Late Night USA«Wir haben keine Zeit für Idioten, Bro»
Von Philipp Dahm
8.12.2023
Während sich seine Gegenspieler im Rennen um das republikanische Präsidentschaftsticket im TV gegenseitig zerfleischen, gibt Donald Trump Sean Hannity ein Interview und versichert, er würde nur am ersten Tag den Diktator geben, falls er gewinnt.
Von Philipp Dahm
08.12.2023, 18:51
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Seth Meyers blickt in «Late Night» zunächst auf die vierte Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten zurück.
Grimmig wie ein Teenager: Der dabei abwesende Donald Trump erschien erneut zu einem Gerichtstermin in New York.
Trump erklärt vor der Verhandlung: «Die Bank hat ausgesagt. Sie lieben uns.»
Zuvor hat Donald Trump auf «Fox News» seinem Busenfreund Sean Hannity ein Interview gegeben.
Auf Hannitys Frage, ob sich Trump als Diktator aufführen und seine Kritiker verfolgen würde, antwortet er: «Nur am ersten Tag.»
Obwohl Hannity es gut mit Trump gemeint hat, greift der rechte Polit-Berater Steve Bannon den Moderator scharf an.
Rückblick auf die vierte TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten der Republikaner: «Sie haben alle so getan, als würden sie um die Präsidentschaft kämpfen – trotz der Tatsache, dass sie alle rund 50 Prozentpunkte hinter dem Führenden liegen», bringt es Seth Meyers in «Late Night» auf den Punkt.
Gemeint ist natürlich der grosse Abwesende – Donald Trump. Doch weil die Kandidaten theoretisch ja dennoch zum Zuge kommen könnten, sollte man nicht wegschauen, findet Meyers. «Sie haben die ganze Debatte damit verbracht, sich gegenseitig zu bekämpfen – wie Tauben, die sich auf dem Parkplatz eines Restaurants, das einer noch viel grösseren Taube gehört, um Pommes streiten.»
Wie das dann im TV aussah, zeigt der Clip ab Minute 1:19: «Sie wird bei den Spendern klein beigeben», sagt Ron DeSantis über Nikki Haley. Die kontert, er sei nur sauer, dass diese ihn nicht mehr unterstützten. Später unterstellt sie DeSantis, er sei für seine Lügen bekannt. Dann bekommt sie wiederum von Vivek Ramaswamy aufs Dach, der sich mit dem dazugehörigen Zettel gleichzeitig selbst lächerlich macht.
Ramaswamys Aggressivität ruft wiederum Chris Christie auf den Plan: Sein Konkurrent sei der «widerlichste Angeber Amerikas». «Hey, hey, Leute, es gibt keinen Grund, zu kämpfen. Ihr seid alle widerliche Angeber», gibt sich Meyers salomonisch. Chris Christie bindet der Moderator allerdings ein Kränzchen: Er sei der einzige Kandidat, der Trump Contra gebe.
«Ron, ist Trump fit?»
Wie gross der Schatten des Ex-Präsidenten ist, zeigt der Clip ab Minute 3:06. Die Moderatorin fragt Ron DeSantis, ob er Trump mental für fit genug für das Amt findet. «Niemand schlägt Väterchen Zeit», beginnt der Gouverneur von Florida. Nachfrage: Ist Trump fit genug? «Ich brauche, wir brauchen jemand Jüngeres», windet sich DeSantis.
Das regt Christie auf. «Warum beantwortest du nicht einfach die Frage?» und «Ron, ist er fit?», bellt der frühere Gouverneur New Jerseys. Dann ätzt er: «Er hat Angst, zu antworten.» «Oh mein Gott», schliesst sich Meyers an. «Wie schwer ist es, zu sagen, dass Donald Trump nicht fit genug ist?» Das gelte fürs Mentale, fürs Physische, fürs Politische.
Der 40-Jährige begründet das so: «Er ist mit vier Anklagen konfrontiert, er hat einen gewalttätigen Coup-Versuch angestachelt, vergisst, in welcher Stadt er ist, gegen wen er antritt, glaubt, dass Wind-Anlagen Krebs auslösen und hat einst gesagt, es gab Flughäfen während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges.»
Trump grimmig wie ein Teenie
DeSantis sei früher noch der Liebling der Rechten gewesen, erinnert Meyers: «[Er ist] der Gouverneur des drittbevölkerungsreichsten Staates und hat eine grosse Reserve von Wahlkampfspenden aufgebaut. Und dann kommt eines Tages ein Berater zu ihm und sagt: ‹Schlechte Neuigkeiten: Trump hat dich Fleischbällchen Ron genannt.›»
Trump ist gefürchtet für seine Spitznamen, die er sich für seine Gegner ausdenkt, weiss Meyers: «Und De Santis sagt: ‹Na, und? Das wird mir doch nicht anhaften, oder?› Er dreht sich zu seiner Frau um: ‹Glaubst du, es wird mir anhaften, Casey?› Und sie sagt: ‹Ich glaube, du hast nichts zu befürchten, Fleischbällchen Ron, äh, ich meine Ron. Ich bringe lieber die Kinder nach Hause, grüsse deinen Fleischbällchen Vater, äh, ich meine Vater.›»
Dabei biete Trump doch genug Angriffspunkte: Gerade erst musste sich der 77-Jährige wieder ins New Yorker Gericht begeben, wo es um seine finanzielle Zukunft geht, führt Meyers ins Feld. «Wieder einmal sass er auf der Anklagebank, schaute finster drein wie ein Teenager bei der [Fahrschule], der gezwungen wird, sich ein Video über die Gefahren von Alkohol im Strassenverkehr anzuschauen.»
