Russlands RückeroberungHat Trump die Ukraine in Kursk verraten? Was dafür spricht – und was dagegen
Philipp Dahm
17.3.2025
Putin besucht Front in Kursk: Letzte Ukrainer sollen vertrieben werden
Kursk, 13.03.2025: Wladimir Putin an der Front: Der Kremlchef besucht angesichts der erfolgreichen Gegenoffensive seiner Truppen in der Grenzregion Kursk überraschend eine Kommandostelle in dem Kriegsgebiet. Die Bilder der russischen Regierung zeigen ihn zusammen mit Generalstabschef Waleri Gerassimow.
Für den Kremlchef war es nach Angaben der staatliche Nachrichtenagentur Tass der erste Besuch an diesem Teil der Front. Ukrainische Einheiten waren im August 2024 überraschend nach Russland eingedrungen und hatten den Krieg damit erstmals auf das Gebiet des Gegners verlagert.
Nachdem die Ukrainer diesen Brückenkopf lange halten konnten, mussten sie sich in den vergangenen Tagen unter russischem Druck immer schneller zurückziehen. Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als drei Jahren gegen eine russische Invasion.
14.03.2025
Nach siebeneinhalb Monaten scheint das Kursk-Abenteuer von Kiews Kräften vorbei zu sein: Wladimir Putins Armee erobert das russische Territorium zurück. Hat Donald Trump den Russen dabei geholfen?
«Die Kursk-Operation ist im Wesentlichen beendet», sagt der ukrainische Geheimdienstoffizier Andrii der «New York Times» (NYT). «Jetzt müssen wir die Situation stabilisieren.» Kommandeur Boroda bestätigt, dass sein Zug von allen Seiten von Russen angegriffen worden ist, «was zu unserem Rückzug geführt hat».
Zwei Tage hat Borodas Zug gebraucht, um sich von Kazachya Loknya gut 19 Kilometer bis an die ukrainische Grenze zurückzuziehen. «Das Gebiet, in dem wir standen, war da bereits von russischen Truppen besetzt», sagt der Offizier.
🇺🇦🇷🇺
🫡🗣️Zelenskyy: "Kursk operation fulfilled its task(...) Our guys are absolutely heroic," 👇💬 pic.twitter.com/mRkFJZkYcP
— 𝐀𝐧𝐧𝐚 𝐊𝐎𝐌𝐒𝐀 | 🇪🇺🇫🇷🇵🇱🇺🇦 (@tweet4Anna_NAFO) March 14, 2025
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Zu ihren Hochzeiten haben Kiews Kräfte knapp 1300 Quadratkilometer in Kursk kontrolliert. Nun sind es nur noch knapp 78 Quadratkilometer. «Wir halten weiterhin unsere Stellungen an der Kursker Front», so Boroda. «Der einzige Unterschied ist, dass sich unsere Stellungen deutlich näher an die Grenze verlagert haben.»
Trump: «Das wäre ein schreckliches Massaker»
Woran liegt es, dass Kiews Vorstoss, der am 6. August begonnen hat, nun endet? Und stimmt es, was Donald Trump zum Thema sagt? Immerhin hat der US-Präsident zuletzt in Grossbuchstaben geschrieben, dass in Kursk «tausende ukrainische Truppen komplett eingeschlossen» und «in einer sehr schlechten und verletzlichen Position» wären?
«Ich habe Präsident Putin mit Nachdruck gebeten, ihre Leben zu verschonen», so Trump auf Truth Social. «Das wäre ein schreckliches Massaker, wie man es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehen hat.» Das hört sich an, als sei die Lage für die Ukrainer ziemlich aussichtslos. Doch die NYT hält fest, dass Kiews Kräfte mitnichten eingekesselt worden sind – und sich die ukrainischen Verluste in Kursk in Grenzen hielten.
Die ukrainischen Truppen haben das Gros ihrer Eroberungen in Kursk wieder verloren.
ISW
Der Anfang vom Ende habe Mitte Januar begonnen, als nordkoreanische und russische Truppen sich den Verbindungsstrassen von Sudscha bis auf acht Kilometer genähert hätten, schreibt die NYT weiter. Seither seien die Nachschubwege konsequent mit Drohnen attackiert worden: Weil viele von ihnen per Lichtleit-Kabel mit ihren Piloten verbunden sind, können sie nicht elektronisch bekämpft werden.
«Ein moderner Molotow-Ribbentrop-Pakt»
«Ihre Drohnen sind in der Nähe wichtiger Versorgungsrouten gelandet und haben darauf warten, dass ein Ziel vorbeikommt», erklärt der 36-jährige Cap der NYT. Auch die Brücken in Kursk wurden ins Visier genommen: Das war einer der Hauptgründe für den Rückzug der Ukrainer, ergänzt Soldat Artem.
