Tödlicher Gletscherabbruch Ist das jetzt der Klimawandel?

tafi/Agenturen

4.7.2022

An einer beliebten Bergsteigerroute in den Dolomiten sterben mindestens sieben Menschen bei einem Gletscherabbruch. Behörden befürchten weitere Opfer und neue Abbrüche. Was bislang über das Unglück bekannt ist.

tafi/Agenturen

4.7.2022

Nach dem folgenschweren Gletschersturz in den Dolomiten sind inzwischen sieben Tote bestätigt worden. Die Einsatzkräfte haben am Montag ihre Suche an der Flanke des Berges Marmolata in den Dolomiten fortgesetzt – haben aber kaum noch Hoffnung auf weitere Überlebende.

Hinweis: Dieser Artikel wird bei neuen Erkenntnissen und Entwicklungen aktualisiert.

Was ist beim Gletscherabbruch in den Dolomiten passiert?

Von einem Gletscher an der Marmolata, dem mit 3343 Meter höchsten Berg der Dolomiten, ist am Sonntag ein riesiger Eisblock abgebrochen. Daraufhin donnerte eine Lawine aus Schnee, Eis und Felsbrocken mit hoher Geschwindigkeit ins Tal.

Zu diesem Zeitpunkt waren mehrere Seilschaften auf der üblichen Route zum Gipfel unterwegs. Mindestens sieben Bergsteiger kamen ums Leben, wie die die Polizei in Trient am Montagnachmittag bestätigte. Mindestens neun Personen wurden verletzt, zwei der Verletzten schwebten am Sonntagabend in Lebensgefahr. Die Behörden vermuten weitere Todesopfer auf dem Berg.

Die Rettungsarbeiten wurden am Montag wegen eines aufziehenden Unwetters zwischenzeitlich unterbrochen. Auch Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, der per Hubschrauber das Lagezentrum in Canazei am Fusse des Berges besuchen wollte, konnte dort nicht landen und musste nach Verona ausweichen, um auf ein Auto umzusteigen.

Der Marmolata-Gletscher ist der grösste Gletscher in den Dolomiten und befindet sich auf der Nordseite der Marmolatagruppe, die in den Provinzen Trient und Belluno liegt. Der Eisblock brach in der Nähe der Punta Rocca ab.

Gibt es weitere Opfer?

Die italienischen Behörden gehen derzeit von 17 Vermissten aus, wie der Staatsanwalt von Trento, Sandro Raimondi, laut italienischer Nachrichtenagentur LaPresse sagte  aus (Stand: Montagmittag). Auf dem Parkplatz am Fusse des Bergmassivs wurden 16 Autos gezählt, deren Halter*innen noch ermittelt werden. Wie viele Menschen sich an der Unglücksstelle befanden, ist laut Bergrettungssprecher Walter Milan unklar.

Die Rettungskräfte suchen mit mehreren Helikoptern und Hundestaffeln nach weiteren verschütteten Personen. Sie haben kaum Hoffnung, unter den Eis-, Schnee- und Felsmassen noch Überlebende zu finden.

Woher kommen die Opfer?

Italienischen Medien zufolge sind unter den Opfern auch ausländische Staatsbürger. Über die Nationalität wurde zunächst nichts bekannt. Laut Rettungskräften wird die Identifizierung der Todesopfer schwierig. Unter den Verletzten befinden sich zwei Deutsche.

Wie konnte es zu dem Unglück kommen?

Offiziell gibt es zur Ursache der Katastrophe in den Dolomiten noch keine Angaben. Experten gehen davon aus, dass die extreme Hitze in Italien seit Ende Juni eine Rolle spielt. Die sonst schützende Neuschneedecke auf dem Gletscher ist demnach viel zu dünn für die Jahreszeit. Erst am Samstag wurde auf dem Gipfel des Berges die Rekordtemperatur von 10 Grad Celsius gemessen.

Durch die warmen Temperaturen habe sich eine grosse Menge Schmelzwasser unter dem Eisblock gesammelt und diesen einbrechen lassen, wurde Gletscher-Experte Renato Colucci von der italienischen Nachrichtenagentur AGI zitiert.

Wie sicher ist der Marmolata-Gletscher jetzt?

Renato Colucci warnt davor, dass sich das Phänomen wiederholen wird: «Die Temperaturen in den höheren Lagen der Alpen liegen seit Wochen deutlich über den Normalwerten.»

«Es gibt kaum noch Eis», sagte auch Extrem-Bergsteiger Reinhold Messner in einem Interview mit der Tageszeitung «La Republicca». Gletscher würden gelegentlich «aufgrund der Schwerkraft» kollabieren, aber der Grund für den Rückzug sei «die globale Erwärmung, die Gletscher zum Schmelzen bringt».

Der Gletscher auf der Marmolata ist in den vergangenen Jahren dramatisch geschmolzen. Experten gehen davon aus, dass er in den nächsten 25 bis 30 Jahren ganz verschwindet.

Das Foto der italienischen Rettungskräfte zeigt den Gletscherabbruch in den Dolomiten.
Das Foto der italienischen Rettungskräfte zeigt den Gletscherabbruch in den Dolomiten.
Corpo Nazionale Soccorso Alpino e Speleologico/dpa