Late Night USA Amerika vor dem Impeachment – «Spoiler-Alarm: Jesus gewinnt»

Von Philipp Dahm

8.2.2021

«Wie eine Erweckungsveranstaltung»: Bill Maher über den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar.
«Wie eine Erweckungsveranstaltung»: Bill Maher über den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar.
Screenshot: YouTube

Vor Beginn des Impeachments gegen Donald Trump redet Late-Night-Host Bill Maher Klartext: Pseudo-Wahlbetrug, QAnon und der Kapitol-Sturm sind Auswüchse eines erstarkenden christlichen Fundamentalismus.

«Während wir uns den Stress mit dem nächsten Amtsenthebungsverfahren machen, könnten wir auch ehrlich sagen, worum es dabei wirklich geht», sagt der Gastgeber von «Real Time with Bill Maher».

Natürlich geht es um den Sturm aufs Kapitol: «Die Ereignisse vom 6. Januar waren eine von Glauben geleitete Initiative. Und der Trumpismus ist eine christlich-nationale Bewegung, die glaubt, Trump sei buchstäblich vom Himmel geschickt worden, um sie zu retten.»

Maher spielt einen kurzen Ausschnitt aus einem ein Jahr alten Clip ab, mit dem sich der frühere Football-Coach Tuberville um einen Senatoren-Posten in Alabama beworben hatte. Der 66-Jährige war 2018 von Florida in den Bundesstaat gezügelt, um dort zu kandidieren.

Zuvor ist er politisch nicht gross in Erscheinung getreten. Und damit kokettiert der zweifache Familienvater dann auch: «Ich bin ein Kämpfer», versichert er. «Ich bin wirklich der schlimmste Albtraum eines Politikers.» Und dann sagt er die Worte, die «Real Time» auch zitiert:

«Gott hat uns Donald Trump gesandt. Weil Gott wusste, dass wir Ärger haben.»

Nach eigener Aussage 100 Prozent Trump und ein «christlicher Konservativer»: «Coach Tuberville» in einem Wahlkampfspot.
Nach eigener Aussage 100 Prozent Trump und ein «christlicher Konservativer»: «Coach Tuberville» in einem Wahlkampfspot.
Screenshot: YouTube

«Das ist euer heiliges Buch, Christen»

Tubervilles Taktik, die Wahlslogans von 2016 nochmal aufzuwärmen («Trocknet den Sumpf aus, baut die Mauer») ist übrigens aufgegangen – und es ist müssig, zu erwähnen, dass der Republikaner einer jener Senatoren war, die die Bestätigung von Joe Biden abgelehnt hatten.

Late Night USA – Amerika verstehen

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Doch zurück zu «Real Time»: Was tun mit jenen Republikanern, die noch immer glauben, bei der Wahl sei betrogen worden, und die alle anderen bitten, die «Massen-Täuschung» zu respektieren? «Die unbequeme Wahrheit ist», meint Maher: «Wenn man religiösem Glauben einen derart gehobenen Respekt einräumt, wie wir es hier in Amerika tun, kann man auch nicht argumentieren, dass Massen-Täuschung schlecht ist.»

Weiter sagt Maher, wer über die wirren QAnon-Theorien von kinderfressenden Satanisten lache, solle mal die Offenbarungen der Bibel lesen. «Das ist euer heiliges Buch, Christen, und es gibt einen siebenköpfigen Drachen und Heuschrecken, die menschliche Gesichter, Löwenzähne und andere Sachen haben, die man erst sieht, nachdem einem der Typ aus dem Park schlechte Pilze verkauft hat.»

«Q ist ein Prophet, Trump der Erlöser»

Maher, der als Macher des Films «Religious» für seine atheistische Haltung bekannt ist, kommt in Fahrt. Das Buch der Offenbarungen sage einem sogar, wo die Welt ende. In Megiddo in Israel würden sich alle Armeen der Welkt versammeln, Jesus werde auf einem Pferd hinabfahren, und Schwerter würden aus seinem Mund kommen. Der Kampf mit Satan, dem Ungeheuer und dem Antichristen soll 1000 Jahre dauern.

«Das ist, als wenn zehn ‹Avenger›-Filme mit zehn ‹Hobbit›-Filmen und einer Nacht mit Johnny Depp zusammenfallen», vergleicht der Moderator. «Spoiler Alert: Jesus gewinnt.» Dann werde Jesus die guten Seelen und 144'000 Juden erretten, fährt Maher fort, der selbst jüdische Wurzeln hat – und schlägt den Bogen zu Marjorie Taylor Greener, die gerade mit antisemitischen Verschwörungstheorien für Schlagzeilen gesorgt hat.

Bill Maher verdeutlicht: Die republikanischen Senatoren, die das Wahlergebnis Joe Bidens nicht anerkennen wollten, sind evangelikale Christen.
Bill Maher verdeutlicht: Die republikanischen Senatoren, die das Wahlergebnis Joe Bidens nicht anerkennen wollten, sind evangelikale Christen.
Screenshot: YouTube

«Jüdische Weltall-Laser? Ich bitte euch: Magisches, religiöses Denken ist ein Virus, und QAnon ist nur seine aktuelle Mutation.» Die Handlung sei im Vergleich mit der Kirche dieselbe: «Q ist ein Prophet, Trump der Erlöser, ein apokalyptisches Ereignis, der ‹Sturm›, wirft seine Schatten voraus, es gibt den ultimativen Kampf Gut gegen Böse, und wenn du willst, dass das Gute gewinnt, zahle fleissig weiter.»

«Dann ist man bei Religion»

Mahers Quintessenz: «Wir müssen aufhören, so zu tun, als würden wir niemals verstehen können, warum Trumps Mob an ihn glaubt. Sie tun es, weil sie religiös sind.» QAnon und christlicher Fundamentalismus gehörten zusammen wie Maccaroni und Käse. «Oder Chardonnay und Valium», scherzt der 65-Jährige und schaut sich um: «Mache nur ich das? Okay ...»

Der Sturm aufs Kapitol habe einer «Erweckungsveranstaltung» geglichen: hölzerne Kreuze, christliche Flaggen, «Jesus erlöst»-Schilder und welche mit «Jesus ist mein Erlöser, Trump ist mein Präsident». «Ein ‹Jesus 2020›-Banner hing in der Nähe des Galgens, der für [Trumps Vize] Mike Pence aufgestellt worden war. Ich nehme an, in dieser Version der Geschichte ist er der Judas.»

Das Motto der Republikaner sei nun das: «Wir haben keinen Beweis dafür, dass bei der Wahl betrogen wurde, und ihr habt womöglich überprüfbare Hinweise, dass sie es nicht war, aber das ändert nichts. Alles, was zählt, ist, dass wir es glauben», führt Maher aus. Man müsse etwas akzeptieren, nur weil es geglaubt wird: «Dann ist man bei Religion.» 

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