Gemeinnützige Wohnungen Freisinniger feiert mit einem typisch linken Anliegen Erfolg

Von Alex Rudolf

20.9.2023

Die FDP will nun Genossenschaften fördern

Die FDP will nun Genossenschaften fördern

Die FDP setzt sich neu für die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum ein.

20.09.2023

Der Bund soll gemeinnützigen Wohnraum stärker fördern: Das fordert FDP-Ständerat Matthias Michel – und hat in der kleinen Kammer Erfolg. Verfolgt er damit ein linkes Anliegen? Keineswegs, findet der Zuger.

Von Alex Rudolf

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Wohnungen werden immer teurer und knapper. Bis in drei Jahren könnten landesweit schon 51'000 Wohnungen fehlen.
  • Nun setzt die FDP auf ein Rezept, das in der Vergangenheit vorwiegend von linken Parteien genutzt wurde: den gemeinnützigen Wohnungsbau.
  • So sollen Bauherren zwei bis drei Etagen höher bauen dürfen, wenn sie dafür auch gemeinnützige Wohnungen erstellen.
  • Die kleine Kammer hat einem Vorstoss von FDP-Ständerat Matthias Michel zugestimmt, nun ist der Nationalrat am Zug.

Besonders in den Städten und Agglomerationen ist das Problem akut. Nicht nur hat es grundsätzlich zu wenige Wohnungen, es hat vor allem zu wenig preisgünstige. Die Leerwohnungsziffer in der Schweiz sank zwischen 2020 und 2022 von 1,72 auf 1,31 Prozent. Bereits in drei Jahren könnten rund 51'000 Wohnungen fehlen, rechnet Matthias Michel, FDP-Ständerat aus dem Kanton Zug, vor.

Ein Rezept, auf das insbesondere die Stadt Zürich, aber auch andere Städte schon lange setzen, findet nun auch beim Freisinn Anklang: das Bauen von gemeinnützigen Wohnungen.

«Bis weit in den Mittelstand hinein sind die Wohnkosten ein Thema.»

Matthias Michel

Ständerat FDP/ZG

In einem Vorstoss verlangt Michel, dass in gewissen Gebieten stärker verdichtet und Zonen für den gemeinnützigen Wohnungsbau mit Ausnützungsboni ausgeschieden werden sollen. Bauherren sollen also höher bauen dürfen, wenn sie dafür auch preisgünstigen Wohnraum beispielsweise durch Wohnbaugenossenschaften erstellen.

Michel betont, dass es sich bei der Förderung von Wohnbaugenossenschaften nicht um ein typisch linkes Anliegen handle. «Bis weit in den Mittelstand hinein sind die Wohnkosten ein grosses Thema», sagt er zu blue News. Zudem gebe es beispielsweise in seinem Kanton Zug mehrere bürgerlich eingestellte Wohnbaugenossenschaften und schweizweit mit «Wohnen Schweiz» eine grosse Dachorganisation mit bürgerlich-liberaler Grundeinstellung.

Kein Zwang, sondern ein Anreiz

Michels Vorstoss habe doch einen liberalen Grundgedanken. Denn die Bauherren würden nicht dazu gezwungen, preisgünstige Wohnungen zu bauen, aber sie erhielten einen Anreiz, solchen zu erstellen. «Wer zwei bis drei Geschosse höher bauen darf, hat auch eine höhere Rendite – und kann diese zur Finanzierung preisgünstiger Wohnungen auf derselben Parzelle einsetzen.»

Bislang waren bürgerliche Politiker*innen dem Eingriff in den Wohnungsmarkt gegenüber eher skeptisch eingestellt. Der Tenor lautete: Niemand hat ein Grundrecht darauf, in den Innenstädten an bester Lage zu leben. Das sieht auch Michel so, doch müsse man sagen: «Wohnungen müssen in vom ÖV gut erschlossenen Räumen erstellt werden, sonst droht eine Überlastung der Infrastruktur.» So hätten viele Agglomerationen noch Raum nach oben, was die Verdichtung angeht.

Warum ist das Bauen in der Schweiz denn unattraktiv? Die im Raumplanungsgesetz angestrebte Verdichtung funktioniere einfach nicht, sagt Michel. Die Verfahren gingen zu lange und jeder könne Einsprachen erheben, moniert er. So schlug die FDP im vergangenen Frühling auch einen Sechs-Punkte-Plan vor, der unter anderem vorsah, die Lärmschutzregelungen oder die Heimatschutzregelungen zu lockern und die Geschwindigkeit für die Erteilung von Baugesuchen zu erhöhen.

Der beschränkte Platz, den wir hier in der Schweiz haben, soll nach Ansicht der FDP besser genutzt werden.

In Zürich muss bis 2050 eine von drei Wohnungen gemeinnützig sein. Im Bild werden Stadtwohnungen am Escher-Wyss-Platz erstellt. 
In Zürich muss bis 2050 eine von drei Wohnungen gemeinnützig sein. Im Bild werden Stadtwohnungen am Escher-Wyss-Platz erstellt. 
Sebastian Gollnow/dpa

Erst im vergangenen Frühling richtete Wirtschaftsminister Guy Parmelin einen runden Tisch zum Thema Wohnungsknappheit aus. Gemeinsam mit den Gemeinden und Kantonen solle diskutiert werden, wie das Problem gelöst werden könne. Diesen Ergebnissen wolle der Bundesrat nicht vorgreifen, wie er in seiner Stellungnahme zum Vorstoss von Michel schreibt. Bald soll es eine zweite Runde dieses runden Tisches geben.

«Ich bin gerne ein Brückenbauer»

Der Ständerat nahm Michels Vorstoss am Mittwoch mit 20 zu 10 Stimmen an, er wird nun im Nationalrat verhandelt. Sagt auch dieser Ja, muss der Bundesrat innert zweier Jahre einen Erlass ausarbeiten.

Im Vorfeld zur Debatte im Ständerat habe er von Parlamentariern aus verschiedenen – auch linken – Kreisen positive Rückmeldungen erhalten, sagt Michel. «Viele sicherten mir die Unterstützung zu. Ich bin gerne ein Brückenbauer zwischen Links und Rechts.»