US-Militär beobachtet mutmasslichen chinesischen Spionageballon
Hochrangige Militärs hätten den Abschuss des Ballons über dem dünn besiedelten Bundesstaat Montana in Erwägung gezogen. Man habe aber wegen der möglichen Gefahr durch Trümmerteile davon Abstand genommen.
03.02.2023
Das US-Militär entdeckt einen Spionage-Ballon im eigenen Luftraum. Dass er aus China stammen soll, belastet die ohnehin schwierige Beziehung der beiden Länder zusätzlich. Doch ist die Aufregung gerechtfertigt?
Die USA sind überzeugt, dass ein Ballon, der im nordwestlichen Bundesstaat Montana über einem Gebiet mit Luftwaffenstützpunkten und Abschussbasen für Atomraketen aufgetaucht ist, chinesisch ist und der Ausspähung dient. Man habe überlegt, den Ballon abzuschiessen, sich aber dagegen entschieden, weil die Trümmer Menschen verletzen könnten.
China hat derweil mitgeteilt, aufklären zu wollen, was hinter den Vorwürfen aus den USA steckt. «Die Verifizierung läuft», sagte eine Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums und fügte hinzu, bis die Fakten vorlägen, helfe ein «Hype» um die Sache nicht bei der Beilegung.
In den USA ist der Ballon in der Tat gerade ein grosses Thema. Die Medien berichten gross darüber, auf Twitter werden wildeste Spekulationen geäussert und die Republikaner sehen in dem Ballon das komplette Versagen der Biden-Regierung.
Doch ist die Aufregung um den mutmasslichen Spionageballon wirklich gerechtfertigt? Immerhin würden laut Pentagon keine Menschen gefährdet und sei die Wahrscheinlichkeit tatsächlich ausspioniert zu werden, relativ gering, weshalb das US-Militär bislang auch auf einen Abschuss verzichtet.
Was ist neu an der Spionage mit Ballons?
Nichts. Im Gegenteil: Diese Spionagetechnik hat schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel. Insbesondere im Kalten Krieg wurden von den Militärs Hunderte Ballons losgeschickt, um die gegnerische Seite zu überwachen. Mit der Entwicklung der Satellitentechnik kamen sie allerdings ziemlich aus der Mode.
Wieso wird ein Ballon überhaupt eingesetzt?
Mit herkömmlichen Überwachungstechnologien sind Ballons nur schwer aufzuspüren, weil sie fast keine Emissionen ausstossen. Zudem sei die zur Überwachung eingesetzte Elektronik mittlerweile so klein und leicht, dass Spionageballons «kleiner, billiger und einfacher zu starten» seien, erklärt der ehemalige australische Luftwaffenoffizier Peter Layton bei CNN.
Zudem könnten Ballons bis zu einem gewissen Grad mit Hilfe von Bordcomputern gesteuert werden, um die Windverhältnisse auszunutzen, weshalb sie in begrenztem Mass auf- und absteigen können. Dadurch könnten sie längere Zeit über einem Gebiet schweben und womöglich bessere Daten liefern. Man wisse nie genau, wohin sie sich treiben lassen, ergänzt Blake Herzinger vom American Enterprise Institute. Dies sei ein grosser Vorteil gegenüber Satelliten, deren Flugbahn berechenbarer ist.
Was könnte der Ballon ausspionieren, was sich nicht anders in Erfahrung bringen liesse?
Experten gehen davon aus, dass sich mit dem Ballon hochfrequente Kommunikationssysteme mit kurzer Reichweite, also etwa Handy- und Funkverkehr, überwachen lassen. Weil die Ballons aufgrund der Sichtverbindung sehr zielgerichtet sind, sei es laut Peter Layton «möglich, dass ein Ballon eine bessere Erfassungsplattform für eine solche spezifische technische Erfassung ist als ein Satellit».
Wie kommt der Ballon in den Nordwesten der USA? Wo hätte er starten müssen?
Es ist auf jeden Fall möglich, dass der Ballon in China gestartet wurde und mit Höhenwinden in die USA getrieben ist. Laut «New York Times» habe ein Pentagon-Beamter bestätigt, dass der Ballon in den vergangenen Tagen von China über die Aleuten nach Alaska und durch den Nordwesten Kanadas geschwebt sei, bevor er über Montana auftauchte.
Kanada arbeitet eigenen Angaben zufolge zusammen mit den USA an der Verfolgung des in grosser Höhe fliegenden Ballons und überprüft zudem einen «möglichen zweiten Vorfall».
Kurz: Ist die Aufregung über den vermeintlichen Spionageballon über den USA gerechtfertigt?
In den vergangenen Jahren wurden bereits «eine Handvoll» Überwachungsballons über den USA gesichtet, erklärte das Pentagon. Der aktuelle Ballon, das ist der Unterschied zu vorherigen Fällen, «scheint über einen längeren Zeitraum zu schweben». Viel mehr ist aus dem Pentagon nicht zu vernehmen.
Militärexperte Ed Nash hat die Reaktion des US-Verteidigungsministeriums auf Youtube (siehe Clip unten) wie folgt zusammengefasst: «Wir behalten es im Auge, aber es ist keine grosse Sache.»
Mit Material von dpa und AFP.