Hohe Armut in Venezuela Bevölkerung hofft auf bessere Löhne nach den Wahlen

Von Regina Garcia Cano, AP

28.7.2024 - 09:44

Am Sonntag wird in Venezuela gewählt. Präsident Nicolás Maduro wird unter anderem von dem aussichtsreichsten Oppositionskandidaten Edmundo Gonzalez Urrutia herausgefordert, einem Diplomaten. 
Am Sonntag wird in Venezuela gewählt. Präsident Nicolás Maduro wird unter anderem von dem aussichtsreichsten Oppositionskandidaten Edmundo Gonzalez Urrutia herausgefordert, einem Diplomaten. 
Jeampier Arguinzones/dpa

Viele Venezolanerinnen und Venezolaner können sich nur mit Mühe und einer Vielzahl an Nebenjobs über Wasser halten. Sie hoffen auf höhere Löhne nach der anstehenden Präsidentenwahl.

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Am Sonntag, 28. Juli, findet in Venezuela die Präsidentschaftswah lstatt.
  • Präsident Nicolás Maduro wird dabei unter anderem vom aussichtsreichsten Oppositionskandidaten Edmundo Gonzalez Urrutia herausgefordert.
  • Die Armut im Krisenland ist gross.
  • Die Bevölkerung hat Zweit- und Drittjobs, um sich über Wasser halten zu können.
  • Viele können sich häufig nichts zu Essen leisten. 
  • MeistgelesenVenezolanerinnen und Venezolanen hoffen auf höhere Löhne nach der Präsidentenwahl.

Auf dem Markt im Osten Venezuelas wimmelt es am Wochenende von Kundinnen und Kunden. Sie hoffen, an den Ständen mit Gemüse, Fleisch und Käse ein Schnäppchen machen zu können. Manche tragen Kochbananen, Maniok-Kekse, Maismehl oder einen halben Karton mit Eiern nach Hause.

Die Lehrerin Cruz Brito steht auf der anderen Strassenseite im Fischgestank, der die heisse, feuchte Luft von Maturin durchdringt. Sie hat umgerechnet etwa 24 Franken auf dem Konto und noch eine einzige Dose Sardinen zu Hause. Bis sie ihren nächsten Gehaltsscheck bekommt, dauert es noch fünf Tage, und sie muss noch eine nötige Anschaffung ihrer ältesten Tochter fürs Studium bezahlen. Deshalb geht Brito mit leeren Händen nach Hause. Vielleicht kann sie im Lebensmittelladen in ihrer Nachbarschaft anschreiben lassen.

Menschen haben Zweit- und Drittjobs

Elf Jahre nach Beginn der komplexen Krise in Venezuela sind die Tage der Nahrungsmittelknappheit zwar so gut wie vorbei. Doch da viele weniger als umgerechnet 180 Franken im Monat verdienen, haben Familien sowohl auf dem Land als auch in den Städten Mühe, sich über Wasser zu halten.

Die Menschen haben Zweit- und Drittjobs, gründen kleine Unternehmen, eröffnen Wechselstuben und investieren ihr weniges Geld in Glücksspiele. Ohne Taschenrechner und Kalender treffen sie kaum eine Entscheidung.

Diese Verunsicherung trägt dazu bei, dass die Regierungspartei bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag um ihren Machterhalt fürchten muss. Präsident Nicolás Maduro wird unter anderem von dem aussichtsreichsten Oppositionskandidaten Edmundo Gonzalez Urrutia herausgefordert, einem Diplomaten.

«Habe schon geweint, weil ich nichts zu essen hatte»

Brito betet nach eigenen Worten für ein neues Staatsoberhaupt – und in der Folge um ein Ende ihrer prekären Lage. «Ich habe schon geweint, weil ich nichts zu essen hatte», sagt sie wenige Tage vor der Wahl am Rande des Marktes in Maturin.

«Wir sind nicht ausgewandert – erstens, weil ich meine Eltern hier habe, und zweitens, weil ich an Gott glaube und glaube, dass wir das überstehen werden. Aber wenn nicht, muss ich leider mit gebrochenem Herzen gehen, wie all die anderen, die ausgewandert sind.»

