Trump trotzig wie eh und je «Was mich nicht tötet, macht mich stärker»

Von Philipp Dahm

20.12.2022

Ausschuss fordert Strafverfahren gegen Trump wegen Kapitol-Erstürmung

Ausschuss fordert Strafverfahren gegen Trump wegen Kapitol-Erstürmung

Der Untersuchungsausschuss des US-Parlaments empfiehlt dem Justizministerium, ein Verfahren gegen den früheren Präsidenten Donald Trump wegen dessen Rolle beim Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 aufzunehmen. Trump sei «ungeeignet» für jedes öffe

20.12.2022

Die juristischen Tiefschläge zeigen Wirkung: Die Zustimmungswerte von Donald Trump sinken nicht nur bei den Wählern, sondern auch in seiner Partei, in der Trumpist*innen nun aufeinander losgehen.

Von Philipp Dahm

Donald Trump ist – zumindest während seiner politischen Laufbahn – oft genug unterschätzt worden. Das begann beim Rennen um die Nominierung seiner Partei, zog sich über den Präsidentschaftswahlkampf 2016 fort – und auch als der gewonnen war, rechnete längst nicht jeder damit, dass der New Yorker seine Amtszeit auch beenden würde.

Doch nun riecht es nach Götterdämmerung. Das liegt nicht allein daran, dass der Kapitol-Ausschuss dem Justizministerium empfiehlt, Anklage gegen den Ex-Präsidenten zu erheben. Schon gar nicht, wenn es nach Donald Trump selbst geht: Der 76-Jährige gibt sich kämpferisch.

«Was diese Leute nicht verstehen», schreibt er auf seinem Sprachrohr Truth Social: «Wenn sie mich verfolgen, sammeln sich diejenigen, die Freiheit lieben, um mich. Das stärkt mich.» Die «falschen Anschuldigungen» des «hochgradig voreingenommenen Komitees» seien bereits beim «Amtsenthebungs-Hoax» durchgekaut worden.

«Weil sie wissen, dass ich gewinne»

Der Vorgang sei bloss ein Versuch des «Democratic Bureau of Investigation» – statt Federal Bureau of Investigation oder FBI –, ihn davon abzuhalten, für die Präsidentschaft zu kandidieren. «Weil sie wissen, dass ich gewinne und dass diese ganze Geschichte ein Versuch ist, mich und die Republikanische Partei ins Abseits zu stellen.»

Donald Trump am 8. November im Mar-a-Lago in Florida: Eine Woche später verkündet er am selben Ort seine erneute Präsidentschaftskandidatur.
Donald Trump am 8. November im Mar-a-Lago in Florida: Eine Woche später verkündet er am selben Ort seine erneute Präsidentschaftskandidatur.
AP

Damit hat Trump auch vollkommen recht, wie Ausschuss-Mitglied Liz Cheney frank und frei einräumt. «Ein Mann, der sich zu so einem Zeitpunkt so verhält, darf nie wieder ein Amt in unserer Nation bekleiden», sagt die Republikanerin. «Er ist für kein Amt geeignet.» Wie es nun weitergeht, muss indes ein Demokrat entscheiden: Merrick Garland.

Ob tatsächlich ein Verfahren eingeleitet wird, ist Sache des Justizministers. Auch wenn der Kapitol-Ausschuss in seinem Bericht klar darlegt, dass eine Strafverfolgung angezeigt wäre, birgt eine Anklage für den 76-Jährigen Sprengstoff: Donald Trump würde das dazu nutzen, sich als politisches Opfer darzustellen, und versuchen, seine Anhänger entsprechend zu mobilisieren.

Klage kein Hindernis für Trump-Kandidatur

Noch vor dem Report zum Sturm aufs Kapitol stellte stellvertretend «Salon» die Schlüsselfrage zur Causa: «Tritt Trump 2024 nur an, um sich vor einem Verfahren zu schützen?» Die gute – oder schlechte – Nachricht für Trump ist: Sollte Garland Anklage erheben, hätte das auf seine Kandidatur offenbar gar keinen juristischen Einfluss.

Trumps Fehlschläge haben zunächst keine juristische Auswirkung auf seine Kandidatur. Hier spielt der Ex-Präsident Ende Oktober in Doral in Florida Golf.
Trumps Fehlschläge haben zunächst keine juristische Auswirkung auf seine Kandidatur. Hier spielt der Ex-Präsident Ende Oktober in Doral in Florida Golf.
AP

«Es mag ein praktisches Hindernis sein», erklärt Rechtsprofessor Derek Muller CNN, «es mag ein Hindernis beim Sammeln von Wahlkampfspenden sein, aber das sind politische Fragen und keine legalen.» Andersrum bedeute das aber auch, dass eine Kandidatur Trumps nicht vor einem Verfahren schütze. Komplizierter werde es erst im Fall einer Verurteilung.

