Late Night USA«Die Queen ist gestorben, weil sie alt war»
Von Philipp Dahm
20.9.2022
Was beschäftigt eigentlich gerade Amerika? Vier Late-Night-Hosts geben Antwort: Neben der Queen sind Donald Trump, Ron DeSantis und Covid die Themen, die Land und Leute umtreiben.
Von Philipp Dahm
20.09.2022, 19:01
Philipp Dahm
Lange – zu lange – gab es schon keine Late-Night-Kolumne mehr. Erst waren die Hosts in den Ferien, dann haben die Ukraine und andere Krisenherde die Nachrichten dominiert. Dabei ist in den USA – und Grossbritannien – genug passiert: Statt bloss eine Show zu besprechen, hat blue News die wichtigsten Themen, die das Land gerade bewegen, verortet – und fängt die Reaktionen der besten Late-Night-Shows dazu ein.
«Vor zwei Wochen ist, wie ihr alle wisst, die Queen gestorben, weil sie alt war», erklärt Trevor Noah das «grosse Thema», das Uncle Sam umtreibt. Seither habe es hitzige Diskussionen gegeben: «‹Sie war eine Ikone.› ‹Sie war ein Tyrann.› ‹Erhaltet die Monarchie!› ‹Werdet die Monarchie los.› ‹Wir hassen Charles.› ‹Wir hassen Charles auch.›»
Stutzig macht den Moderator der «Daily Show» ein News-Clip, zu sehen ab Minute 2:38. Da wird über die endlose Schlange für jene berichtet, die den Sarg der Queen noch einmal sehen wollten. Das zeige, wie sehr es die Brit*innen «mögen, sich anzustellen». Es sei ein Nationalsport, den man liebe, sagt die Sprecherin.
Queen: Harry und Meghan – High Five über dem Sarg
«Das ist eine interessante Erkenntnis», sagt Noah süffisant lächelnd. «‹Warum sind die Leute hier?› ‹Sie stellen sich einfach bloss gern an.› ‹Nichts anderes?› ‹Nein, nein, sie stehen einfach nur gern Schlange.›» Amerika dürfe sich über so etwas Langweiliges aber nicht lustig machen. Denn: «Amerikas Nationalsport ist Baseball. Da tun Leute so, als sei jemand gestorben, obwohl es nicht so ist.»
Stephen Colbert witzelt, man habe wohl vergessen, der Queen die Krone mit in den Sarg zu geben: «Leg sie einfach oben drauf!» Er macht sich über die Titel der geladenen Gäste lustig. Sie lauten «Maltravers Heralds Extraordinary», «Rouge Dragon Pursuivant» oder «Lady Usher of the Black Rod». Letzteres sei «zufällig auch der meistgesuchte Pornhub-Begriff», weiss der gebürtige Washingtoner.
Ziemlich lustig ist mit Blick aufs Thema das «Jimmy Kimmel Live»-Format «Lie Witness News», bei dem Passanten nach Ereignissen befragt werden, die nicht stattgefunden haben. Ab Minute 10:50 ist zu sehen, wie Passanten erlebt haben wollen, dass die Corgis mit der Queen beerdigt wurden, dass sich Meghan und Kate beim Begräbnis angegriffen oder Meghan und Harry über dem Sarg High Five gegeben haben.
Donald Trump: «Kein Respekt!»
Auch Donald Trump äussert sich zum Begräbnis der Queen – um Joe Biden eins auszuwischen. «Das ist, was Amerika in nur zwei kurzen Jahren passiert ist. Kein Respekt», schreibt er auf seiner Social-Media-Plattform, weil Biden in Westminster Abbey zu weit hinten platziert sei. So habe der Präsident zumindest ein paar Anführer aus der Dritten Welt kennengelernt.
Und weiter: «Wenn ich Präsident wäre, hätten sie mich nicht dort hinten hingesetzt – und unser Land wäre ganz anders als jetzt!» Jimmy Kimmel kontert das trocken: «Hey, ich bin einfach nur froh, dass er endlich zugibt, dass er nicht mehr Präsident ist.»
