Bürgerstunde mit TrumpCNN muss viel Prügel einstecken
Oliver Kohlmaier
11.5.2023
Einmal mehr kann Donald Trump eine Lügenshow im Fernsehen abziehen — ausgerechnet bei CNN. Der US-Sender sieht sich vernichtender Kritik ausgesetzt, Trump-Berater hingegen sind begeistert.
Oliver Kohlmaier
11.05.2023, 13:45
11.05.2023, 17:01
Oliver Kohlmaier
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte seinen ersten Live-Auftritt bei CNN seit sieben Jahren.
Während der Sendung wiederholt er mehrere seiner Lügen, beleidigte zudem die Moderatorin.
Der als liberal geltende TV-Sender muss heftige Kritik einstecken.
Die Sendung hat kaum begonnen, als Trump das erste Mal lügt.
Der Ex-Präsident bezeichnet die verlorene Wahl gegen Joe Biden abermals als manipuliert. Er wird es im Laufe der CNN-Sendung am Mittwoch noch ein weiteres Mal behaupten, und schliesslich noch einmal.
«Sie können das nicht den ganzen Abend lang sagen», versucht Moderatorin Kaitlan Collins zu berichtigen.
Beim sogenannten Townhall-Meeting (etwa: Bürgerstunde) in New Hampshire konnte selbst die talentierte und hartnäckige Journalistin Collins schlicht nicht mithalten. «Live-Lügen funktionieren», kommentierte dazu TV-Veteran Mark Lukasiewicz.
Die Reaktionen waren insgesamt verheerend. Jedoch nicht wegen Donald Trump. Der spielte einfach die Klassiker ab, wie eine Band bei ihrer letzten Tour.
Der liberal gesinnte US-Sender muss hingegen vernichtende Kritik einstecken.
CNN should be ashamed of themselves.
They have lost total control of this “town hall” to again be manipulated into platforming election disinformation, defenses of Jan 6th, and a public attack on a sexual abuse victim.
The audience is cheering him on and laughing at the host.
Zur Erinnerung: CNN ist jener US-Nachrichtensender, dessen Führungsebene einst selbst damit haderte, Trump im Vorfeld der Wahlen 2016 eine unverhältnismässig grosse Bühne gegeben zu haben. Jetzt steht der Sender mit dem neuen Chef Chris Licht im Kreuzfeuer der Kritik — aus demselben Grund.
Dass Trump den Sender zigfach als «Fake News» bezeichnet hat? Geschenkt. Die Berater des Ex-Präsidenten nahmen die Einladung dankend an.
Verbal überrannt
CNN hatte eine ihrer besten Journalistinnen nach New Hampshire geschickt — aber die 31-jährige Kaitlan Collins wurde von Trump verbal überrannt. Die ehemalige Korrespondentin im Weissen Haus hatte kaum eine Falschbehauptung des Ex-Präsidenten korrigiert, als dieser schon die nächste platzierte.
Ein Beispiel: Trump durfte letztlich unwidersprochen behaupten, die Demokratische Partei wolle Abtreibung «im neunten Monat oder nach der Geburt» erlauben.
This thing was madness, total madness. Like giving a microphone to Drunk Uncle and saying: go for it!
CNNs Bill Carter schrieb auf Twitter: «Es ist, als ob man dem betrunken Onkel ein Mikrofon gibt und sagt: Hau raus!»
Irgendwann hatte Trump trotzdem genug davon, gelegentlich korrigiert zu werden, und nannte Collins eine «fiese Person». Das Publikum lachte.
Denn bei dem Live-Event in New Hampshire konnte der Ex-Präsident offenkundig auf ein ihm wohlgesonnenes Publikum setzen. Es bestand aus republikanischen und nicht festgelegten Wählern, die vorhaben, sich an den Vorwahlen der Republikaner zu beteiligen.
#BoycottCNN
Während #BoycottCNN sich im Laufe des Mittwochabends zum Twitter-Trend mausert, verteidigt sich der Sender, man habe Trumps Behauptungen «in Echtzeit» korrigiert, ausserdem sei mit allen Präsidentschaftsbewerbern ein solches Townhall-Meeting geplant.
Angelo Carusone, Chef der NGO «Media Matters for America», beschrieb die CNN-Einladung an Trump hingegen als «durchschaubaren Versuch, die Einschaltquoten anzukurbeln».
Auch Kollegen aus der Branche zeigten sich entsetzt. «Die Normalisierung von Extremismus und Verschwörungserzählungen geht weiter», sagte etwa Mehdi Hasan vom ebenso liberal gesinnten US-Sender MSNBC.
Auch bei der CNN-Belegschaft kam die Sache nicht gut an, wie mehrere US-Medien berichten. Der Sender habe Trump eine Plattform geboten, um «seine Lügen zu speien», sagte demnach ein Mitarbeiter zum «Rolling Stone Magazine». Das Townhall-Meeting sei eine «verdammte Schande», niemand beim Sender sei glücklich damit.
Ein Medienjournalist des «Daily Beast» zitierte einen CNN-Mitarbeiter, der ihn während des Drehs kontaktierte: «Es ist so schlimm. (...) Es ist schrecklich. Eine Trump-Dauerwerbesendung. Sie werden uns vernichten.»
So kam es dann auch.
Sexueller Missbrauch: Trump muss fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld bezahlen
Ex-US-Präsident Donald Trump ist wegen sexuellen Missbrauchs der Journalistin E. Jean Carroll zu fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld verurteilt worden. Er soll Carroll 1996 in einer Umkleidekabine eines New Yorker Kaufhauses missbraucht haben.
10.05.2023
Trump-Berater begeistert
Derweil zeigten sich Mitarbeiter in Trumps Team hocherfreut. «Trump-Berater sind aus dem Häuschen, wie es bisher für ihn läuft», berichtet die «New York Times».
«Sie können nicht glauben, dass er eine Stunde auf CNN bekommt mit einem Publikum, das jeden Satz bejubelt und über seine Witze lacht.»
Der amtierende Präsident Joe Biden nutzte Trumps Auftritt bei CNN indessen für einen Aufruf zu Wahlampfspenden. «Es ist ganz einfach, Leute», schrieb der Präsident auf Twitter.