«Er lebt nur noch in eigener Welt»Putin-Kennerin hält den Kremlchef für immer paranoider
dmu
5.2.2024
Paranoider und weniger schüchtern: Wladimir Putin soll sich laut der amerikanischen Russland-Expertin Angela Stent über die Jahre verändert haben. Die Sorge vor Angriffen auf Nato-Gebiete sei berechtigt.
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05.02.2024, 18:23
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Laut der amerikanischen Putin-Kennerin Angela Stent ist der russische Präsident über die Jahre immer paranoider geworden.
Wladimir Putin wünsche sich das Russische Reich zurück. Dazu gehören Polen und die baltischen Staaten.
Der Kremlchef glaube, dass die Welt Russland zerstören will, und sehe es als seine gottgegebene Pflicht an, sein Land zu retten.
Angela Stent zählt zu den renommiertesten Putin-Kennerinnen der USA. Sie hat den russischen Präsidenten mehrmals getroffen: 15 Mal ass die ehemalige US-Regierungsberaterin bereits mit dem Kremlchef zu Abend. Das letzte gemeinsame Dinner fand 2019 statt.
Heute leitet Stent in Washington, D.C., das Zentrum für russische und osteuropäische Studien an der Georgetown University. Über die Jahre habe sich der russische Präsident verändert, sagt sie zu «Focus». «Mein Eindruck ist, dass er immer paranoider und auch von sich selbst überzeugter wird.» Er lebe nur noch in seiner eigenen Welt.
Wladimir Putin glaube tatsächlich, dass die Welt Russland zerstören wolle, und sehe es als seine gottgegebene Pflicht an, sein Land zu retten. «Den Eindruck machte er früher nicht», so Stent. Dennoch habe sie sich in seiner Gesellschaft nie entspannt gefühlt: «Je selbstbewusster er von Jahr zu Jahr wurde, desto einschüchternder wirkte er.»
Anfangs sei er noch etwas schüchterner gewesen. Eine Kälte habe Putin aber auch da schon ausgestrahlt. Entsprechend habe Stent immer sehr genau aufgepasst, was sie zu ihm sagte.
«Er wünscht sich das Russische Reich zurück»
Auf Putins Ziele angesprochen, meint Angela Stent: «Er wünscht sich das Russische Reich zurück. Dazu gehören Polen und die baltischen Staaten.» So seien auch Befürchtungen, wonach Russland irgendwann Nato-Gebiet angreifen könnte, berechtigt.
«Wenn es Putin gelingt, weitere ukrainische Gebiete militärisch einzunehmen, wird ihn das garantiert dazu ermutigen, mehr zu wollen», wird die 77-Jährige von «Focus» zitiert. Auch falls in ein paar Jahren jemand anders mit ähnlicher Gesinnung wie Putin an der Macht sei, bleibe die Gefahr bestehen: «Jegliche militärischen Erfolge Russlands werden den Appetit auf immer mehr verstärken.»
Der Westen müsse ihm die Stirn bieten und dürfe keine Zugeständnisse machen. «Putin legt jedes Zögern als Schwäche aus. Eigentlich müsste das inzwischen jedem klar sein.» Er möchte stets den Anschein erwecken, als ob er zum Verhandeln bereit sei. In Wahrheit habe Putin aber kein Interesse daran. Ein weiterer Krieg droht gemäss Stent aber nicht unmittelbar: «Ich schätze, er will jetzt die kommenden US-Wahlen abwarten und hofft, dass Trump Präsident wird.»