Kilos weg mit der Spritze Der Hype um die Abnehmspritze und das Milliardengeschäft der Pharmariesen

Samuel Walder

17.3.2025

«Wegovy», «Ozempic» und «Mounjaro» heissen Spritzen gegen Übergewicht und zur Behandlung von Typ-2-Diabetes. (Archivbild)
«Wegovy», «Ozempic» und «Mounjaro» heissen Spritzen gegen Übergewicht und zur Behandlung von Typ-2-Diabetes. (Archivbild)
Bild: Jens Kalaene/dpa

Immer mehr Menschen setzen auf Abnehmspritzen, um überschüssige Kilos loszuwerden. Während die Wirkung bestätigt ist, gibt es auch Nebenwirkungen und hohe Kosten. Warum der Markt boomt und was das für Schweizer Patient*innen bedeutet.

Samuel Walder

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Abnehmspritzen von Ozempic und Wegovy helfen nachweislich bei der Gewichtsreduktion, indem sie das Hungergefühl verringern und den Blutzuckerspiegel regulieren.
  • Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Muskelverlust sind möglich, und die Kosten pro Monat liegen je nach Präparat zwischen 300 und 500 Franken.
  • Der Markt wächst stark, mit neuen Pharmaunternehmen wie Roche, die einsteigen, und einer erwarteten Umsatzsteigerung auf 150 Milliarden US-Dollar bis 2033.
  • Ein Experte sieht die Spritze als Chance, warnt dennoch vor Gefahren.

Es ist fast zu schön, um wahr zu sein. In wenigen Wochen mehrere Kilogramm abnehmen. Das ist mit der Abnehmspritze möglich. Die Pharmaprodukte Ozempic, Wegovy, Mounjaro und Saxenda sind die bekanntesten Spritzen auf der ganzen Welt. 

Es entstand ein regelrechter Hype um die Abnehmspritze. Aber wie gut wirkt die Behandlung wirklich? blue News spricht mit einem Experten.

Apotheker Giovanni Cartolano, sagt: «Es scheint zu funktionieren, sie macht, was sie verspricht. Der Blutzuckerwert verbessert sich». Ursprünglich sei die Abnehmspritze für Diabetiker gedacht gewesen. Der Effekt, dass man Gewicht verliert, hat sich in ein lukratives Business entwickelt.

Die Abnehmspritze enthält Wirkstoffe wie Semaglutid oder Liraglutid, die das Hormon GLP-1 nachahmen. Dieses Hormon reguliert den Blutzuckerspiegel und das Sättigungsgefühl.

Die Spritze verlangsamt die Magenentleerung, reduziert das Hungergefühl und sorgt dafür, dass man insgesamt weniger isst. Zudem beeinflusst sie das Belohnungssystem im Gehirn, wodurch Heisshungerattacken seltener werden.

Der Hype ist gerechtfertigt

Für Giovanni Cartolano ist klar: «Die Abnehmspritze hat eine Zukunft, der potenzielle Markt ist riesig: Weltweit sind Milliarden Menschen von Adipositas, Übergewicht und Diabetes betroffen.» Die Spritze bringe vielen Anwender*innen einen deutlichen Nutzen. Der Hype sei also gerechtfertigt.

Doch wer darf und kann so eine Behandlung machen? Cartolano sagt: «Jeder Patient Fall wird untersucht, um zu entscheiden, ob die Krankenkasse zahlt, oder die Patienten selbst.» Wenn eine Indikation vorliege, würde die Krankenkasse die Kosten übernehmen.

Sind andere Faktoren zentral, die nicht unbedingt gesundheitliche Schwierigkeiten mit sich bringen, zahle der Patient selbst. Zum Beispiel, wenn eine Person äusserlich was verändern will, aber sonst gesund ist.

Die Abnehmspritze birgt Gefahren

Die Abnehmspritze bringt also Vorteile. Es gibt aber selten eine Behandlung, die ohne Nebenwirkungen daherkommt. Cartolano sagt: «Die gängigen Nebenwirkungen sind Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen.

Es gab zwar Berichte zu Todesfällen, diese wurden aber mit nicht zugelassenen Versionen von Semaglutid, Wirkstoff von Ozempic und Wegovy, in Verbindung gebracht.»

Was auch dazu komme, sei der Verlust von Muskeln. «Wenn man 10 Kilo abnimmt, sind 4 Kilo davon Muskeln.» Das sei definitiv eine Gefahr davon und sollte immer vom Arzt kommuniziert werden.

«Wir sind mit der Substanz nicht am Ende der Weisheit angelangt»

Der Markt ist mit vier Unternehmen, die Abnehmspritzen produzieren, noch überschaubar. Jetzt steigt auch Roche in das Geschäft ein.

Giovanni Cartolano ist überzeugt: «Ich glaube schon, dass es Sinn ergibt, dass andere Pharmaunternehmen auch einsteigen.» Er sieht Chancen, denn das Medikament ist noch nicht perfekt. «Wir sind mit der Substanz nicht am Ende der Weisheit angelangt. Man muss die Wirkung auch weiter erforschen und verbessern.»

Der Markt für Abnehmspritzen wächst rasant. Schätzungen zufolge könnte der jährliche Umsatz mit Abnehmmedikamenten bis 2033 150 Milliarden US-Dollar erreichen, verglichen mit einer Vorjahresprognose von über 100 Milliarden in den frühen 2030er Jahren, wie es bei «marketscreener» heisst.

300 bis 400 Franken pro Spritze

Die Abnehmspritzen werden in der Regel subkutan (unter die Haut) injiziert, wobei die Häufigkeit der Anwendung vom jeweiligen Präparat abhängt:

Ozempic: Wöchentliche Injektion

Wegovy: Wöchentliche Injektion

Mounjaro: Wöchentliche Injektion

Saxenda (Liraglutid): Tägliche Injektion

Die Kosten variieren je nach Präparat und Dosierung. In der Schweiz kostet eine Monatsversorgung mit Saxenda durchschnittlich zwischen CHF 300 und CHF 400. Tirzepatid (Mounjaro) kostet in seiner primären Anwendung zur Diabetesbehandlung etwa CHF 500 pro Monat.

Abnehmspritze in der Schweiz

In der Schweiz sind zurzeit zwei Medikamente zur Gewichtsreduktion zugelassen: Saxenda mit dem Wirkstoff Liraglutid und Wegovy mit dem Wirkstoff Semaglutid.

Beides sind hochwirksame Injektionspräparate auf der Basis von Magen-Darm-Hormonen. Das heisst, sie ahmen die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1 (Glucagon-like Peptide-1) nach.

Seit März 2024 übernehmen die Schweizer Krankenkassen die Kosten für Wegovy bei Personen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 35 oder einem BMI über 28, mit gewichtsbedingten Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck.


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