Held oder Schurke Julian Assange lässt kaum Raum für Zwischentöne

dpa/tgab

27.6.2024

WikiLeaks-Gründer Julian Assange am Mittwoch, 26. Juni 2024, während seines Fluges in sein Heimatland Australien
WikiLeaks-Gründer Julian Assange am Mittwoch, 26. Juni 2024, während seines Fluges in sein Heimatland Australien
IMAGO/UPI Photo

Nach 14 Jahren kehrt Julian Assange als freier Mann nach Australien zurück. Für die einen ist er ein Verräter und Spion, für die anderen eine Ikone der Pressefreiheit und der Demokratie.

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27.6.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach 1901 Tagen Haft in London ist Wikileaks-Gründer Julian Assange frei und in sein Heimatland Australien zurückgekehrt.
  • Möglich macht es ein überraschender Deal mit dem US-Justizministerium, das bisher mit demonstrativer Härte die Auslieferung des 52-Jährigen gefordert hatte.

Geheimdokumente, Botschaftsflucht und mögliche Todesstrafe: Die Geschichte von Julian Assange, seit Jahren auf der Weltbühne erzählt, enthält alle Aspekte eines Politthrillers. Nun steuert die Saga plötzlich auf ihr filmreifes Ende zu.

Nach 1901 Tagen Haft in London, so hat es die von Assange gegründete Enthüllungsplattform Wikileaks errechnet, ist der Australier auf dem Weg in die Freiheit. Möglich macht es ein überraschender Deal mit dem US-Justizministerium, das bisher mit demonstrativer Härte die Auslieferung des 52-Jährigen gefordert hatte.

Die vergangenen Tage waren aufregend, erzählt seine Ehefrau Stella Assange der BBC. Es sei ein Hin und Her über 72 Stunden gewesen. Das Paar hat zwei Söhne, Gabriel und Max, die während Assanges Zeit in der ecuadorianischen Botschaft – dazu später mehr – zur Welt kamen. Für die Familie wird es ein grundlegender Neustart: Die Kinder, mittlerweile sieben und fünf Jahre alt, haben ihren Vater noch nie in Freiheit gesehen, wie Stella Assange berichtet.

Der Hacker hat Probleme mit der Justiz

Geboren wurde Julian Assange am 3. Juli 1971 in Townsville im australischen Bundesstaat Queensland. Die Eltern trennen sich noch vor seiner Geburt, in seiner Jugend zieht er mehr als 30 Mal um. Ab dem Teenager-Alter und dann auch als Student – seine Fächer sind Programmieren, Mathematik und Physik, einen Abschluss macht er nicht – erarbeitet er sich einen Namen als Hacker. Das macht ihn bekannt, aber bringt ihm auch Probleme mit der australischen Justiz ein.

Assange in Australien gelandet

Assange in Australien gelandet

WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist wieder in seiner Heimat Australien. Er landete am Mittwoch mit einem Privatjet in der australischen Hauptstadt Canberra und wurde dort unter anderem von seiner Frau und seinem Vater begrüsst.

26.06.2024

2006 gründet Assange die Plattform Wikileaks mit der Mission, Whistleblower zu unterstützen, verborgene Informationen ans Licht zu bringen. Von 2010 an veröffentlicht Wikileaks geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan der Whistleblowerin Chelsea Manning. Die USA werfen Assange in der Folge vor, geheimes Material gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.

Seit Jahren scheiden sich an dem Internetaktivisten die Geister. Held oder Schurke: Für seine Unterstützer ist er ein mutiger Kämpfer, der einem mächtigen Staat die Stirn geboten hat. Für seine Gegner ist er ein Spion und Verräter.

Seit April 2019 sass Assange im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh ein – gemeinsam mit Mördern, Vergewaltigern und Terroristen. Verurteilt wurde er nie. Doch die USA wollten ihm den Prozess wegen Spionagevorwürfen machen, und die Fluchtgefahr galt als hoch.

Bis zu 175 Jahre Haft hätten ihm in den USA gedroht, falls es keine Einigung gegeben und Grossbritannien den Australier schliesslich ausgeliefert hätte. Zwischenzeitlich befürchtet Assange sogar, dass ihm in den USA die Todesstrafe droht.

Flucht in die ecuadorianische Botschaft

Das juristische Tauziehen dauert bereits viel länger an. Für weltweites Aufsehen sorgt Assange, als er 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London flüchtet. Damals sollte er wegen Vergewaltigungsvorwürfen nach Schweden gebracht werden.

Immer wieder zeigt sich der Mann mit den charakteristisch hellen Haaren auf dem Balkon der Botschaft seinen Unterstützern und den Medien, gibt dramatische Pressekonferenzen. Hier lernt er auch seine spätere Ehefrau Stella kennen – die Anwältin ist Teil seines Juristenteams. Aus einer ersten Ehe stammt ein weiterer Sohn.

Sieben Jahre bleibt Assange in der Botschaft. Die schwedischen Vorwürfe wurden zwar mangels Beweisen fallengelassen. Schliesslich aber entzieht Ecuador ihm das Asylrecht, britische Polizisten zerren ihn im April 2019 vor laufenden Kameras aus dem Botschaftsgebäude. Grossbritannien hatte die Festnahme lange zuvor angekündigt, weil Assange gegen Bewährungsauflagen verstossen habe. Die USA stellen ein Auslieferungsersuchen.

Hickhack vor Gericht

Es folgt ein Hin und Her: Zunächst verhängt ein Londoner Gericht im Januar 2021 ein Auslieferungsverbot. Als Begründung nannte die Richterin die Suizidgefahr, sollte Assange in ein US-Hochsicherheitsgefängnis gebracht werden. Doch Ende 2021 revidiert der High Court die Entscheidung überraschend. Die damalige britische Innenministerin Priti Patel unterzeichnet den Auslieferungsbefehl.

Assange wehrt sich weiter. Schliesslich hat er Erfolg: Im Mai gibt der High Court einem Berufungsantrag teilweise statt. Der Fall sollte Anfang Juli verhandelt werden. Dazu kommt es nun nicht mehr.