Ein historischer Prozess im Senat, die TV-Stationen berichten, das Land schaut zu: Donald Trumps Impeachment-Anwälte haben bei Freund und Feind Kopfschütteln ausgelöst. Der Ex-Präsident selber schäumt vor Wut.
Der US-Senat in Washington am 9. Februar. «Mein Name Bruce Castor», sagt der Mann am Mikrofon. «Ich bin der leitende Strafverfolger, äh, Haupt-Verteidiger des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Ich bin so lange Staatsanwalt gewesen, dass ich immer noch Strafverfolger sage», erklärt sich der 59-Jährige hastig und witzelt, «aber ich kenne den Unterschied.»
Ein kleiner Patzer, könnte man meinen. Doch wenn sich etwas wie ein roter Faden durch die Strategie des Impeachment-Verteidigers von Donald Trump zieht, dann sind es jene Momente, in denen Beobachter den Kopf schütteln: Das Plädoyer ist überraschend plump, und ganz offensichtlich ist der Anwalt in diesem landesweit beäugten, durchaus historischen Prozess nicht vorbereitet.
Freund und Feind sind sich einig: Diese Impeachment-Verteidigung war ein Debakel.
Castor bringt das Kunststück zustande, ausgerechnet bei der Verteidigung aus Sicht der Republikaner zwei haarsträubende Fehler zu begehen: Zum einen hat er im Gegensatz zu seinem Klienten zugegeben, dass Trump die Wahl verloren hat.
Anwalt des Teufels
«Das amerikanische Volk hat nun mal gesprochen. und es hat nun mal die Regierung geändert», sagt Castor. Denn die Amerikaner seien «schlau genug, eine neue Regierung zu wählen, wenn sie die alte nicht mögen, und das haben sie nun mal getan.»
Wer meint, das klinge eher nach Worten des demokratischen Gegners, muss wissen, wie Castor auf das Plädoyer der Demokraten reagiert. «Gut gemacht», lobt er deren Video über den Sturm aufs Kapitol. Dann erzählt er ohne Not, er habe deswegen sogar seine Strategie geändert. Und er werde Antworten liefern. Allerdings nicht jetzt, wie seine Rede im Weiteren zeigt.
Plump sind seine offensichtliche Schmeichelei in Richtung der Senatoren, die «aussergewöhnliche Menschen» seien, die ihren Bundesstaat repräsentieren und nur zu allerletzt Richter spielen sollten, so Castor. Doch Argumente? Fehlanzeige. Dafür erstaunlich viel «Hab ich gerade vergessen» oder «fill in the blank», also «von XYZ».
Trump schäumt
Kein Wunder, dass Donald Trump angeblich ziemlich wütend gewesen sein soll, wie die «New York Times» aus dessen Umfeld erfahren haben will. Auch von anderen Republikanern sowie Harvard-Professor Alan Dershowitz hagelte es Kritik. «Das kann man schwerlich vergleichen», ätzt Dershowitz, der Trump im letzten Impeachment vertreten hatte. Und: «Ich habe keine Ahnung, was er da tut.»
I challenge you to make sense of what Bruce Castor is trying to say here. This is like the worst college lecture of all time. pic.twitter.com/x7rHNjYByT
Zur Verteidigung muss vorgebracht werden, dass Castor und Co. kaum Vorbereitungszeit hatten, nachdem sich Trump mit seinem vorherigen Anwaltsteam überworfen hat. Bruce Castor ist dem 74-Jährigen von Bruder Stephen Castor empfohlen worden, der Trump beim ersten Impeachment vertreten hat. Die Wahl von Bruce Castor und auch dem zweiten Anwalt David Schoen ist für die Aussendarstellung unglücklich.
Castor hat sich als Staatsanwalt geweigert, Bill Cosby anzuklagen. Über diese Frage verlor er 2015 seine Wiederwahl – der Nachfolger brachte Cosby vor Gericht, das ihn 2018 schuldig sprach. Schoen wiederum war – wie er selbst berichtet – der Anwalt der Wahl für Jeffrey Epstein, der sich nach einer Pädohilie-Anklage im Gefängnis das Leben nahm.
Trumps Worte neben den Sprechchören des Mobs
Mit dem Vortrag seines zweiten Verteidigers David Schoen soll Donald Trump aber zufrieden sein, weiss die «New York Times». Er argumentiert, das Verfahren werde für politische Zwecke missbraucht: Die Demokraten hätten es nur eingeleitet, um Trump «von der politischen Bühne zu entfernen». Ein Video dazu zeigt, wie Demokraten seit 2017 immer wieder Amtsenthebungs-Verfahren fordern.
Doch der Effekt des Vortrags verblasst hinter dem Zusammenschnitt der Demokraten, der dann ja auch von Castor so gelobt wird. Da sieht man erst Szenen aus Trumps Rede, deren Worte sich dann in Ausschnitten von Sprechchören beim Kapitol widerspiegeln. Das mag von den anwesenden republikanischen Senatoren ignoriert werden, doch auch die amerikanische Öffentlichkeit schaut zu.
Und die sieht ebenso das Plädoyer von Jamie Raskin. Der Senator aus Maryland vertritt als einer der Impeachment-Manager die Demokraten bei der Anklage. Der 58-Jährige, dessen 25 Jahre alter Sohn sich im Dezember das Leben genommen hat, war am 6. Januar mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohn im Kapitol und berichtet aus eigener Anschauung, wobei er um Fassung ringt.
«Die Kids kauern unter dem Tisch»
«Ein Geräusch, das ich niemals vergessen werde. Ein Hämmern an der Tür wie das Schlagen einer Ramme. Es ist das quälendste Geräusch, dass ich jemals gehört habe, und ich werde es nie vergesse», erinnert er sich. «Die Kids kauern unter dem Tisch. Sie setzen SMS ab, von denen sie denken, dass es ihre letzten sind, und flüstern ins Telefon, um Lebewohl zu sagen.»
Es ist auch Raskin mit zu verdanken, dass das Impeachment-Verfahren vom Senat als verfassungskonform durchgewinkt worden ist – wobei sechs Republikaner mit den Demokraten gestimmt haben. Raskin könnte sie mit einem starken Argument überzeugt haben: Wenn der Präsident nach dem Ausscheiden aus dem Amt nicht impeacht werden kann, kann er im Januar ja eigentlich tun und lassen, was er will, weil er keine Folgen scheuen müsste.
Der Auftakt des Amtsenthebungsverfahrens ist deshalb doppelt unglücklich für Donald Trump. Auf der einen Seite haben seine Verteidiger versagt – und auf der anderen Seite haben die Demokraten maximal möglichen Effekt erzielt. Von einer Verurteilung ist der New Yorker aber noch weit entfernt: Um die dafür erforderlichen 17 republikanischen Senatoren umzustimmen, muss noch viel passieren.