Mindestlohn nur noch rund 3 Franken

Die Krise in Venezuela hat sich über die Jahre entwickelt. Maduros Regierung kann inzwischen zwar sogar auf ein Wirtschaftswachstum nach der Corona-Pandemie verweisen. Doch die Löhne und das Arbeitslosengeld haben sich nicht erholt.

Beschäftigte des öffentlichen Dienstes erhalten monatlich den Mindestlohn des Landes: 130 Bolivar, oder je nach Erfahrung, Vertrag und Qualifikation etwas mehr. Dieser Betrag hat sich seit März 2022 nicht verändert, als er umgerechnet etwa 27 Franken entsprach. Nun sind es nur noch rund 3 Franken.

Arbeiterinnen und Arbeiter erhalten zusätzlich einen monatlichen Essenszuschuss von etwa 36 Franken. Wer darüber hinaus über die sogenannte Vaterlandskarte Sozialleistungen bezieht, bekommt weitere 80 Franken.

80 Prozent der Bevölkerung leben in Armut

Deshalb versucht Brito zusätzliches Geld zu verdienen, indem sie abends auf ihrem Smartphone Glücksspiele spielt, Übersetzungsarbeiten erledigt, Tombolas veranstaltet und auf den Strassen von Maturin Wassereis verkauft.

«In den Supermarkt zu gehen, einen Einkaufswagen zu nehmen und einfach drauf los einzukaufen – ich weiss gar nicht mehr, was das ist», sagt die 47-Jährige. «Früher habe ich ein ganzes Huhn gekauft, jetzt kaufe ich nicht einmal mehr ein halbes. Ich muss drei Eier kaufen, weil ich keinen ganzen Karton mehr kaufen kann.»

Beschäftigte in der Privatwirtschaft sind mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von umgerechnet 213 Euro kaum besser dran. Insgesamt 80 Prozent der Bevölkerung leben heute in Armut.

«Es gibt Tage, an denen wir nichts zu essen haben»

In Maturin, einem Zentrum der Ölindustrie, finden sich überall Zeichen der einst blühenden Mittelschicht: Zweistöckige Häuser stehen auf baufälligen Grundstücken mit «Zu verkaufen»-Zeichen, Einkaufszentren sind mit Brettern vernagelt und Autohäuser geschlossen. Die langen, breiten Strassen der Stadt wurden zu einer Zeit angelegt, als sich praktisch alle ein Auto leisten konnten und Benzin billig zu haben war. Heutzutage ist ein eigener Wagen, egal wie alt, ein Luxus.

Israel Gimon musste wegen der Krise eines seiner beiden Autos verkaufen. Mit seiner Rente – die laut Gesetz dem monatlichen Mindestlohn entsprechen muss – und einer «Vaterlandskarte» kommt er monatlich umgerechnet auf etwa 25 Franken. Lebensmittelhilfe steht Rentnerinnen und Rentnern nicht zu.

Der 66-jährige Gimon arbeitete mehr als 40 Jahre als Bauleiter und war davon ausgegangen, von seiner Rente gut leben zu können. Stattdessen verkauft er jetzt Eis in seiner Garage und repariert Haushaltsgeräte. In einem guten Monat verdient Gimon mit dem Reparaturgeschäft umgerechnet etwa 45 Franken. Mit seinem Einkommen muss er seine Frau, eine Tochter und seinen Hund ernähren. «Es gibt Tage, an denen wir nichts zu essen haben», sagt er. «Und ich habe einmal zur oberen Mittelschicht gehört!»


Mehr Videos aus dem Ressort

Venezuela: Präsident Maduro will ölreiche ölreiche guyanischen Region annektieren

Venezuela: Präsident Maduro will ölreiche ölreiche guyanischen Region annektieren

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat am 5. Dezemberdas Ergebnis eines Referendums gefeiert. Laut des Abstimmungsergebnisses ist die Mehrheit dafür, dass die ölreiche guyanischen Region Essequibo zu einem Teil Venezuelas erklärt werden soll. Dies gab Maduro nach einer Kabinettssitzung in Caracas bekannt. Er kündigte an, dem venezolanischen Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

07.12.2023

Von Regina Garcia Cano, AP