Lagebild UkraineKampfroboter für den Krieg und ein Konflikt im Kreml
Von Philipp Dahm
16.1.2023
Ukraine fordert deutsche Panzer: «Jede Sekunde zählt»
Berlin, 15.01.2023:
Vor den Verhandlungen der westlichen Verbündeten über weitere Waffenlieferungen in die Ukraine hat der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev die Bundesregierung eindringlich aufgefordert, seinem Land schnell Leopard-2-Kampfpanzer bereitzustellen.
O-TON Oleksii Makeiev, Ukrainischer Botschafter
«Wir sind daran interessiert, dass die Panzer so schnell wie möglich geliefert werden. Wenn man gezögert hat, dann hat es dazu geführt, dass ukrainische Soldaten, bzw. ukrainische Zivilisten mit dem Leben bezahlt haben. Wenn wir von Waffenlieferungen sprechen, zählt jeder Tag, jede Sekunde.»
Als erstes Land hat Grossbritannien angekündigt, den ukrainischen Streitkräften Kampfpanzer westlicher Bauart zu überlassen – nämlich 14 Exemplare des Eigenfabrikats Challenger 2.
Makeiev sagt, ohne die Leopard-Panzer sei eine weitere Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete nicht möglich. Er macht deutlich, dass jede weitere Verzögerung Menschenleben kosten werde.
O-TON Oleksii Makeiev, Ukrainischer Botschafter
«Kampfpanzer, Schützenpanzer, Mehrfachraketenwerfer, Langstreckenraketenwerfer, Flugabwehrsysteme: das alles gehört zum wichtigsten Bestandteil unseres Sieges über Russland.»
Der Botschafter bekräftigt, dass die Ukraine diesen Krieg stellvertretend für alle ihre Verbündeten führe. Russland führe einen Krieg nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen Europa und die ganze zivilisierte, demokratische Welt. Und in diesem Krieg stünden die Ukrainer an der Front.
15.01.2023
Auch wenn Moskau die Eroberung von Soledar feiert, sind noch ukrainische Truppen im Westen der Stadt. Doch ein Konflikt im Kreml bremst weiteren Fortschritt aus. Nun soll ein Kampfroboter Russlands Soldaten schützen.
Von Philipp Dahm
16.01.2023, 17:19
Philipp Dahm
Es ist immer noch nicht kalt genug in der Ukraine, um grossangelegte Offensiven durchzuführen: Erst wenn der Schlamm gefriert, können Fahrzeuge wieder im grossen Stil vorrücken. Und es wird für die Jahreszeit zu warm bleiben: Die Temperaturen schwanken in der kommenden Woche zwischen 6 und minus 4 Grad.
Deshalb rücken die Kriegsparteien im Donbas jeweils auch nur langsam vor. Die ukrainischen Streitkräfte haben Kreminna im Visier: Vom Süden her haben sie sich nach eigener Aussage durch den Wald zur Stadtgrenze vorgearbeitet und liefern sich Gefechte mit den Verteidigern.
KREMINNA /1510 UTC 15 JAN/ UKR units are confirmed to be in contact within the city limits of Kreminna. Back and forth fighting continues in the south and central suburban areas as RU has conducted fire missions along the C-130514 road in the south liminal areas of the city. pic.twitter.com/Ja2MirFiRE
Ausserdem soll Kiews Armee das Dorf Tscherwonopopiwka nördlich von Kreminna erreicht haben. Russland muss den Vorstoss aufhalten, um dem Gegner zu verwehren, weiter nach Osten vorzustossen und Kreminna dort zu umkreisen, wo Moskaus Männer einen starken Verteidigungsring ausgehoben haben.
Soledar noch nicht vollständig erobert
Der Kreml konzentriert sich dagegen weiter auf die Offensive bei Bachmut: Soledar ist dabei noch nicht gänzlich gefallen. Die ukrainischen Verteidiger haben eine neue Linie entlang der Eisenbahnstrecke gebildet und halten somit auch noch den westlichen Teil der Kleinstadt.
