Das Masernvirus hat den Artensprung laut einer neuen Studie schon viel früher geschafft als gedacht. Der gefährliche Erreger ist demnach bereits vor rund 2'600 Jahren vom Rind zum Mensch übergegangen.
Das hochansteckende Masernvirus könnte bereits um 600 vor Christus entstanden sein und nicht wie bisher angenommen erst im Mittelalter. Zu diesem Schluss kommt eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung des Robert-Koch-Instituts.
Damit könnte das Masernvirus zu einer Zeit entstanden sein, die durch Bevölkerungswachstum und die Entstehung grosser Städte in Europa und Asien gekennzeichnet war.
Um nicht auszusterben, ist das Masernvirus auf grosse, miteinander verbundene menschliche Populationen angewiesen. Eine ausreichende Bevölkerungsdichte gab es der Studie zufolge sehr wahrscheinlich nicht vor dem sechsten Jahrhundert vor Christus. Die Forscher halten das Szenario deshalb für «plausibel».
Wie zahlreiche andere Krankheitserreger des Menschen stammt das Masernvirus ursprünglich von Tieren. Es wird angenommen, dass die Masern durch die Übertragung eines Virus von Rindern auf Menschen entstanden. Bei diesem Virus handelte es sich um einen gemeinsamen Vorfahren des Masernvirus und des nah verwandten Rinderpestvirus. Wann und unter welchen Umständen dieser Wirtswechsel stattfand, ist umstritten.
Vollständiges Maserngenom von 1912
Das Wissenschaftskonsortium analysierte für seine Studie ein Präparat aus der Sammlung des Berliner Medizinhistorischen Museums. Es handelte sich um die in Formalin konservierte Lunge eines 1912 an Masern verstorbenen zweijährigen Kinds. Die Forscher konnten daraus ein fast vollständiges Maserngenom rekonstruieren.
In einem zweiten Schritt verglichen sie das Masernerbgut von 1912 mit bereits veröffentlichten Genomen verwandter Viren, um zu ermitteln, wann der letzte gemeinsame Vorfahre von Masern- und Rinderpestviren vorkam. Das nun errechnete Datum entspricht dem frühestmöglichen Zeitpunkt für die Entstehung der Masern. Die Studie wurde im Fachjournal «Science» veröffentlicht.