Late Night USAAuch Trumps Filmcrew kann dessen Verhaftung kaum erwarten
Philipp Dahm
22.3.2023
Ob Donald Trump in New York angeklagt wird, weil er ein Schweigegeld als Wahlkampfmittel abgesetzt haben soll, steht noch nicht fest. Doch sein Team will den Ex-Präsidenten in Handschellen sehen – wegen der PR.
Philipp Dahm
22.03.2023, 15:11
22.03.2023, 15:48
Philipp Dahm
«Der bei weitem führende republikanische Kandidat und frühere Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird Dienstag kommender Woche verhaftet werden», schreibt Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social in Grossbuchstaben über sich selbst. «Protestiert, holt unsere Nation zurück.»
«Er hat das am Samstag, 18. März, geschrieben», erklärt Late-Night-Host Jimmy Kimmel. «Der Tag kam und ging, und Donald Trump bleibt so was von auf freiem Fuss. Wir hätten wissen müssen, dass er nicht verhaftet wird, als er sagte, dass er verhaftet wird.»
Angespannte Ruhe vor möglicher Anklage gegen Trump
Angespannte Ruhe in den USA vor einer möglichen Anklageerhebung gegen Ex-Präsident Donald Trump. Der 76-Jährige hatte seine Anhänger zu Protesten aufgerufen.
22.03.2023
Tatsächlich haben sich die Behörden in Erinnerung an den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar auf Ärger eingestellt. Das gilt für die Capitol Police in Washington wie auch für die New Yorker Polizei, die Vorkehrungen beim Trump Tower, beim Bezirksgericht in Manhattan und beim Büro des Bezirksstaatsanwalts Alvin Bragg trifft.
Dabei entscheidet nicht Bragg, ob Trump angeklagt wird, weil er einem Ex-Pornosternchen 130’000 Dollar Schweigegeld gezahlt haben soll, damit die nicht über ihr angebliches Schäferstündchen spricht, und das Ganze von der Steuer absetzt, sondern Geschworene. «Die Grand Jury trifft sich heute», erklärt der Gastgeber von «Jimmy Kimmel Live». «Es könnte morgen eine Anklage geben. Er muss sich vielleicht gar nicht den Behörden stellen. Wenn überhaupt.»
Trump-Team wittert PR-Coup: «Sie lieben das Zeug»
Und Trump soll «bester Stimmung» sein, erzählt Kimmel mit Verweis auf die «New York Post». «Sie schreiben, sein Team sei ‹sehr elektrisiert wegen der Möglichkeit einer grossen, öffentlichen Verhaftung›. Sie planen, ‹es mit einer eigenen Kamera-Crew zu filmen und zu dokumentieren. Sie wollen ihn in Handschellen fotografieren und werden das Polizeifoto veröffentlichen. Sie lieben das Zeug.›»
Kimmel: «Damit wären wir schon zwei – endlich können wir uns mal auf was einigen. Trump suhlt sich angeblich darin, wieder in den Nachrichten und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein. Was für ein seltsamer Mann.»
Was wäre, wenn Trump verurteilt würde, fragt sich Kimmel? Müsste der Secret Service dann auch ins Gefängnis? «Klingt wie der Anfang eines Films mit Mark Wahlberg und Kevin Hart, oder?» Arbeitstitel: «Jail to the Chief» statt «Hail to the Chief», was der offizielle Präsidialsalut ist.
«Daran erkennt man, dass die Typen nie in New York waren»
Ab Minute 1:58 ist dann die «riesige Menge» zu sehen: Eine Handvoll älterer Damen lümmelt vor dem Trump Tower herum, eine kleine Frau schreit auf dem Trottoir herum. «Ein Grund für die geringe Teilnahme ist, dass viele Hardcore-Demonstranten nach dem 6. Januar im Gefängnis sitzen», meint Kimmel. «Ausserdem befürchten Trumpster, dass der Aufruf zum Protest eine Falle des Deep State sei.»
Es sei in gewissen Kreisen auch diskutiert worden, mit Lastwagen nach Manhattan zu fahren, um den Verkehr zu stauen. «Daran erkennt man, dass diese Typen nie in New York waren: Nicht du bremst den Verkehr in Manhattan aus, der Verkehr in Manhattan bremst dich aus.»
Schützenhilfe bekommt Trump von Republikanern im Repräsentantenhaus, weiss Kimmel: Sie wollen den Bezirksstaatsanwalt von Manhattan vorladen, damit der sich erklärt. «Jim Jordan, der Vorsitzende des Rechtsausschusses, sagt zu CNN: ‹Wir glauben nicht, dass Präsident Trump überhaupt ein Gesetz gebrochen hat.›»
Sex nicht bewiesen: «Es gibt kein Baby»
Kimmels böser Konter: «Der Typ, der weggeschaut hat, als Ringer in seiner College-Kabine begrapscht worden sind, glaubt nicht, dass Trump ein Gesetz gebrochen hätte? Für mich reicht’s.»
Ja, der Abgeordnete war einst ein Ringer-Assistenztrainer an der Ohio State University: Sein Teamarzt Richard Strauss, der sich 2005 das Leben nahm, wird von mehreren Männern der sexuellen Belästigung beschuldigt.
Trump kann sich auf weitere Unterstützer verlassen, wie der Clip ab Minute 5:40 zeigt: Konservative Sender stehen dem Ex-Präsidenten bei. «Fox News-Moderatorin Jeanine Pirro wettert: «Der alte Sowjetspruch ‹Zeig mir den Mann und ich finde dir ein Verbrechen› lebt im liberalen New York weiter.» Kollege Jesse Waters sagt: «Ihr sperrt meinen Präsidenten besser nicht ein.»
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Tucker Carlson fragt ironisch: «Wo bleibt die Anklage gegen George W. Bush, weil er den Irak unter falschen Behauptungen angegriffen hat?» «Es wird unser Land hochgehen lassen und es ist ein Haufen Scheisse», meint der Republikaner Lindsay Graham bei Fox News. Bei Newsmax TV heisst es: «Wenn jemand nicht Donald Trump heisst, passiert ihm so was auch nicht.»
Donald Trump Jr. sieht «Hexenjäger» am Werk, die «im Stil des Bolschewismus» vorgingen. Und Jesse Waters weiss: «Es gibt keinen Beweis, dass Trump mit Stormy geschlafen hat. Es gibt kein Baby.» Kimmel grinst: «Ein guter Punkt. Es gibt kein Baby. Aber was wäre, wenn es ein Baby gegeben hätte? Das würde der Geschichte einen ganz neuen Dreh geben. Ein kleines Donny-Stormy-Baby, das das Land wieder vereint.»
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