Republikaner begehren gegen Trump auf «Er ist gewillt, alles niederzubrennen»

Von Philipp Dahm

14.11.2022

Trump klagt gegen Vorladung vor Untersuchungsausschuss zu Kapitol-Sturm

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Der Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses zum Sturm auf das Kapitol hat Trump für Montag vorgeladen, um ihn unter Eid zu befragen.

12.11.2022

Gegenwind für Donald Trump: In der Republikanischen Partei mehren sich die Stimmen, die wieder ein breiteres Publikum ansprechen wollen. Der 76-Jährige geht in die Gegenoffensive – und teilt wie gewohnt aus.

Von Philipp Dahm

Am Vorabend der Midterms sieht sich Donald Trump auf einem guten Weg. Er will am morgigen 15. November eine «grosse Ankündigung machen» – natürlich geht es um seine Präsidentschaftskandidatur. Der 76-Jährige rechnet mit einer roten Welle bei den Zwischenwahlen, will den erwarteten Erfolg für sich reklamieren und potenzielle republikanische Gegenkandidaten abschrecken.

Am Vorabend seiner «grossen Ankündigung» hat sich der Wind komplett gedreht. Das Motto der vergangenen Woche könnte für Trump from hero to zero lauten: Die Grand Old Party (GOP) hat die Midterms krachend verloren. Seine Rechtsaussen-Kandidaten sind im grossen Stil durchgefallen: Nur Lauren Boebert in Colorado, Kari Lake in Arizona und Herschel Walker haben in knappen Rennen oder Stichwahlen noch eine Chance.

Locker durchgekommen ist nur James David Vance in Ohio, doch Donald Trump ficht das nicht an. Er hat schon vor dem Urnengang gesagt, wenn einer seiner Protegés gewinnt, habe man das ihm zu verdanken – und wenn nicht, seien sie selber schuld. Doch nach der Wahl will der New Yorker sogar Anerkennung, auch wenn er mit den Kandidaten gar nichts zu tun hat.

Kein Freund mehr von «Fox & Friends»

So schreibt Trump auf Truth Social am 9. November über Konkurrent Ron DeSantis: «Sollte es nicht gesagt werden, dass ich 2020 in Florida 1,1 Millionen Stimmen mehr als Ron D in diesem Jahr bekommen habe? Ich frag ja bloss?» Und auch Parteifreund Glenn Youngkin bleibt nicht verschont: Der «hätte nicht ohne mich gewonnen», tönt Trump, während er rassistisch nachlegt, «Young Kin» klinge so chinesisch.

Nachdem klar ist, dass die rote Welle ausbleibt, läutet der rechte Medienmogul Rupert Murdoch den Kurswechsel ein: Seine «New York Post» erklärt Ron DeSantis erst zu «Ron DeFuture», um am folgenden Tag den Ex-Präsidenten mächtig abzuwatschen: «So hat Donald Trump die Republikaner bei den Midterms sabotiert», rechnet das Boulevardblatt mit «Trumpty Dumpty» ab.

Das muss den Mann, der seinen Gegnern gern Spitznamen verpasst, ziemlich wütend gemacht haben. Auch Fox News hat seinen Ton geändert, was die beliebte Comedyshow «Saturday Night Live» genüsslich aufgreift. «Für uns ist er tot», habe das Team von «Fox & Friends» am Morgen per E-Mail vom Boss erfahren, heisst es da, bevor die Alter Egos von Kari Lake und Donald Trump zugeschaltet werden.

«Ron to the Rescue»

Während der Ex-Präsident am Samstag seine Tochter Tiffany zum Altar führte, wo die 29-Jährige ihren vermögenden amerikanisch-libanesischen Freund Michael Boulos heiratet, rüsteten sich die Republikaner für eine Palastrevolution: In Florida haben Republikaner ein Political Action Committee (PAC) namens «Ron to the Rescue» (Rette uns, Ron) gegründet, das eine Kandidatur des 44-Jährigen befeuern soll.

«Getting things done»: Ron DeSantis hat seiner Partei in Florida nicht nur neue Wähler beschert, sondern auch traditionell demokratische Hochburgen wie Miami erobert, weil er auch die spanischsprachigen Wähler*innen überzeugen konnte.
«Getting things done»: Ron DeSantis hat seiner Partei in Florida nicht nur neue Wähler beschert, sondern auch traditionell demokratische Hochburgen wie Miami erobert, weil er auch die spanischsprachigen Wähler*innen überzeugen konnte.
AP

«So sehr die Leute in der Partei Trump noch lieben – gewinnen lieben sie noch mehr», begründet Gründer John Thomas laut «Miami Herald» seinen Vorstoss. De Santis sei «die Zukunft der Partei». Früher habe der Polit-Berater selbst zu Trump gehalten, doch er habe zu den Midterms nicht nur «nichts beigetragen», sondern die Kandidat*innen «im schlimmsten Fall [sogar] runtergezogen».

