Richtungskampf Trump spaltet weiter – zumindest in der eigenen Partei

Von Philipp Dahm

25.1.2021

Es rumort gewaltig bei den Republikanern: Nachdem erst Kritiker zu Wort gekommen sind, schlägt nun die Stunde von Trumps Getreuen. Zur Not droht der, eine neue Partei zu gründen: Der Richtungsstreit ist im vollen Gange.

«Und lasst mich da ganz klar sein», warnt Bernie Sanders seine Partei: «Ich habe null Zweifel, dass die Demokraten bei den Zwischenwahlen 2022 ausradiert werden, wenn wir das Leben der Amerikaner nicht signifikant verbessern.»

Der 79-Jährige muss sich aber vielleicht gar keine so grossen Sorgen machen vor dem nächsten Wahlgang: Wenn der Senator aus Vermont Glück hat, zerlegt sich der politische Gegner vorher selber. Das hängt davon ab, ob Donald Trump eine Konkurrenz-Partei gründet oder nicht.

Erst hiess es, der Ex-Präsident wolle eine «Patriot Party» ins Leben rufen, um weiter Einfluss in die Politik nehmen zu können, doch das scheint in den USA problematisch. Nicht an sich, sondern weil es in den 1960er- und 1970er-Jahren bereits eine Patriot Party gab – und die war ausgerechnet sozialistisch. Auch die namentliche Nähe zur rechten Fraktion der White Patriot Party ist unvorteilhaft.

Donald Trump spricht Ende August 2020 vor dem Weissen Haus am Parteitag der Republikaner.
Donald Trump spricht Ende August 2020 vor dem Weissen Haus am Parteitag der Republikaner.
KEYSTONE

Doch das Kind könnte auch einfach anders getauft werden: «New Party» oder «Maga Party» stehen zur Auswahl, berichtet die «Washington Post». Donald Trump will sich demnach den Schritt vorbehalten für den Fall, dass sich noch mehr Republikaner als bisher dafür aussprechen, sich beim Amtsenthebungsverfahren gegen ihn zu stellen.

Ted Cruz als Trumps Sekundant

«[Trump] hat klargemacht, dass es sein Ziel ist, das Repräsentantenhaus und den Senat 2022 für die Republikaner zurückzugewinnen», warnt Jason Miller, Berater des Ex-Präsidenten, die Partei durch die Blume. «Es gibt derzeit noch keine Pläne, es ausserhalb dieses Rahmens zu machen, aber es liegt vollkommen bei den republikanischen Senatoren, ob [die Gründung einer neuen Partei] etwas ist, das ernster wird.»

Tatsächlich sind die Republikaner so gespalten wie das Land, das sie bis vor Kurzem regiert haben. Auf der einen Seite stehen treue Trumpisten wie Ted Cruz, Josh Hawley oder Marjorie Taylor Greene. Sie alle stehen derzeit im Kreuzfeuer. Ted Cruz liefert sich auf Twitter zänkische Duelle mit Greta Thunberg oder dem Schauspieler Seth Rogan.

Im Verkehrsausschuss hat Cruz versucht, den designierten Minister Pete Buttigieg aufs Korn zu nehmen, ist mit kritischen Nachfragen zum Aus für die Keystone-XL-Pipeline jedoch abgeblitzt. Dennoch war die Szene ein Fingerzeig: Cruz bringt sich gerade in Stellung, als Trump'sche Speerspitze die Partei auf Angriff gegen die Demokraten zu schalten.

Scharfmacher Hawley und Verschwörerin Greene

Gegen Cruz und Josh Hawley haben die Demokraten im Senat auch eine ethische Beschwerde vorgebracht: Cruz und der 41-Jährige aus Missouri hatten die Legitimität der Bestätigung von Joe Bidens Wahl angezweifelt und somit den Sturm aufs Kapitol gefördert, sagen ihre Kritiker.

Ein Bild von Hawley, der ob des Mobs in Washington die Faust erhebt, ist durch die US-Medien gegangen und hat den Republikaner Spender und einen Buch-Vertrag gekostet, aber auf der politisch-rechten Seite Punkte eingebracht. Marjorie Taylor Greene wiederum ist gerade erst für Georgias Republikaner ins Repräsentantenhaus eingezogen – und sieht sich bereits mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

Nicht etwa, weil die 46-Jährige zu den Anhängern der QAnon-Verschwörungstheorie zählt oder weil sie ein Amtsenthebungsverfahren gegen den neuen, gerade erst angetretenen Präsidenten Joe Biden anstrengen will. Greene muss nun vielmehr für Zweifel geradestehen, die sie in der Vergangenheit über das Parkland-Schul-Massaker und die Anschläge von 11. September 2001 geäussert hat.

Die Umfaller: Cawthorn, Graham, McConnell

Neben den Trumpisten gibt es noch die Gruppe der Umfaller. Der einflussreiche Partei-Soldat Lindsey Garaham etwa distanzierte sich nach dem Sturm aufs Kapitol von Donald Trump («Genug ist genug»), doch nach einem Gespräch mit dem Ex-Präsidenten ist der wieder auf Linie und stellt sich gegen das Impeachment-Verfahren, das am 8. Februar beginnen soll.

