Abschüsse durch Luftwaffe Schweigen der US-Regierung nährt wilde Gerüchte zu Flugobjekten

Von David Klepper, AP

15.2.2023 - 05:40

USA bergen ersten abgeschossenen chinesischen Ballon – und sehen «keine Hinweise auf Ausserirdische»

USA bergen ersten abgeschossenen chinesischen Ballon – und sehen «keine Hinweise auf Ausserirdische»

Auch Schlüsselsensoren, die vermutlich der Nachrichtengewinnung dienten, seien bei der Bergung sichergestellt worden, teilte das US-Militärkommando Nord am Montag mit.

15.02.2023

Für Verschwörungstheoretiker ist es ein gefundenes Fressen: Die Vorfälle wirken mysteriös – und von offizieller Seite gibt es kaum Informationen. So wird die Debatte von Extremisten geprägt, die eigene politische Ziele verfolgen oder einfach nur Unruhe stiften wollen.

Vielleicht kamen sie aus China. Vielleicht auch von weiter weg – viel weiter weg. Der Abschuss von insgesamt vier Flugobjekten über Nordamerika hat eine Flut von Gerüchten ausgelöst. Die vor allem im Internet verbreiteten Spekulationen zeigen, was eine Kombination aus komplexen weltpolitischen Ereignissen und fehlenden Informationen bewirken kann. Wenn dabei auch noch mysteriöse Objekte über den Köpfen der Menschen hinweg schweben, macht dies die Sache zumindest nicht einfacher.

«Es wird eine Untersuchung geben und wir werden mehr erfahren. Aber bis dahin wird die Story ein Spielfeld für Leute sein, die an Spekulationen interessiert sind oder aus bestimmten Gründen die Stimmung anheizen wollen», sagt Jim Ludes, Leiter des Pell Center for International Relations an der Salve Regina University im US-Staat Rhode Island. Das habe auch damit zu tun, dass in diesem Fall «so viele Narrative bezüglich Geheimniskrämerei der Regierung» bedient würden.

FBI-Mitarbeiter untersuchen Teile eines am 5. Februar 2023 vor der Küste von South Carolina abgeschossenen Spionageballons. 
FBI-Mitarbeiter untersuchen Teile eines am 5. Februar 2023 vor der Küste von South Carolina abgeschossenen Spionageballons. 
Bild: Keystone/EPA/FBI Handout

US-Präsident Joe Biden und andere Amtsträger in Washington haben bislang nur sehr wenig zum Thema gesagt. Anfang des Monats war zunächst ein mutmasslicher chinesischer Spionageballon vor der Atlantikküste abgeschossen worden. In den folgenden Tagen wurden drei weitere unbekannte Objekte vom Himmel geholt, zuletzt am Sonntag über dem Lake Huron. Das Pentagon erklärte, die Objekte hätten keine Bedrohung dargestellt. Woher sie kamen und wozu sie gedient haben könnten, liess das Verteidigungsministerium aber offen.

Angebliches Ablenkungsmanöver

Daraufhin war am Montag in vielen sozialen Medien etwa zu lesen, Biden habe die Flugobjekte womöglich selbst losgeschickt, um die Amerikaner mit deren Abschuss von anderen, wichtigeren Themen abzulenken. Genannt wurden unter anderem die Sorgen bezüglich Einwanderung, Inflation und des Umgangs mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine sowie Nachforschungen der Republikaner zum Präsidentensohn Hunter Biden.

Solche Behauptungen gingen zwar überwiegend von Websites aus, die bei Rechtsextremisten beliebt sind. Zum Teil machten die Gerüchte und Verschwörungstheorien aber auch auf grösseren Plattformen wie Twitter und Facebook die Runde. In einer besonders häufig geteilten Version hiess es, das Weisse Haus und das Pentagon würden die Flugobjekte nutzen, um im Zusammenhang mit einem Chemieunfall im Staat Ohio etwas zu verschleiern.