Dank «Jimmy Kimmel Live» wissen wir auch von Trumps Ankündigung, nach der «ungerechten und illegalen Razzia» nun wieder nach Florida ins Mar-a-Lago zurückkehren zu wollen. «Sie haben ihn gebeten, die [geheimen] Dokumente zurückzugeben und sind erst aufgekreuzt, um sie zu holen, als er es nicht tat», schüttelt Kimmel den Kopf.
Donald Trump: Unterstützung gegen Demütigung
«Sie haben ihm vorher gesagt, dass sie kommen. Das ist keine Razzia oder ein Eindringen. Ein Eindringen ist das, was er bei den Miss-Universe-Wahlen gemacht hat», lästert Kimmel mit Blick auf unerwünschte Trump-Besuche in Umkleidekabinen der Teilnehmerinnen.
Kimmel thematisiert auch Trumps jüngsten Wahlkampfauftritt in Youngstown, Ohio. Die Teilnehmenden hätten dort einen QAnon-Song gehört, zu dem sie den Zeigefinger aufstrecken. «Das heisst eins: Es ist, glaube ich, ihr durchschnittlicher IQ», weiss der Late-Night-Host. Die QAnon-Gemeinde sei die einzige, die noch an die Wahlbetrug-Mär glaube.
Auch Seth Meyers hat mit Trump noch ein Hühnchen zu rupfen. Oder besser: mit seinen Parteifreunden. Republikaner müssten heutzutage «willens sein, sich zu entwerten und jede Demütigung oder Erniedrigung zu ertragen, die Donald Trump dir in den Weg wirft»: «Das ist das Einzige, was sein wie ein Kult organisierter innerer Kreis von kriminellen Mutanten-Wasserspeihern gemein hat.»
Donald Trump: «Und dann hat er sich in mich verliebt»
Übertreibt der Gastgeber von «Late Night» nicht ein bisschen? Das Beispiel von J. D. Vance beweist das Gegenteil: Der republikanische Politiker aus Ohio hat sich einst als Anti-Trump positioniert, dann aber doch um die Gunst des Ex-Präsidenten gekämpft und sie schliesslich auch bekommen. Und wie unterstützt der 76-Jährige den Yale-Absolventen nun?
Zu sehen ist das ab Minute 3:05. Erst hat Trump ihn mit einem Konkurrenten verwechselt, und nun hat der New Yorker «erneut die Chance ergriffen, zu seiner eigenen Unterhaltung Vance Scheisse fressen zu lassen», wie es Meyers ausdrückt.
«Die ‹New York Times› hat heute eine Fake Story gebracht, nach der J. D. unsicher war, ob er meine Unterstützung wolle», prahlt Trump am 17. September bei der Wahlkampfveranstaltung in Ohio. «J. D. küsst mir den Arsch, so sehr will er meine Unterstützung.» An anderer Stelle sagt Trump: «Ja, er hat ein paar böse Dinge über mich gesagt. Aber das war, bevor er mich kennengelernt hat, und dann hat er sich in mich verliebt.»
Donald Trump: Der fleischgewordene Duden
Vance habe sich dennoch dem Trumpismus ergeben, glaubt Meyers: «Als [er] ans Podium getreten ist, um die verschiedenen Probleme aufzulisten, die er als Senator von Ohio angehen würde, war das Erste, woran er offensichtlich denken konnte, ein Problem, das 4'000 Kilometer entfernt ist.» Vance bekundet: «Wir haben einige Probleme an der südlichen Grenze.»
«Die südliche Grenze von Ohio?», fragt Meyers treu. «Habt ihr einige Probleme mit den Flüchtlingen aus Kentucky, die über die Grenze strömen? Kein persönliches Problem ist so weit entfernt.» Ausser, man lasse sich benutzen.