Dass die Trump-Frage die GOP zerreissen könnte, weiss auch John Thomas: «Es wird einen internen Krieg [bei den Republikanern] geben, und das ist unausweichlich. Trump wird nicht leise abtreten. Man weiss, dass der Ex-Präsident rachsüchtig gegenüber jenen ist, die ihm die Stirn bieten. Aber die Zeit ist gekommen, den Stab zu weiterzureichen, und es ist ganz klar, dass DeSantis im Gegensatz zum Ex-Präsidenten das Zeug hat, zu gewinnen.»

Trump schlägt wild um sich

Auch Republikaner wie Larry Hogan fordern einen Neuanfang: Der Gouverneur von Maryland wettert schon lange gegen die Extremisten in seiner Partei. «Es hätte eine der grössten roten Wellen überhaupt geben sollen», sagte er zu CNN. «Präsident Bidens Zustimmungswerte waren historisch mit am tiefsten. Mehr als 70 Prozent sagten, das Land bewege sich in die falsche Richtung. Und wir haben trotzdem nicht geliefert.»

Die election deniers hätten versagt: Ihre Verschwörungstheorien würden die Wähler*innen nun mal nicht kümmern, glaubt Hogan. «Im Prinzip hat uns Trump zum dritten Mal die Wahl gekostet.» Er sei es Leid, zu verlieren, sagt der 66-Jährige: Die Partei brauche eine «hoffnungsvollere Vision» und müsse auch für Wechselwähler*innen wieder eine Alternative werden. Deshalb sei eine erneute Kandidatur falsch – und deren Ankündigung könnte «zweifellos» auch noch die Stichwahl in Georgia kosten, so Hogan.

Trump reagiert auf den Gegenwind in gewohnter Art: Er schlägt wild um sich. Auf Truth Social versteigt er sich in die haltlose Behauptung, Ron DeSantis sei nur deshalb Gouverneur Floridas geworden, weil er bei der Wahl 2018 das FBI eingeschaltet habe, das eine Manipulation verhindert habe. Gleichzeitig versucht er, Mitch McConnell die Schuld für die vergeigte Zwischenwahl in die Schuhe zu schieben, ergänzt CNN.

Kandidatur als Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte

Die «New York Times»-Journalistin Maggie Haberman, die das Buch «Täuschung» über den passionierten Golfer geschrieben hat, glaubt ebenfalls nicht, dass der 76-Jährige einfach so abtritt. «Trump hat klargemacht, dass er gewillt ist, alles niederzubrennen, wenn er nicht bekommt, was er will. Er will die Produktlinie im Griff behalten, die er seit sechs Jahren entwickelt: die Republikanische Partei.»

Donald Trump – hier an der Seite seiner Ehefrau Melania Trump – hofft, dass eine erneute Kandidatur seine juristischen Probleme lösen könnte.
Donald Trump – hier an der Seite seiner Ehefrau Melania Trump – hofft, dass eine erneute Kandidatur seine juristischen Probleme lösen könnte.
Archivbild: AP

Haberman schreibt auf Twitter, die GOP stünde an einem Scheitelpunkt, und es sei nicht klar, wohin die Reise gehe. Dasselbe gelte für die weitere Strafverfolgung, denn Trump setzt offenbar darauf, dass nicht weiter gegen ihn ermittelt werde, sobald er seine Präsidentschaftskandidatur verkündet. «Das bringt ihn in eine bessere Position, um seine Basis unter Feuer zu setzen und zu behaupten, das Ganze sei eine Hexenjagd», erklärt der frühere Staatsanwalt James Zirin «The Daily Beast».

Doch dass die Behörden und dabei insbesondere das Justizministerium von ihm ablassen, findet Zirin unwahrscheinlich: «Die Staatsanwälte werden sich nicht zurückhalten», ist sich der Jurist sicher. Nach einer katastrophalen Woche für Donald Trump ist die Aussicht auf weitere Ermittlungen das Häubchen aus saurer Sahne einer Entwicklung, die das Ende des Trumpismus in Amerika einläuten könnte.