vorhanden, um eine rettende Schneehöhle zu graben. Die zweite Frage lautet: Hatten die Menschen eine Lawinenschaufel? Diese bedeutet zwar etwas extra Gewicht, gehört aber zu Standardausrüstung bei Skitouren.
Was geschieht, nachdem man die Höhle gegraben hat?
Den Sturm muss man dann in dieser Schneehöhle aussitzen. Da man windgeschützt ist, ist die gefühlte Temperatur nicht so kalt. Zudem kann man eng beisammen sitzen und sich gegenseitig wärmen. Das Wetter wäre innert 24 Stunden wieder besser geworden.
Gibt es so etwas wie goldene Regeln, die es vor und während einer Bergtour zu beachten gilt?
Ja, klar. Der Wetterbericht und das Lawinenbulletin müssen zwingend konsultiert werden.
Was löst ein solches Unglück in einer erfahrenen Bergsteigerin wie Ihnen aus?
Es macht sehr betroffen, wenn man hört, dass ein 21-Jähriger gestorben ist, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte. Fehler passieren, aber am Berg ist die Marge sehr klein. Erst vor fünf Jahren gab es einen vergleichbaren Unfall. Und nun schon wieder. Es tut mir sehr leid für die Betroffenen und die Angehörigen.