Madison Cawthorn ist in diesem Punkt ebenfalls eine interessante Figur: Der junge, handicapierte Abgeordnete aus North Carolina gilt als aufstrebender Stern der Partei und hat Trump lange verteidigt. Nun hat der 25-Jährige aufgegeben: «Die Verfassung hat uns erlaubt, so weit Widerstand zu leisten wie wir konnten, und ich habe das so weit ausgereizt, wie es mir die Verfassung zugestanden hat. Aber jetzt würde ich sagen, dass Joe Biden unser Präsident ist», gesteht Cawthorn auf CNN.

Ganz anders Mitchell McConnell: Der neue Minderheitsführer der Republikaner im Senat hat kritisiert, Trump und seine Gefolgsleute hätten «den Mob mit Lügen gefüttert». Nun steht der 78-jährige Senator aus Kentucky wegen des Amtsenthebungsverfahrens unter enormem Druck.

«Verräter» im Visier

Im Sinne der Partei versuche er nun aber, langfristig zu handeln, glaubt ein politischer Stratege. «Er spielt das lange Spiel», erklärt Scott Reed dem «Guardian». «Er spielt überhaupt nicht kurz über die nächsten Monate. Er spielt heute schon um [die Zwischenwahlen] 2022 und [die Präsidentschaftswahlen] 2024.»

Liz Cheney und Tom Rice stehen auf der parteiinternen Abschussliste: Die republikanischen Senatoren aus Wyoming und South Carolina haben mit den Demokraten für die Einleitung des Verfahrens für eine Amtsenthebung gestimmt. Auch Lisa Murkowski aus Alaska hat signalisiert, sie könnte sich eine Verurteilung Trumps vorstellen.

Distanziert: Liz Cheney (links) und Donald Trump (sitzend) im April 2020 im Weissen Haus. Sie ist die Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney.
Distanziert: Liz Cheney (links) und Donald Trump (sitzend) im April 2020 im Weissen Haus. Sie ist die Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney.
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Brian Kemp aus Georgia soll in Ungnade gefallen sein, weil er es abgelehnt hatte, die Wahlergebnisse in seinem Staat anzuzweifeln. Dass sich auch Mitt Romney gegen den Ex-Präsidenten positioniert, war dagegen abzusehen: Schon beim ersten Amtsenthebungsverfahren gehörte der Mormone zu den grössten Trump-Kritikern in seiner Partei.

Schaltstellen in der Partei besetzt

Kemp und Murkowski wollen sich 2022 erneut als Senatoren bestätigen lassen, sofern ihnen die eigene Partei nun nicht einen Strich durch die Rechnung macht. Wie künftig mit Andersdenkenden verfahren werden könnte, zeigen aktuelle Vorgänge in Arizona und Washington.

In Arizona hat die Grand Old Party mit Kelli Ward nicht nur eine treue Trump-Anhängerin als Vorsitzende bestätigt, sondern auch bekannte Parteigrössen abgewatscht: Gouverneur Doug Ducey, Ex-Senator Jeff Flake und Cindy McCain wurden von den Republikanern abgemahnt. Ducey wegen seiner strikten Corona-Politik, Flake wegen des Vorwurfs, seine Partei sei populistisch und die Witwe von John McCain, weil sie zur Wahl Bidens aufgerufen hatte.

Rechtsruck bei den Republikanern: Marjorie Taylor Greene, hier am 13. Januar in Washington, glaubt an QAnon-Theorien.
Rechtsruck bei den Republikanern: Marjorie Taylor Greene, hier am 13. Januar in Washington, glaubt an QAnon-Theorien.
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Trumps Lager hat im Richtungspoker in der Partei die besseren Karten, glaubt Liam Donovan. Nicht nur auf Landesebene habe der New Yorker wichtige Posten mit seinen Leuten besetzt, weiss der republikanische Lobbyist. «Die Parteiführer in den Bundesstaaten sind die treibenden Kräfte, nicht die Eliten. Die Basis besteht aus Hardcore-Republikanern, und Hardcore-Republikaner sind Hardcore-Trump. Er hat sie total bekehrt.»

Trumps langer Schatten

Der republikanische Richtungsstreit in der Politik schlägt bereits auf die politische Basis durch. Das rechte Lager bläst nun angestachelt von «Fox News» zur Jagd auf Abweichler im konservativen Lager. Moderator Sean Hannity fordert etwa wegen der Kritik an Trump die Ablösung von Mitch McConnell. Wegen der angespannten Lage wurden ausserdem mehrere Abgeordnete bedroht.

Laut «Huffington Post» verbleiben deshalb auch nach Bidens Vereidigung noch Soldaten der Nationalgardisten in der Hauptstadt. Das Klima der Angst dürfte Donald Trump in die Hände spielen. Solange es die Demokraten nicht schaffen, 16 republikanische Senatoren für das Impeachment zu gewinnen, muss sich der 74-Jährigen nicht fürchten, verurteilt zu werden.

Falls ihn die Partei fallenlassen sollte, sind seine Kriegskassen gut gefüllt. Ein dreistelliger Millionenbetrag könnte den Grundstock bilden, um eine Partei rechts der Republikaner aus den Angeln zu heben. Und wenn Trump nicht im grossen Stil Kontra gibt, könnte er immer noch einzelne Gegenkandidaten fördern – die dann in seinem Namen von ihm verhassten Republikanern wie Liz Cheney und Tom Rice das Leben schwer machen.

Fest steht: Der 45. Präsident ist abgewählt. Wann und ob bei den Republikanern die Post-Trump-Ära beginnt, ist dagegen noch lange nicht abzusehen.

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