Moskaus Medienmann in den USA Wirbel um TV-Lügen von kremltreuen US-Journalist Ben Swann

Von Alan Suderman und Garance Burke, AP/tpfi

19.10.2024 - 21:51

Dieses Bild von Ben Swanns X-Social-Media-Konto zeigt ihn in seiner Videoserie «Zelenskyy Unmasked». 
Dieses Bild von Ben Swanns X-Social-Media-Konto zeigt ihn in seiner Videoserie «Zelenskyy Unmasked». 
Bild: Uncredited/AP

Eine anti-ukrainische Videoserie wird in den USA von rechten Influencern gehypt. Hinter der Reihe steht ein Fernsehproduzent, der auch von russischen Staatsmedien finanziert wird.

Von Alan Suderman und Garance Burke, AP/tpfi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der US-Journalist Ben Swann hat eine Serie mit dem Titel «Selenskyj entlarvt» produziert.
  • Die Videos im Stil einer Dokumentation sind voll mit Anspielungen, Angriffen auf Selenskyjs Charakter und Kommentaren von russlandfreundlichen Gästen.
  • Swann verdiente Millionen Dollar für die Produktion kremlfreundlicher Sendungen.

Für den Kreml war es die beste Propaganda zur optimalen Zeit: Der nach eigenen Angaben unabhängige US-Journalist Ben Swann, der Verschwörungstheorien verbreitet, veröffentlichte eine zwölfteilige Videoserie, die nach seinen Worten dunkle Wahrheiten über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj enthüllen soll. Die Videos im Stil einer Dokumentation sind voll mit Anspielungen, Angriffen auf Selenskyjs Charakter und Kommentaren von russlandfreundlichen Gästen.

Die Serie mit dem Titel «Selenskyj entlarvt» erschien im April, als der US-Kongress gerade über eine Ausweitung der Militärhilfe für die Ukraine debattierte. Sie zog rasch die Aufmerksamkeit konservativer Social-Media-Influencer auf sich, die das Projekt bei ihren Millionen Followern bewarben. Darunter war auch Donald Trump Jr., der älteste Sohne des Expräsidenten. «Neugierig wegen der Milliarden Dollar und Waffen, die der Kongress der Ukraine geschickt hat?», schrieb Trump Jr. auf den Plattformen X, Truth Social und Threads. «Ihr müsst Euch die erste Folge dieser explosiven zwölfteiligen Serie anschauen.»

Andere konservative Influencer hatten sich im September geschockt über die Erkenntnis gezeigt, dass sie möglicherweise heimlich vom Kreml finanziert wurden. Swann dagegen dürften keine derartigen Skrupel plagen: Er hat jahrelang für das staatliche russische Medienimperium gearbeitet. Eines seiner Unternehmen verdiente Millionen Dollar für die Produktion kremlfreundlicher Sendungen.

Russische Propaganda für ahnungslose Amerikaner

Die Enthüllungen über Swanns Arbeit für Russland kommen zu einer Zeit, in der US-Behörden zunehmend vor Gefahren durch russische Desinformations-Kampagnen warnen. Ausser auf eine Schwächung der Ukraine ziele Moskau darauf ab, die US-Präsidentschaftswahl zu stören und in den Vereinigten Staaten und andernorts im Westen Unfrieden zu stiften, heisst es. Besonders besorgt sind die Behörden über verdeckte Bemühungen des Kremls, ahnungslose Amerikanerinnen und Amerikaner für die Verbreitung russischer Propaganda einzuspannen und mittels Künstlicher Intelligenz im Handumdrehen falsche Inhalte zu produzieren.

Die russischen Beeinflussungsversuche scheinen auch darauf angelegt zu sein, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu unterstützen, der die Ukraine kritisiert und den russischen Präsidenten Wladimir Putin gelobt hat, heisst es aus Behördenkreisen in Washington. Trump und seine Anhänger weisen Belege für eine Einmischung Moskaus zurück.

Auffällige Verstrickungen

Swann hatte vor gut zwei Jahren eine seiner Firmen, Rebel Media Productions, in den USA für die Produktion von Inhalten für russische Staatsmedien registrieren lassen. Sein zweites Unternehmen, Truth in Media, mit dem er unabhängige journalistische Formate wie «Selenskyj entlarvt» für Zielgruppen in den USA erstelle, sei von Rebel Media klar getrennt, betonte Swann in einem AP-Interview: «Die einzige Verbindung ist, dass ich beide Unternehmen besitze.»

Die AP stiess jedoch auf Überschneidungen zwischen beiden Einheiten. So erschienen einige der Gäste aus «Selenskyj entlarvt» auch in Sendungen, die Swann für den russischen Auslandssender RT produzierte. Auch die Themen ähneln sich. In der Selenskyj-Serie etwa wurde das Narrativ der russischen Staatsmedien aufgegriffen, dass es sich bei dem ukrainischen Präsidenten um einen Möchtegern-Autokraten handele, der den Westen auf seine Seite gezogen habe in einem Krieg, den Russland unausweichlich gewinnen werde.

Vom Verschwörungstheoretiker zum Social-Media-Star

Der 46-jährige Swann hatte lange als Fernsehjournalist gearbeitet, bis er 2018 von einem Sender in Atlanta entlassen wurde. Grund war, dass er für die als «Pizzagate» bekanntgewordene falsche Verschwörungstheorie über einen angeblichen Kinderpornoring von US-Demokraten geworben hatte. Seitdem stieg Swann zum Social-Media-Star auf, der sich damit rühmt, unbequeme Fragen zu heiklen Themen zu stellen – dabei geht es beispielsweise um haltlose Spekulationen, wonach Israel am Massaker vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein soll.

Nach eigenen Angaben war er Korrespondent von RT America, bis der Kanal nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine den Sendebetrieb einstellte. RT habe ihn daraufhin gebeten, für das Netzwerk Sendungen zur Ausstrahlung ausserhalb der USA zu produzieren, sagt Swann. Rebel Media Productions erhielt von RT laut AP-Recherchen in weniger als zwei Jahren mehr als sechs Millionen Dollar (rund 5,2 Millionen Franken).

Hohe Geldbeträge aus Russland

Der früher als Russia Today bekannte Sender RT ist im weit verzweigten russischen Propaganda-Apparat ein wichtiger Player und Ziel der US-Bemühungen, den verdeckten Einfluss Moskaus zu blockieren. Nach Angaben des Justizministeriums in Washington hat RT Verbindungen zu russischen Geheimdienstbehörden. Als Reaktion auf die jüngsten Sanktionen erklärte Swann, sein Unternehmen habe im September alle Verbindungen zu RT gekappt. Das Justizministerium wollte sich dazu nicht äussern.

Truth in Media, die Firma für die Produktion von Inhalten für das US-Publikum, erzielt nach Angaben Swanns keine Gewinne. Sie werde von wohlhabenden Einzelpersonen in den USA finanziert, deren Namen er nicht nennen wolle, sagte Swann. Die meisten von ihnen besässen sehr grosse, zum Teil börsennotierte Unternehmen, sagte er lediglich. Die hohen Geldbeträge, die er von russischen Staatsmedien erhalten habe, hätten seine Arbeit an «Selenskyj entlarvt nicht beeinflusst.

Von Alan Suderman und Garance Burke, AP/tpfi