Der neue Abwehrwall geht von Krasnopolwika im Norden, über Soledar-West und Krasna Hora bis Bachmut. Die Truppen der Gruppe Wagner, die bis hierhin vorgestossen sind, wurden allerdings zurückbeordert und vom Verteidigungsministerium durch reguläre Luftlandetruppen der russischen Armee ersetzt.
Diese versuchen nun einerseits, den Rest von Soledar direkt einzunehmen, doch andererseits unternehmen sie auch Vorstösse an den Flanken, um den Druck in der Mitte zu erhöhen. Das Problem für Russland: Die Angriffe in Krasna Hora und Krasnopoliwka wurden zurückgeschlagen. Weil die Bahnlinie tiefer liegt als das Gelände im Osten und Westen, ist hier mit schnellen Durchbrüchen nicht zu rechnen.
Konflikt im Kreml
Dass Russlands Militärführung die Soldaten der Gruppe Wagner abgezogen hat, um sie mit regulären Truppen zu ersetzen, ist gut für die Ukraine. Jene Kämpfer, die sich mit dem Terrain mittlerweile auskennen, müssen ins zweiten Glied zurücktreten.
Der Austausch ist das Ergebnis eines Machtkampfes unter Militärs. Auf der einen Seite steht Waleri Gerassimow, seines Zeichens Stellvertreter von Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Oberkommandeur der russischen Armee in der Ukraine. Er steht für das «militärische Establishment».
Das sagt zumindest Jewgeni Prigoschin, der Chef der Gruppe Wagner. Der 61-Jährige will Wladimir Putin davon überzeugen, dass seine Söldner vom Krieg sehr viel mehr verstehen als die Männer der russischen Armee. Um endlich mal wieder einen Erfolg vermelden zu können, hat Prigoschin den Sturm auf Soledar forciert.
Putin bremst Prigoschin aus
«Prigoschin nutzt die Rolle, die die Gruppe Wagner bei der Eroberung von Soledar gespielt hat, aus, um seinen politischen Einfluss zu erhören und das konventionelle Militär zu kritisieren», hält das Washingtoner Institute for the Study of War (ISW) fest.
Seine Söldner seien so erfolgreich wegen ihrer Erfahrung, ihrer Ausrüstung, ihrer Unabhängigkeit und wegen überlegener Führung, prahlt Prigoschin und stellt auf Telegram auch den Kommandeur vor, der für den Erfolg in Soledar verantwortlich sein soll. Prigioschin betont, Vorgesetzte und Untergebene arbeiteten eng zusammen, weshalb der einfache Soldat in der Gruppe Wagner auch Gehör finde.
«Ob wahr oder nicht», ordnet das ISW den Vorgang ein, «Prigoschin hat diese Elemente wahrscheinlich hervorgehoben, um die Gruppe Wagner vom konventionellen Militär zu unterscheiden, weitere Rekruten anzuwerben, das konventionelle Militär schlechtzumachen und eine wichtigere Rolle der Gruppe Wagner – und sich selbst – anzustreben.»
«Ernsthafte Vorbereitungen» für weitere Mobiliserung
Vielleicht werden die forschen Vorstösse Prigoschins auch Wladimir Putin langsam unangenehm. Das würde erklären, warum ihm der Präsident ausgerechnet seinen Intimus Gerassimow vor die Nase setzt, der mit dem Truppen-Austausch bei Soledar gleich mal Nägel mit Köpfen macht.
Gleichzeitig wird mit einer weiteren russischen Mobilisierungswelle gerechnet. Das Personal soll laut ukrainischem Geheimdienst von 1,35 Millionen im September 2022 auf zwei Millionen angehoben werden. Auch westliche Fachleute sehen «ernsthafte Vorbereitungen» für die Einberufung weiterer Soldaten, analysiert das ISW.
