Late Night USAEin Festschmaus für alle «Fans von Dummheit und Korruption»
Von Philipp Dahm
17.11.2023
Stephen Colbert knöpft sich in seiner «Late Show» den Ethik-Bericht über den Abgeordneten George Santos vor. Und er weiss auch, warum beim Essen zwischen Joe Biden und Xi Jinping wohl dicke Luft geherrscht hat.
Von Philipp Dahm
17.11.2023, 18:13
17.11.2023, 18:49
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Das US-Repräsentantenhaus hat einen Ethik-Bericht über den Abgeordneten George Santos veröffentlicht.
Dem Republikaner wird unter anderem vorgeworfen, Wahlkampfspenden für Zahlungen für Botox und beim Erotikportal Only Fans verwendet zu haben.
Santos kündigt an, er werde nicht wieder kandidieren.
Der Republikaner Chip Roy greift seine Partei an, weil sie sich nicht traue, vor Thanksgiving einen Shutdown heraufzubeschwören.
Nur die «Late Show» weiss, warum es am Gipfel zwischen US-Präsident Joe Biden und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping noch richtig dicke Luft gegeben haben müsste.
«Wenn es da draussen irgendwelche Fans von Dummheit und Korruption gibt», beginnt Stephen Colbert den Monolog seiner «Late Show», «habt ihr am richtigen Abend eingeschaltet.» Der Grund: Der Ethik-Rat des Repräsentantenhauses hat seinen Bericht über den Abgeordneten George Santos veröffentlicht.
Der Republikaner hat sich mit allerlei absurden Lügen einen Namen gemacht, die seine Familie, seine Herkunft und seinen Werdegang betreffen. Der 35-Jährige hat sogar Geld für die Rettung des todkranken Hundes eines Veteranen gesammelt, nur um selbst die Dollars einzustreichen.
Der Bericht bestätigt das Image nun: Santos habe «jeden Aspekt» seiner Angeordneten-Tätigkeit «betrügerisch ausbeuten» wollen – «für seinen eigenen finanziellen Profit». Sein Verhalten sei «unter der Würde» des Repräsentantenhauses, das er «schwer in Verruf» gebracht habe.
Na, dann macht doch!
«Das ist gar nicht so leicht», lästert Colbert. «Das ist eine Leistung, denn dieser Tage liegt die Würde des Repräsentantenhauses nur leicht unter jener eines Golden Corrals, dem das Steak ausgegangen ist.» Die – nennen wir sie solide – Restaurant-Kette ist bekannt für ihre «All you can eat»-Grillbuffets.
Für eine Empfehlung, Santos auszuschliessen, reicht der Bericht jedoch nicht. Das wäre ein «deutlich längerer Prozess» gewesen. Colberts Reaktion:
«Okay!» Dann müsse man das eben tun. Ein Arzt gehe ja auch nicht zur Patientin und sage: ‹Miss Thompson, wir könnten natürlich Ihren im Platzen begriffenen Blinddarm entfernen, aber das würde Stunden dauern.› Und dann präsentiert Colbert die «schlüpfrigen Details» des Berichts.
«He could zoom everywhere»
Demnach hat Santos mit Wahlkampfspenden Dinge bezahlt wie Botox-Spritzen, «verschwenderische» Reisen ins Spieler-Paradies Atlantic City, «kleinere Zahlungen» beim Erotikportal Only Fans und Designer-Ware.
An anderer Stelle wird der Vorschlag eines Mitarbeiters aufgeführt, Santos solle sich vom Arzt einen Segway verschreiben lassen, um auf dem Kapitol eine gute Falle zu machen.
«He could zoom everywhere», schreibt träumend der Verfasser. Colbert überlegt, welcher Arzt solche Rezepte ausstellt: «Die Testresultate sind da. Es tut mit leid, sie haben einen gefährlich niedrigen Wert von ‹Nerviger Tourist›.»
Santos hat nach Bekanntwerden des Berichts angekündigt, in seinem Wahlkreis nicht erneut anzutreten. Dass seine Partei nichts gegen ihn unternehme, passe ins Bild, findet der «Late Night»-Host: Immerhin sei das aktuelle Repräsentantenhaus «der am wenigsten produktive Kongress seit der Weltwirtschaftskrise», wie die «Huffington Post» schreibt.
Gestatten, Chip Roy
Dass in Washington so wenig läuft, nervt auch den Abgeordneten Chip Roy. Der Mann aus Texas legt im Repräsentantenhaus richtig los – zu sehen ab Minute 5. Da meint er energisch, seine republikanischen Kollegen sollten ihm nur eine Sache nennen, mit der er Wahlkampf machen könne. «Nur eine signifikante Sache.»
Colbert springt ein: «Wiederholt Kevin McCarthy demütigen? Den Ellbogen in die Nieren des anderen rammen? Lehren über das Teilen von Pornos zwischen Vater und Sohn? Denn mir hat all das was bedeutet.» Nun töne es zwar gut, wenn ein Republikaner den Stillstand anprangere, doch wir hätten nicht gehört, was Chip Roy fordert, sagt Colbert.
Ab Minute 5:45 macht der Politiker weiter: Er verhöhnt seine Kollegen, weil sie Angst hätten, vor dem traditionellen US-Familienfest Thanksgiving mit einem Shutdown den Staatshaushalt abschmieren zu lassen. «Warum stehen wir nicht auf und kämpfen?» Das Ziel sei, dass die Kinder und Kindeskinder nicht einen bankrotten Staat erben und sich fragten, wie Freiheit aussehe, «während sie Mandarin sprechen».
Ups!
Er habe nicht gewusst, was ein Shutdown mit Thanksgiving machen könne, sagt Colbert. «Aber es ist schön, eine Vorschau darauf zu bekommen, worüber dein betrunkener Onkel [beim Dessert] herumschreit.»
Der Gipfel der alten Männer
Gab es sonst noch wichtige News? Ach ja, das Treffen der «beiden alten Männer» – der 59-Jährige meint die Präsidenten Xi Jinping und Joe Biden, die in San Franciso zusammen gegessen haben. Bekannt sei nicht der Inhalt des vierstündigen Gesprächs, aber der des Menüs: Zum Poulet gab es auch Baby-Brokkoli und Rosenkohl.
Cobert: «Sie haben den beiden alten Männern Baby-Brokkoli und Rosenkohl gegeben und sie dann für vier Stunden in einem Raum eingesperrt? Echt? Ich nehme an, sie haben das Verbot für chemische Kriegsführung aufgehoben.»
Und fügt dann an: «Der Witz basiert auf einer wahren Geschichte.»
Ein Bonmot hat Colbert noch vom amerikanisch-chinesischen Gipfel – aus der «New York Times». Die berichtet, Biden habe Xis Frau Peng Liyuan einen schönen kommenden Geburtstag gewünscht, weil sie – genau wie er – am 20. November geboren wurde.
Xi antwortet beschämt, weil er viel arbeite, habe er ihren Geburtstag vergessen. «Xi, du Dummkopf, das gibt man nicht zu», ruft ihm der Moderator zu.
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.