CO2-Gesetz auf der KippeJetzt geht der Kampf um die Mitte-Stimmen los
Von Gil Bieler
19.5.2021
Beim CO₂-Gesetz zeichnet sich gut einen Monat vor der Abstimmung ein Patt ab. Im Nein-Lager gibt man sich kämpferisch, im Ja-Lager muss vor allem FDP-Chefin Petra Gössi die eigene Basis überzeugen.
Von Gil Bieler
19.05.2021, 17:32
Gil Bieler
Sagt die Schweiz am 13. Juni Ja oder Nein zum neuen CO₂-Gesetz? Rund einen Monat vor dem Urnengang schmilzt der Vorsprung der Befürworter dahin. So wollen noch 50 Prozent ein Ja einwerfen, 46 Prozent ein Nein. Das zeigt die am Mittwoch veröffentlichte zweite Abstimmungsumfrage der Tamedia-Titel. Bei einer ersten Befragung vom April hatte der Ja-Anteil noch bei 54 Prozent gelegen.
Entschieden sei aber noch nichts, sagt Fabio Wasserfallen, Co-Autor der Studie: «Der abnehmende Ja-Trend muss sich nicht zwangsläufig so fortsetzen», erklärt der Politologe auf Anfrage von «blue News». Denn anders als bei Initiativen, die sich von einer Abwärtstendenz kaum einmal erholen würden, sei bei einer Gesetzesvorlage noch alles offen. «Wir wissen also noch nicht, wie sich die Stimmung bis zum Abstimmungssonntag entwickelt.»
Mitte-Parteien kommt Schlüsselrolle zu
Den Ausschlag dürfte die Wählerschaft der politischen Mitte geben: Während an den Polen links und rechts die Meinungen gemacht seien, stehen sich in der Mitte zwei gleich starke Lager gegenüber. «Hier erwarten wir noch am meisten Bewegung», sagt Wasserfallen.
Bei den FDP-Wähler*innen überwiegt sogar der Nein-Anteil: 61 Prozent lehnen das CO₂-Gesetz ab, nur 36 Prozent befürworten es. Auf beiden Seiten gibt es aber 10 Prozent, die nur «eher Ja» respektive «eher Nein» sagen wollen – also Wackelkandidat*innen, die sich möglicherweise noch umentscheiden werden.
So viel Skepsis – dabei haben sowohl Mitte-Partei als auch FDP die Ja-Parole zum Gesetz gefasst. «Jetzt liegt es an den Exponentinnen und Exponenten dieser beiden Parteien, die Basis zu überzeugen», sagt Wasserfallen. Für die Polparteien links und rechts dagegen gehe es darum, möglichst viele Wählende zu mobilisieren.
Imark: «FDP politisiert an der Basis vorbei»
Im Nein-Lager nimmt man die Umfrage erfreut zur Kenntnis. «Das zeigt, dass wir viele Leute überzeugen können, wenn man auch kontrovers diskutieren kann», sagt SVP-Nationalrat Christian Imark auf Anfrage. Er sitzt im Co-Präsidium des Nein-Komitees und kritisiert das Gesetz als «teure und ineffiziente Umverteilungskampagne», die im Kampf gegen den Klimawandel nichts bringe: «Man muss sich nur einmal ansehen, wie viele Kohlekraftwerke im Ausland neu entstehen.»
Dass sich die Wählerschaft von FDP und Mitte nicht vollends für ein Ja gewinnen liess, überrasche ihn nicht: «Das zeigt, dass es kein ausgewogenes Gesetz ist, sondern ein linkes. Und dass man speziell bei der FDP an der eigenen Basis vorbeipolitisiert.»
Gössi: «Es braucht mehr Zeit»
FDP-Parteichefin Petra Gössi hält dieser Ansicht entschieden entgegen: «Es braucht mehr Zeit, um die Inhalte zu erklären, als einfach für ein Nein zu mobilisieren, das Inhalte nicht erklären muss», erklärt sie auf Anfrage. Die FDP müsse die kommenden Tage nutzen, um aufzuzeigen, dass das neue CO₂-Gesetz zur Erreichung der Schweizer Klimaziele und zur Erfüllung des Pariser Klimaübereinkommens beitrage.
«Wir sind uns aber bewusst, dass einige Inhalte des Gesetzes bei unseren Wählern auf mässige Begeisterung stossen», so Gössi. «Umso wichtiger ist es, aufzuzeigen, dass es wesentliche, freisinnige Elemente enthält, die auf klassisch liberale Konzepte wie dem Verursacherprinzip beruhen.» Und sie unterstreicht: «Nur dank der FDP besteht das Gesetz nicht aus lauter Verboten und Bevormundung.»
Für die FDP-Chefin ist klar: Ein Nein bringe die Schweiz nicht weiter, sondern komme einem Rückschritt gleich. «Es würde die jahrelangen Bemühungen zugunsten des Klimaschutzes in der Schweiz zunichtemachen.» Gössi betont, dass die FDP mit der Mitte-Partei zusammenarbeite, um auch deren Wähler für ein Ja zu gewinnen.
Das Momentum liegt gemäss der neuesten Tamedia-Umfrage aufseiten des Nein-Lagers. Gewonnen sei aber noch nichts, sagt SVP-Nationalrat Imark. «Wir kämpfen weiter und werden versuchen, unsere Argumente so breit als möglich zu streuen.» Wie die Abstimmung am 13. Juni ausgehen werde, müsse sich zeigen.