Minutiös geplante AktionPutin hat Prigoschin schnell beerdigt – und alle getäuscht
mmi
30.8.2023
Prigoschin Begräbnis
Heimlich und bescheiden is der mutmasslich ermordete Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin in St. Petersburg bestattet worden. Ein Heldenbegräbnis wollte der Kreml vermeiden.
30.08.2023
Heimlich und bescheiden ist der mutmasslich ermordete Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in St. Petersburg bestattet worden. Ein Heldenbegräbnis wollte der Kreml offensichtlich vermeiden.
mmi
30.08.2023, 11:47
30.08.2023, 13:09
mmi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Den tagelangen Spekulationen ist ein Ende gesetzt worden: Der Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist am Dienstagnachmittag heimlich in einer geschlossenen Zeremonie beerdigt worden.
Anstelle von Salutschüssen und einer Militärkapelle gibt’s für den ehemaligen Verbündeten ein Holzkreuz neben dem Grab seines Vaters.
Mit der Geheimhaltung des Begräbnisses ist dem Kreml ein wohl letzter Coup in der Causa Prigoschin gelungen.
Wie es mit der Wagner-Gruppe ohne ihren Anführer weitergeht, ist unklar.
Keine Salutschüsse, keine Militärkapelle. Nur ein Holzkreuz neben dem Grabstein seines Vaters auf dem Porochowskoje-Friedhof ganz am Ostrand der Stadt St. Petersburg.
Anstelle einer Bestattung mit militärischen Ehren, wie sie Jewgeni Prigoschin – der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin erst vor einem Jahr zu einem Helden Russlands ernannt wurde – aus russischer Sicht gebühren könnten, wurde der angeblich bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Söldnerchef nun sang- und klanglos definitiv beseitigt.
Der vor Wagner-Chef ist am Dienstag in einer geschlossenen Zeremonie beerdigt worden. Zwanzig bis dreissig Angehörige und Freunde sollen nach Angaben eines Friedhofangestellten der Bestattung des Wagner-Chefs beigewohnt haben.
Später veröffentlichte Fotos zeigen eine kleine, schwarz gekleidete Menschentraube. Von Militärs kaum eine Spur.
Die Geheimhaltung um Prigoschins Beerdigung gleicht einem kleinen Coup des Kremls, wie das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» schreibt. Tagelang war darüber spekuliert worden, wo und wie Prigoschin beigesetzt werden würde und ob Anhänger den Anlass zum Protest nützen würden.
Dass Präsident Putin seinem langjährigen Militärdienstleister kein Heldenbegräbnis gönnen würde, zeichnete sich bereits vor dem Wochenende ab. Nach anfänglichem Schweigen würdigte Putin in einer etwas merkwürdigen Kondolenzbotschaft Prigoschin als talentierten Mann, der schwere Fehler gemacht habe. Am Dienstagvormittag vermeldete Kreml-Sprecher Dimitri Peskow, dass Putin an der Bestattung nicht teilnehmen werde.
Nur wenige Stunden später soll die kleine Zeremonie auf dem Porochowskoje-Friedhof fast unbemerkt begonnen haben. Reporter waren nicht zugegen. Der Kreml soll sogar die am besten informierten Journalisten von St. Petersburg an der Nase herumgeführt haben, indem Tage zuvor gleich vor mehreren Friedhöfen in Prigoschins Heimatstadt Metalldetektoren und Absperrungen errichtet worden sein sollen.
Und das in Sicherheitskreisen hervorragend vernetzte unabhängige Lokalmedium «Fontanka» hat schliesslich den heissen Tipp erhalten, dass der Wagner-Chef am Dienstag auf dem Serafimskoje-Friedhof bestattet werden solle.
Das klang einleuchtend, zumal auf diesem Friedhof das Pantheon für verdiente Militärs und Ehrengräber für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs steht. Es war wohl zu einleuchtend. Die Politanalystin Tatjana Stanowaja nennt das offenbar minutiös geplante Verwirrspiel als «die letzte Etappe einer Spezialoperation zu seiner Beseitigung».
Es scheint, als ob Präsident Putin seinem Herausforderer die 24-stündig dauernde Meuterei Ende Juni nicht verziehen hat. Beim Marsch auf Moskau hatten Prigoschin und seine Söldner mehrere Militärhubschrauber und ein Flugzeug abgeschossen.
Vergangenen Donnerstag stürzte er mit seinem Privatjet ab. Gemäss westlichen Geheimdienstberichten soll das Flugzeug durch einen Sprengsatz an Bord zum Absturz gebracht worden sein. Mit Prigoschin starben neun weitere Passagiere und Crewmitglieder. Darunter der Wagner-Kommandeur Dmitrij Utkin und der Logistikfachmann der Wagner-Gruppe Walerij Tschekalow.
Wie weiter mit der Wagner-Gruppe?
Gemäss Recherchen des «Spiegel» habe Prigoschin für den Fall seines Todes nicht vorausgeplant. Nach dem Verlust der Führungsperson wirkt die Wagner-Gruppe verunsichert und ratlos. Manche Söldner versuchen, sich an der in St. Petersburg provisorisch eingerichteten Gedenkstätte mit Durchhalteparolen wie «Wagner wird es immer geben» Mut zu machen.
Laut einem Anwalt, der in enger Verbindung zur Privatarmee steht, habe jetzt jeder Angst, Verantwortung zu übernehmen und die Tätigkeiten der Truppe fortzusetzen.
Auch Prigoschins Familie und seine persönlichen Assistentinnen hatten dem Anwalt zufolge, der anonym bleiben will, Russland nach dem Flugzeugabsturz verlassen. Und bereits nach dem Wagner-Aufstand im Juni habe man damit begonnen, Prigoschins Vermögen in Russland zu veräussern. Mit seinem Tod hätten die Prigoschin-Leute ihre Zugangscodes zu dem Vermögen (etwa zu Kryptowährungen) abgeben müssen. Demnach dürfte der Wagner-Gruppe nun auch schlicht und einfach das Geld fehlen.