Bei dem Unglück zu Beginn des Monats war ein teils mit gefährlichen Chemikalien beladener Güterzug entgleist. Amerikanische und auch internationale Medien hatten längst ausführlich darüber berichtet. Trotzdem zählte es am Montag zu den Themen, nach denen auf Google am häufigsten gesucht wurde, was ein anhaltendes öffentliches Interesse an dem Vorfall nahelegt.

Fotos von angeblichen Ufos verbreitet

In manchen Kommentaren wurde behauptet, die Tatsache, dass Biden mit dem Abschuss des Ballons gewartet habe, bis dieser von Westen kommend bis an die amerikanische Ostküste gelangt sei, lasse darauf schliessen, dass der US-Präsident mit China unter einer Decke stecke. In anderen wiederum wurde Biden zum Vorwurf gemacht, dass er überhaupt einen Abschuss von ausländischen Flugobjekten genehmigt habe, da diese Biowaffen oder Atomwaffen hätten tragen können.

Mitunter gab es sogar Androhungen von Gewalt, wie aus einem Bericht der auf die Beobachtung extremistischer Online-Aktivitäten spezialisierten SITE Intelligence Group hervorgeht. Nachdem das Weisse Haus mitgeteilt hatte, dass frühere Spionageüberflüge während der Amtszeit von Ex-Präsident Donald Trump unbemerkt geblieben seien, wurde in einem Artikel, der auf rechten Websites kursierte, die Hinrichtung von Personen gefordert, die Informationen zurückgehalten haben könnten.

Neben den eher politisch motivierten Verschwörungstheorien wurde auch spekuliert, dass die Flugobjekte ausserirdischen Ursprungs gewesen sein könnten. Fotos von angeblichen Ufos wurden verbreitet; laut dem Online-Dienst Google Trends schnellte die Zahl der Suchanfragen nach dem Wort «Ufo» am Sonntag weltweit in die Höhe. «Keine Sorge, nur ein paar Freunde von mir, die vorbeikommen», scherzte Twitter-Chef Elon Musk am Sonntag in einem Tweet.

Starkes Misstrauen gegenüber Regierung

Zwei Dinge haben viele der Reaktionen auf die Ereignisse gemeinsam: Sie sind weitgehend «aus der Luft gegriffen» und sie zeigen ein starkes Misstrauen gegenüber den Regierenden. Das Weisse Haus müsse daher abwägen, sagt der Sicherheitsexperte Ludes. Einerseits gelte es, das Verlangen der Öffentlichkeit nach den Details zu stillen, andererseits könne Geheimhaltung für die nationale Sicherheit und Verteidigung unerlässlich sein.

Dass grosse Nachrichten-Storys eine Welle von falschen oder irreführenden Behauptungen zur Folge haben, ist ein regelmässig auftretendes Muster – so war es Anfang Januar nach dem dramatischen Zusammenbruch des amerikanischen Football-Stars Damar Hamlin und so war es im vergangenen Jahr nach den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee.

Im aktuellen Drama um die Flugobjekte beharrt China darauf, dass der abgeschossene Ballon der meteorologischen Forschung gedient habe. Peking lenke vom Spionagevorwurf ab und versuche gleichzeitig, sich selbst als verantwortungsvollen Akteur darzustellen, sagt Kenton Thibault, China-Experte an dem in Washington ansässigen Institut Atlantic Council. Dies sei «eine klare Botschaft an Entwicklungsländer, dass die USA eigennützig, unglaubwürdig und heuchlerisch seien».

Keine Hinweise «auf Aliens»

Am Montag fühlte sich Bidens Presse-Sprecherin derweil auch zu einer anderen Klarstellung genötigt. Es gebe im Zusammenhang mit dem Abschuss der Flugobjekte keine Hinweise «auf Aliens oder ausserirdische Aktivitäten», betonte Karine Jean-Pierre vor Reportern. Da zuletzt viel darüber zu hören gewesen sei, halte sie es für wichtig, «das von hier aus zu sagen».

Von David Klepper, AP