J.D. Vance in der KritikPlötzlich muss Trump sich für seinen Vize rechtfertigen
ap / tjnj
2.8.2024
Als Donald Trump J.D. Vance zu seinem Vize machte, schien das klug. Doch seitdem alte Aussagen Vances aufgetan wurden, in denen er kinderlose Frauen zu beleidigen scheint, ist er in Bedrängnis geraten.
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02.08.2024, 23:49
03.08.2024, 06:48
Jan-Niklas Jäger
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Donald Trump hat den jungen Republikaner J.D. Vance zu seinem «Running Mate» ernannt. Sollte Trump gewählt werden, würde Vance den Posten des Vizepräsidenten bekleiden.
Aktuell steht Vance wegen abfälligen Äusserungen über «kinderlose Katzen-Ladies» in der Kritik.
Mit dem Ausdruck hatte er bereits vor längerer Zeit die wahrscheinliche demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris kritisiert.
Nun sieht sich Trump gezwungen, sich hinter seinen Vize zu stellen.
Donald Trump ist es gewohnt, sich gegen Kritik zu verteidigen. Diese Woche stand er vor einer ganz anderen Herausforderung: Er musste einer anderen Person den Rücken stärken.
Als der frühere amerikanische Präsident im Rahmen seiner erneuten Kandidatur den recht jungen Senator J.D. Vance als «Running Mate» vorgestellt hatte, wirkte dies wie ein kluger Schachzug. Inzwischen fragen sich viele, ob es tatsächlich eine gute Wahl war.
Nach der Nominierung von Vance auf dem Parteitag im Juli räumten etliche Republikaner ein, nicht allzu viel über den Mann zu wissen, der im Fall eines Wahlsiegs von Trump Vize-Präsident werden soll.
Abfällige Äusserung über «kinderlose Katzen-Ladies»
In den vergangenen Tagen ist so einiges über Vance berichtet worden – allerdings nicht nur Positives. Für besonders grosse Aufregung sorgte er mit abfälligen Äusserungen über «kinderlose Katzen-Ladies», die das Land ins Elend führen würden.
Gemeint hatte er damit Kamala Harris, die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, und andere Frauen, die keine Kinder zur Welt gebracht haben - eine Kritik an einer durchaus grossen Bevölkerungsgruppe.
Am Mittwoch sah sich deswegen sogar der für scharfe Provokationen bekannte Trump genötigt zu beschwichtigen. «Meine Interpretation ist die, dass er sehr familienorientiert ist. Aber das heisst nicht, dass es irgendwie falsch wäre, wenn man keine Familie hat», sagte er auf einer Konferenz der National Association of Black Journalists in Chicago über seinen Vize.
J.D. Vance – Vom Trump-Gegner zum «Running Mate»
STORY: Er war am Montag der Mann der Stunde, neben und quasi auch hinter Donald Trump, versteht sich. Der 39-jährige Senator J.D. Vance aus Ohio ist Trumps auserkorener Kandidat für die Vizepräsidentschaft. Das streng gehütete Geheimnis wurde zum Auftakt des Parteitags der Republikaner in Milwaukee auf der Online-Plattform des Ex-Präsidenten gelüftet. Der in armen Verhältnissen aufgewachsene Vance, der mit seiner Autobiografie einen Bestseller ablieferte, könnte die Wahlkampagne von Trump unter anderem im sogenannten Rust Belt stärken. Das ist die gebeutelte Industrieregion, die sich auch durch Teile der bei den Wahlen besonders umkämpften Bundesstaaten Pennsylvania und Michigan zieht. Die teils ultrakonservativen Ansichten des 39-Jährigen könnten jedoch auch moderatere Wähler abschrecken. In seiner Heimatstadt in Ohio stiess die Entscheidung bei diesem Einwohner auf Zustimmung. «Ich finde das grossartig. Wir haben jemanden aus unserer Gegend, aus Middletown. Ja, das freut mich. Gute Wahl.» «Ich bin mir sicher, dass er das Beste für mich tun kann, weil er mein Leben hier kennt, genau wie seines.» Vor acht Jahren war Vance allerdings noch ein scharfer Kritiker von Donald Trump. Öffentlich schimpfte er den damaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten einen «Idioten». Unter vier Augen soll er ihn mit Adolf Hitler verglichen haben. Inzwischen tritt er als engagierter Trump-Verfechter auf. Demokraten und sogar einige Republikaner stellen sich ob dieser Transformation die Frage, ob Vance nicht viel eher von Opportunismus als von Ideologie angetrieben wird. Trump und viele seiner Berater verweisen ihrerseits auf die politischen Überzeugungen des heutigen Senators aus Ohio. Jüngst begeisterte Vance die besonders konservativen Mitstreiter Trumps mit seiner lautstarken Ablehnung amerikanischer Hilfe für die Ukraine.