Abandoned NATO equipment of the Ukrainian armed forces in the Kursk region soon will be send to the Park Patriot museum in Kubinka (55km from Moscow, Russia). pic.twitter.com/4IC1vtmCXv
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Die Situation hatte sich also schon zugespitzt, bevor Trump am 3. März die Militärhilfe und die Weitergabe von Geheimdienstinformationen ausgesetzt hat. Die Massnahme des US-Präsidenten weckte denoch Spekulationen, dass Washington Moskau gezielt bei der Rückeroberung von Kursk geholfen hat.
BE WARNED >>
Russian forces in Kursk SUDDENLY have extremely precise coordinates for our troop locations, logistics and ammo depots, and this CANNOT be a coincidence.
I think that Trump's administration is trying to 'give Kursk to russia' before negotiations begin as part of a… pic.twitter.com/Mqq3hw5lB1
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So denkt zum Beispiel Roman Sheremeta, Ökonom der Case Western Reserve University. In einem Kommentar in der «Kyiv Post» wundert sich der Amerikaner, dass Trump die Hilfen «genau dann» gestoppt hat, als Russlands Gegenoffensive begann. Das habe das Weisse Haus «absichtlich» getan. «Der Deal zwischen den USA und Russland könnte ein moderner Molotow-Ribbentrop-Pakt sein», glaubt Shermneta.
Trumps Massnahmen halfen Putin teilweise
Diese Spekulation ist etwas wild: Die Planung einer Gegenoffensive und der dazugehörige Truppenaufmarsch nehmen normalerweise Wochen in Anspruch. Zudem schmerzt der Entzug der Geheimdienstinformationen vor allem bei der Raketenabwehr, doch am Boden verfügt Kiew über genug eigene Mittel, um den Gegner aufzuklären.
FAB-3000 glide bombs attack Ukrainian soldiers retreating from Kursk.
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Ein Nachteil in Kursk war für Wolodymyr Selenskyj zum einen die damals fehlende Unterstützung durch F-16-Jets und Patriot-Batterien, die generische Abwürfe von Gleitbomben nicht verhindert haben. Zum anderen konnten auch die Himars-Raketenwerfer ohne US-Hilfe keine Unterstützung leisten.
Currently the situation in the salient is extremely difficult. Ukrainian defense is currently being established around Kasachya Lochnaya and Sudzha.
Multiple bridges in the area have been destroyed, leaving some Ukrainian defenders with rivers behind their backs.
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Der Befehl zum Rückzug ist dann am 10. März erteilt worden, schreibt die NYT. «Es war eine Mischung aus organisiertem und chaotischem Rückzug», so Boroda. «Verschiedene Faktoren haben den Rückzug beeinflusst: Müdigkeit, gute oder schlechte Befehle von einzelnen Kommandeuren, Fehlkommunikation - oder gut funktionierende Koordination.»
«Es gab ein bisschen Panik»
«Wir konnten nicht zulassen, dass teure Raketen auf das falsche Ziel abgefeuert werden», bestätigt Andrii. Die Folge: Am 8. März gelang den Russen in Kursk der Durchbruch, die Ukrainer mussten sich zurückziehen – und Moskaus Männer rückten wiederum nach. Andrii sagt, der Gegner habe seine Leute «ein bisschen übertrumpft»: «Es gab ein bisschen Panik.»
🚀💥 M142 HIMARS strike with GMLRS and M30 DPICM cluster missiles on the concentration of personnel and armored vehicles of the Russian Armed Forces in the Kursk direction! pic.twitter.com/M6kvdqk867
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Am 13. März meldete Moskau die Rückeroberung von Sudscha, dem Mittelpunkt der ukrainischen Kursk-Offensive. Kiews Kräfte halten zwar noch ein wenig russischen Boden, dürften aber bald schon in ihre Heimat zurückgedrängt werden. Zumindest sitzen sie nun in erhöhten Positionen, was die Abwehr russischer Attacken erleichtern wird.
A few more pics from Kursk...🇦🇺Bushmasters, 🇫🇷VAB and 🇺🇸Stryker
There's plenty of photos of burnt and captured equipment...can't post all of them as this is enough for illustration purposes pic.twitter.com/Bs58LpK6pK
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Die Frage, ob sich die Kursk-Offensive für Kiew gelohnt hat, wird sich wohl erst mit Abstand endgültig klären lassen. Sie wird insofern wohl ein Erfolg gewesen sein, weil sie die Moral von Kiews Armee gehoben hat. Zudem hätte Wladimir Putin ohne das Kursk-Problem im Süden und Osten der Ukraine wohl mehr Soldaten einsetzen können.
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Fest steht, dass die Rückeroberung die russische Armee hat bluten lassen: Nach ukrainischen Angaben musste Putin in Kursk Verluste von 40'000 Mann beklagen, von denen 16'000 Soldaten getötet worden sein sollen.
#01: Trump – das ist nicht neutral – Wie man mit Trump umgehen muss, ohne eine reinzukriegen
Im ersten Teil der Reihe «Trump – das ist nicht neutral» gilt es, von den Fehlern von Wolodymyr Selenskyj und Justin Trudeau im Umgang mit dem US-Präsidenten zu lernen. Emmanuel Macron und Keir Starmer machen vor, wie es geht.