Meyers erinnert das an Trumps «Karawanen»-Angstmacherei von 2018. Dass die Republikaner nun die Immigration erneut thematisieren, zeige ihre Nervosität. Doch Trump ist die Vergangenheit nicht unangenehm. Im Gegenteil. Als er in Ohio schon wieder von «Karawanen» anfängt, sagt er: «Mir ist der Begriff übrigens eingefallen. Es war mein Begriff – so wie ‹Fake News›.»
Ron DeSantis: Der Ostküsten-Elite eins auswischen
Das bringt Meyers zu Ron DeSantis, der eigentlich gern Spitzenkandidat der Republikaner werden würde. Um als Gouverneur von Florida Stärke zu zeigen, hat der 44-Jährige Migranten ausgeflogen, erklärt der Gastgeber. Jedoch nicht in ihre Heimat, sondern nach Martha's Vineyard, einer Insel vor Massachusetts, wo liberale New Yorker ihre Ferienhäuser haben.
Und abgeholt hat das Flugzeug die Menschen nicht in Florida, sondern ist dafür nach Texas geflogen, wo Parteifreund Ted Cruz das Sagen hat. Rechtzeitig hat DeSantis dann noch den konservativen TV-Sender Fox News unterrichtet und sich zurückgelehnt, um sich an panischen Reaktion der linken Elite zu erfreuen, stellt der Moderator den Fall dar.
Stattdessen haben die Menschen vor Ort Hilfe für die Migranten organisiert – im Bewegtbild zu sehen ab Minute 7:34. Die 48 Sans-Papiers bekommen Essen und Unterkunft von der Gemeinde. Die Abgeordneten in Florida hätten Anfang des Jahres eigens zwölf Millionen Dollar freigemacht, um illegale Migranten in jene Gebiete der USA zu bringen, in denen linke Regierungen eine offene Immigrationspoltik betreiben, heisst es.
Ron DeSantis im Kopf der Migranten
«Damit habt ihr den reichen Liberalen noch etwas gegeben, durch das sie sich selbstgerecht fühlen können», schüttelt Meyers den Kopf: «Als ich hörte, dass diese armen Migranten angekommen sind, habe ich meine Birkenstock angezogen, meinen Tesla voll mit Sandwiches geladen und bin los», imitiert er besagte Ostküsten-Elite. «Ich sage nicht, dass ich was Besseres bin. Ich beweise es.»
Stephen Colbert ergänzt, dass DeSantis offenbar die Gedanken der Migranten lesen kann. Zumindest antwortet er auf die Frage, warum die Menschen aus Texas geholt worden sind: «Die meisten von ihnen hatten vor, nach Florida zu kommen.»
Die Anwältinnen der Migranten haben inzwischen offengelegt, dass ihre Klienten ins Flugzeug gelockt worden sind. «Sie wurden wieder und wieder belogen», klagt Rachel Self an – zu sehen ab Minute 9:36. «Ihnen wurde gesagt, es gebe ein Überraschungsgeschenk, dass sie Jobs und Unterkünfte erwarten, wenn sie ankommen.» Statt in Boston landeten die Menschen dann auf Martha's Vineyard, um mit ihnen eine politische Fehde auszutragen.
Covid: Ja, was denn nun?
Joe Biden wird im CBS-Format «60 Minutes» gefragt: «Ist die Pandemie vorbei?» Der US-Präsident antwortet: «Die Pandemie ist vorbei. Wr haben immer noch ein Problem mit Covid, wir arbeiten noch viel daran, aber die Pandemie ist vorbei.»
Late Night USA – Amerika verstehen
Blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Das verwirrt Stephen Colbert: «Was denn nun, Joe? Haben wir ein Problem mit Covid oder ist die Pandemie vorbei?», fragt der 58-Jährige und spielt einen Ehemann: «Lorraine, die Affäre ist vorbei. Ich habe immer noch jeden Dienstag um 18 Uhr Sex mit Bethany. Aber die Affäre ist vorbei!» Colbert schaut auf die Uhr: «Ich muss los, es ist 17:45 Uhr.»