16.07.2024
Konservative Kommentatoren, republikanische Strategen und auch Amtsträger der Partei teilen die Einschätzung, dass der Start von Vance nicht unbedingt gelungen war. Einige sagen das bisher nur unter vier Augen, andere tun es auch öffentlich.
Vance hat sich bisher nicht entschuldigt
Demokraten verweisen derweil auf weitere Statements von Vance aus der Vergangenheit, etwa zum Abtreibungsrecht – oder auf eine Äusserung dahingehend, dass Eltern mehr Stimmrecht verdienen würden als kinderlose Erwachsene.
«Ich denke, wenn er vor zwei oder drei Jahren gedacht hätte: ‹Ich könnte in ein paar Jahren auf einem Präsidentschaftsticket stehen› – dann hätte er womöglich andere Worte gewählt», sagte am Mittwoch Kevin Cramer, republikanischer Senator und langjähriger Trump-Unterstützer.
Cramer stellte auch die Möglichkeit einer Entschuldigung von Vance für die Bemerkungen über kinderlose Amerikanerinnen in den Raum. «Sollte er das Bedürfnis verspüren, sich zu entschuldigen, könnten die Leute Vieles verzeihen», sagte er.
Bislang hat Vance das nicht getan. Und aus dem engsten Kreis des Wahlkampfteams von Trump hiess es am Dienstag, es gebe «null Gespräche» über einen eventuellen Austausch von Vance. Bald werde sich die Aufmerksamkeit der Wähler ohnehin ganz auf die Person richten, die auf Seiten der Demokraten als Vize nominiert werde, sagte ein ranghoher Trump-Berater gegen Zusicherung von Anonymität der Nachrichtenagentur AP.
Politischer Newcomer
Der 39-jährige Vance ist als Senator erst seit 18 Monaten im Amt. Er schaffte es aber schnell, sich in Washington als eine zentrale Figur im Trump-Lager zu etablieren. Viele Republikaner hätten sich an der Seite ihres Präsidentschaftskandidaten einen Parteikollegen mit mehr Erfahrung gewünscht, etwa Tim Scott oder Marco Rubio, die beide ebenfalls im Senat sitzen.
Manche gehen davon aus, dass die Entscheidung für Vance in einer Phase fiel, in der das Trump-Team mit etwas zu grossem Selbstbewusstsein von einem klaren Sieg in einem Duell gegen Joe Biden ausging. Durch den Verzicht des Präsidenten auf eine neuerliche Kandidatur veränderte sich das Rennen grundlegend.
Zweimal ist es im zurückliegenden Jahrhundert vorgekommen, dass ein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten ausgetauscht wurde. Zuletzt geschah dies 1972. Damals wählte der demokratische Kandidat George McGovern einen neuen Vize, nachdem bekannt geworden war, dass der zunächst vorgesehene Tom Eagleton wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung gewesen war.
Kamala Harris findet Donald Trump und JD Vance «weird»
Ihre republikanischen Kontrahenten als «weird» – also «seltsam» oder «merkwürdig» – zu bezeichnen, scheint in der Wahlkampfstrategie der US-Vizepräsidentin eine neue Rolle zu spielen.
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Vor nicht ganz so langer Zeit, bei der Wahl 2008, erwies sich die Entscheidung des republikanischen Kandidaten John McCain für Sarah Palin als «Running Mate» als eher nachteilig für die eigenen Chancen.
Trump: Vance «in jeder Hinsicht grossartig»
Trotz der aktuellen Aufregung scheint unter den Republikanern bislang das Gefühl zu überwiegen, dass die Lage noch lange nicht so schlecht ist, dass Vance ersetzt werden müsste. «Dies ist ein kurzfristiges Hindernis auf dem Weg», sagt der republikanische Meinungsforscher Neil Newhouse.
Trump versuchte am Mittwoch, die generelle Bedeutung der Personalie herunterzuspielen. «Es ist historisch gut dokumentiert, dass der Vize-Präsident bezüglich der Wahl keinen Einfluss hat, nahezu keinen Einfluss», sagte er, als er auf Vance angesprochen wurde. «Du kannst einen Vize-Präsidenten haben, der in jeder Hinsicht grossartig ist – und ich denke, J.D. ist das, ich denke, sie alle wären das gewesen. Aber du wählst den Präsidenten. Du wählst mich.»
Der republikanische Senator Bill Cassidy sagt, Vance werde wohl «am Anfang ein paar Schläge einstecken müssen, dann aber an Zugkraft gewinnen». Es sei ganz normal, dass jemand, der für ein hohes Amt vorgeschlagen werde, gründlich unter die Lupe genommen werde, betont er gegenüber Reportern.
Der ebenfalls republikanische Senator John Kennedy wird auf Vance angesprochen, als er im Kapitol gerade in einen Fahrstuhl steigt. «Es ist Wahlkampf. Da verdrehen die Leute eben das, was man sagt», antwortet er. «Sie verdrehen nicht. Sie zitieren ihn», entgegnet der demokratische Senator Alex Padilla, der neben ihm steht.