FOX EXCLUSIVE: Video shows the plane carrying 90-100 Ukrainian soldiers landing at Fort Sill regional airport to begin training on the Patriot missile system this week at Fort Sill, Oklahoma @WestfallAustinpic.twitter.com/z46YaPzzOF
Weil all diese Männer natürlich Ausrüstung brauchen, kann der Waffenfabrikant Kalaschnikow auf ein erfolgreiches Jahr 2022 zurückblicken: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Produktion um 40 Prozent gestiegen, weiss «Business-Insider». So gut soll das Geschäft seit 20 Jahren nicht mehr gelaufen sein. 80 Prozent der Waffen sind angeblich dem russischen Militär geliefert worden.
Waffen-Update: Russland will Kampfroboter einsetzen
Moskau setzt ausserdem weiterhin auf den Einsatz iranischer Drohnen. Im Gegenzug soll Teheran 24 Su-35-Jets erhalten, die bereits ab Ende März ausgeliefert werden sollen. Die Mullahs haben in Moskau daneben noch weiteres Kriegsgerät bestellt, berichtet die «EurAsian Times». Dazu gehörten Helikopter, Raketensysteme und Flugabwehrsysteme.
#Ukraine: The first documented capture of the rare Russian T-90S tank by the Ukrainian army - filmed somewhere in #Kherson Oblast.
These tanks, originally intended for export, were instead transferred to the Russian army after the serious armour losses experienced. pic.twitter.com/AIfzVxH0Lh
Russland will ausserdem die ersten nuklearen Sprengköpfe für den neuen Super-Torpedo Poseidon gebaut haben. «Die erste Ladung Munition wurde hergestellt, und das U-Boot Belogorod wird sie in naher Zukunft erhalten», meldet heute die staatliche Nachrichtenagentur «Tass». Der Torpedo hat einen Nuklearantrieb, soll extrem leise sein und tief tauchen können.
Angeblich will der Kreml zudem ein neues Waffensystem in der Ukraine einsetzen: Es geht um den Kampfroboter Marker, wie der russische Miliätrberater Dmitri Rogosin auf Telegram bekannt gibt. Der Marker könne autonom Ziele in bis zu 15 Kilometer Entfernung erkennen und bekämpfen. Auch für den Kampf gegen Drohnen sei das Gerät gewappnet.
Ukrainer*innen rücken zum Training aus
Auf ukrainischer Seite gibt es nach den letzten Bekanntmachungen einerseits keine Berichte über neue Waffenlieferungen. Andererseits müssen die Streitkräfte ja auch erst einmal auf jenen Systemen trainieren, die versprochen worden sind.
Sanctuary for Russian systems that are killing innocent Ukrainians is created by our unwillingness to provide weapons that have capability beyond the 90km of a GMLRS launched from HIMARS. ATACM’s (300km range), Gray Eagle drones, Small Diameter Bombs will deny Russia sanctuary. https://t.co/ToC4azCaol
So sind zum Beispiel 225 Soldat*innen zum Lufwaffenstützpunkt Torrejón bei Madrid abkommandiert worden, um dort am Flugabwehrsystem Hawk geschult zu werden. Die USA hingegen lassen Ukrainer*innen in Grafenwöhr in Deutschland mit dem Schützenpanzer Bradley üben, während andere zur Schulung am Flugabwehrsystem Patriot über den Atlantik geflogen wurden.
FOX EXCLUSIVE: Video shows the plane carrying 90-100 Ukrainian soldiers landing at Fort Sill regional airport to begin training on the Patriot missile system this week at Fort Sill, Oklahoma @WestfallAustinpic.twitter.com/z46YaPzzOF
Bleibt noch ein Tweet von Andrij Melynk zu erwähnen: Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland schlägt einen Ringtausch vor. Nachdem Berlin den Kauf von F-35-Jets beschlossen hat, könnten die Flugzeuge, die sie ersetzen, an Kiew weitergereicht werden. Dass Kanzler Scholz erwägen wird, Tornados zu liefern, darf allerdings bezweifelt werden.
I have a creative proposal to our German friends. The Bundeswehr has 93 Tornado multirole combat aircraft that will be decommissioned soon & replaced by F-35. Though it’s an old jet fighter, but still very powerful. Why not to deliver these Tornados to Ukraine @Bundeskanzler? pic.twitter.com/KxTZdUQLAS