Was auch immer noch geschehen mag: Die permanenten juristischen Auseinandersetzungen setzen der Partei zu. Als das Kapitol-Komitee seine Arbeit aufnimmt, ist Trump noch «die überragende Figur in der republikanischen Politik», die bei den internen Vorwahlen die Kandidaten kürt, blickt die «New York Times» zurück.

«Deutlich weniger Trump»

«Sechs Monate später gibt es deutlich weniger Trump», heisst es weiter. «Die Verminderung liegt zum einen an seinen eigenen Fehltritten und Fehlkalkulationen der letzten Monate. Aber sie liegt auch an den voluminösen Beweisen» des Kapitol-Komitees. Wer nun meint, das sei bloss die Sicht der linken «New York Times», kennt die jüngsten Umfragen nicht.

Während die Zustimmungswerte von US-Präsident Joe Biden steigen, ist die Meinung von Donald Trump so schlecht wie seit Juli 2015 nicht mehr: 59 Prozent der Teilnehmenden sind nicht gut auf ihn zu sprechen. Auch in der Partei sinkt der Zuspruch: Er liegt demnach bei 70 Prozent, was dem Niveau vom März 2016 entspricht. «Donald Trumps Popularität bei republikanischen Wählern sinkt», vermeldet «The Economist».

Der Angesprochene selbst tut wenig, um sich in ein besseres Rampenlicht zu rücken: Stattdessen verkauft Trump für 99 Dollar mit grossem Tamtam NFTs – genau zu dem Zeitpunkt, als das Geschäft mit digitalen Bildrechten crasht. Dass diese derzeit rund 300 Dollar wert sind, spricht immerhin dafür, dass der harte Kern Trump immer noch treu ergeben ist.

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17.12.2022

Trumpistin gegen Trumpistin

Doch einen klaren Kurs oder gar Führung lässt der Ex-Präsident vermissen, seitdem er angekündigt hat, wieder zu kandidieren. Auch jene, die als seine grössten Anhänger gelten, machen derzeit keine gute Figur: Der einstige Shootingstar der Republikaner, Madison Cawthorn, ist gerade von seinen Anwälten verklagt worden, weil er ihnen gut 193'000 Dollar schulden soll.

Madison Cawthorn spricht im April 2022 in Selma, North Carolina, vor Donald Trump an einem Wahlkampfauftritt.
Madison Cawthorn spricht im April 2022 in Selma, North Carolina, vor Donald Trump an einem Wahlkampfauftritt.
AP

Derweil gehen mit Lauren Boebert und Marjorie Taylor Greene gerade zwei Trumpisten offen aufeinander los. Erstere hat sich öffentlich über Letztere lustig gemacht, weil diese einst etwas von «Jüdischen Weltraum-Lasern» faselte. Greene feuerte auf Twitter zurück, die Partei habe so viel Geld in Boebert investiert, und die habe in Colorado mit gerade mal 500 Stimmen Vorsprung gewonnen.

Die letzte Beleidigung ist in diesem «High-School-Drama», wie es Greene selbst ausdrückt, gewiss noch nicht gesprochen. Immerhin konnte Boebert aber ihren Staat gewinnen – im Gegensatz zu Kari Lake, die sich in Arizona als besonders Trump-nah präsentiert hat. Das gilt notabene auch für die Anerkennung ihrer Wahlniederlage: Eine entsprechende Klage ist nun in 8 von 10 Punkten abgewiesen worden.

Neuer Speaker steht vor parteiinternen Problemen

Dass sich derzeit ein Riss durch die Grand Old Party zieht, manifestiert sich in der Person von Kevin McCarthy, der sich am 3. Januar mit der republikanischen Mehrheit zum Sprecher des Repräsentantenhauses wählen lassen will. Doch die verschiedenen Fraktionen innerhalb der Parteien stellen Forderungen.

Zuletzt sperrten sich fünf konservative Hardliner, die der 57-Jährige umstimmen muss, um sein Ziel zu erreichen, berichtet CNN. «Wir reden weiter, aber sie haben sich nicht bewegt», sagt McCarthy selbst. Die Zersplitterung dürfte ein Grund dafür sein, dass Trumps Stern in der Partei im Sinken begriffen ist.

Der Ärger mit ihm reisst nicht ab: Garland entscheidet über eine mögliche Anklage, Entscheidungen im Fall der geheimen Dokumente aus Mar-a-Lago und im Fall der Wahlmanipulation in Georgia stehen an. «Was mich nicht tötet, macht mich stärker», schreibt Trump heute auf Truth Social. Gut möglich, dass es ihn politisch nun tatsächlich lupft.

Weitere Geheimdokumente in Trumps Lagerraum gefunden

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Mitarbeitende Trumps haben in einem privaten Lagerraum mindestens zwei weitere geheime Regierungsdokumente entdeckt. Das berichten verschiedene US-Medien und berufen sich dabei auf involvierte Personen. Die Papiere seien dem FBI übergeben worden.

08.12.2022