«Die Bank hat ausgesagt. Sie lieben uns»
Vor dem Termin habe sich Trump wie üblich der Presse gestellt, um von einer Hexenjagd zu sprechen. Er habe aber auch behauptet, dass ihn dieser Prozesstag entlasten würde – zu sehen ab Minute 6.07: «Wir gehen jetzt rein», sagt Trump. «Wir haben einen Experten-Zeugen, einen der grossartigsten Experten im Land.»
Und weiter: «Wenn man sich den Fall anschaut, haben wir nichts falsch gemacht. Es gab keine Opfer. Die Bank liebt uns. Die Bank hat ausgesagt. Sie lieben uns. Wir haben absolut nichts falsch gemacht. Die Bank sagte, wir seien der perfekte Kunde gewesen.»
«In welchem Kontext würde eine Bank jemanden eigentlich den perfekten Kunden nennen?», echauffiert sich Meyers – und imitiert Trump: «Wisst Ihr, ich war mal bei einer Bank. Ein Bankomat kam zu mir, ein grosser Bankomat, ein starker Bankomat, Tränen rannen seinen Bildschirm herunter auf sein ekliges Tastenfeld, und er sagte zu mir, es sagte: ‹Sir, Sie sind ein perfekter Kunde.› Und ich sagte, ich sagte: ‹Danke, Bankomat.›»
Diktator Trump? «Nur am ersten Tag»
Zwei Tage vor seinem Auftritt vor Gericht hat der New Yorker seinem Busenfreund Sean Hannity übrigens ein denkwürdiges Interview gegeben: Der «Fox News»-Moderator «hat versucht, Trump dazu zu bringen, Berichte zu widerlegen, nach denen er und seine Verbündeten Pläne geschmiedet haben, das Justizministerium zu nutzen, um sich an seinen Kritikern zu rächen», leitet Meyers ein.
Doch darauf steigt der Angesprochene nicht ein, wie ab Minute 7:30 zu sehen ist: «Haben Sie irgendwelche Pläne, ihre Macht zu missbrauchen, das Gesetz zu brechen und die Regierung zu benutzen, um Leuten nachzustellen, falls Sie wiedergewählt werden?», legt Hannity seinem Freund den Ball auf.
«Sie meinen, so wie [die Biden-Administration] es gerade tut?», fragt Trump, um dann die Vorlage auf die Tribüne zu pfeffern: «Nur am ersten Tag.» Hannity scheint doof zu gucken. «Schaut, er dreht durch», sagt Trump und wiederholt: «Nur am ersten Tag.» «Das heisst?», fragt Hannity. «Ich will die Grenze schliessen und ich will bohren, bohren, bohren», lautet die Antwort.
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
«Wie dumm bist du?»
Hannity habe Trump helfen wollen, und der habe ihn ausgelacht, fasst Meyers zusammen. Das sei immer so bei den beiden: Hannity versuche krampfhaft, keine Schlagzeilen liefern. Trump reagiere nach dem Motto: «Sean, das ist scheiss langweilig, ich werde ein paar Schlagzeilen liefern.»
Bizarr: Der servile Hannity wird nun von anderen Trump-Jüngern angefeindet. Denn die eigentliche Gotteslästerung sei seine Frage gewesen. «Sean Hannity dachte, er hätte Trump geholfen», sagt Steve Bannon, Rechtsaussen und Ex-Berater des Ex-Präsidenten. «Das Publikum versteht es. Sie lachen. Und ganz nebenbei, Sean, sie lachen über dich.»
Und weiter: «Sie lachen über die dumme, lächerliche Frage. Natürlich ist Trump kein Diktator. Es ist absurd, auch nur daran zu denken. Alleine diese Frage zu stellen, zeigt, dass du ein Idiot bist. Und wir haben keine Zeit für Idioten, Bro.» «Bro» steht für brother, also Bruder.
Bannon ist immer noch nicht fertig: «Das ist ein Krieg. Wie dumm bist du? Uns ist es ernst. Das ist Krieg. Und du bist einfach nicht gut genug, und du bist einfach nicht klug genug.» «Ich liebe es», kommentiert Meyers, «wie Bannon sowohl sagen kann, es sei verrückt, ein Wort wie Diktator zu benutzen, und dann haut er raus: ‹Wir sind im Krieg ... Bro.›» Zumindest sehe Bannon auch aus, als sei er im Krieg, lästert der Late-Night-Host.