Late Night USATrump geht mit radikal-loyalen Kandidaten auf «Rache-Tour»
Von Philipp Dahm
6.8.2022
Wenn die Republikaner in Vorwahlen ihre Kandidaten küren, mischt Trump tüchtig mit. Nur wer seine Demission so radikal ablehnt wie er, bekommt seine Unterstützung. Eine Gefahr für die Demokratie, warnt Seth Meyers.
Von Philipp Dahm
06.08.2022, 00:00
Philipp Dahm
«Nie war es wichtiger als jetzt, die Leute zur Verantwortung zu ziehen, die am 6. Januar fast unsere Demokratie gestürzt haben», leitet Seth Meyers in seiner «Late Night»-Show seinen Monolog ein. «Denn sie sind [ihrem Ziel] sehr nahegekommen, und sie werden es ganz klar wieder tun, sollten sie die Chance bekommen.»
Meyers spricht über einen Plan, der offensichtlich ist und der in den USA die Konservativen zerreisst: In den laufenden Vorwahlen in den USA, in denen die Parteien ihre Spitzenkandidaten für die kommende Wahl küren, versucht Donald Trump, loyale Gefolgsleute zu fördern.
Es handelt sich bei ihnen um election deniers, die Joe Bidens Wahlsieg bezweifeln, erklärt der folgende News-Clip. Sie treten mitunter gegen etablierte Republikaner an. Besonders interessant ist diese Konstellation in Arizona, das zwar einen republikanischen Gouverneur hat, aber dennoch Bidens knappen Wahlsieg in dem Bundesstaat 2020 anerkannt hat.
In Arizona habe Trump deshalb «einen totalen Angriff auf das [republikanische] Establishment gestartet, dass seine falschen Wahl-Behauptungen nicht mitgemacht hat», erklärt der Nachrichtensprecher. «Arizona ist für Trump ein Rache-Staat. Er hat Kandidaten [für Posten] vom Senat bis zum Secretary of State vorgeschlagen, der die nächste Präsidentschaftswahl kontrolliert.»
«Arizona ist für ihn ein Rache-Staat»
«Sorry, Arizona ist für ihn ein Rache-Staat», wundert sich Meyers. «Was will er machen? Müssen wir dort leben? Nichts sagt mehr über einen, der spaltet, statt zu einen, als ein früherer Präsident mit einem Rache-Staat. Normalerweise ziehen sich Ex-Präsidenten in ein ruhiges Leben zurück, werden für Vorträge und fürs Promi-Golfturnier bezahlt.»
Late Night USA – Amerika verstehen
Blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Trump sei also auf «Rache-Tour» und fahre kreuz und quer durchs Land, um Kandidaten zu unterstützen, «die ihm helfen werden, die Wahl 2024 zu manipulieren, falls sie ins Amt kommen». Meyers weiss zwar, dass der 76-Jährige noch nicht verkündet hat, wieder anzutreten. «Er macht bloss wenig subtile Andeutungen.»
So wie letzte Woche auf einem Golfplatz in New Jersey, als Trump mit kehliger Stimme auf die entsprechende Frage antwortet: «Ihr werdet so glücklich sein.» Für den Moderator steht fest: «Trump ist auf Kurs, 2024 wieder einen Putsch zu versuchen.» Und selbst wenn der New Yorker nicht aufgestellt würde, könnten seine Handlanger dennoch demokratische Prozedere behindern.
Erst wittert sie Betrug – dann liegt sie vorne
In Arizona hätten sich die Trump-Jünger auf ganz verschiedenen Ebenen durchgesetzt oder lägen in Front, erklärt Meyers. Die Kandidatin für den Posten der Gouverneurin ist Kari Lake. Im Clip ab 5.12 Minute tönt sie: «Jeder, der mit dieser korrupten, zwielichtigen, schäbigen Wahl 2020 mitgemacht hat – sperrt sie ein!»
«Lock them up», sagt sie. «Lock her up» – Trumps alte Losung für Hillary Clinton ist zurück. Lake sagt auch: «Wir wollen, dass die Leute verhaftet, angeklagt und ins Gefängnis geworfen werden.» Joe Biden nennt die 52-Jährige einen «illegitimen Präsidenten». «Aber die Lügenpresse will uns Glauben machen, dass der Typ 81 Millionen Stimmen bekommen hat.»
Dabei sei doch klar, dass so viele für den Demokraten gestimmt haben, findet Meyers. Denn: «Er ist gegen Donald Trump angetreten.» Wahrlich «ironisch und bezeichnend» sei jedoch, dass auch Lake am Wahlabend von Betrug redet, weil sie hinten liegt. Als sie bei der Auszählung Karrin Taylor Robson, die übrigens von Mike Pence unterstützt wird, überholt, gerät die Sache flugs in Vergessenheit.
«Grosse, massive Haufen»
So liefen Wahlen nun mal ab, meint Meyers: Stimmen würden gezählt und wer vorne liegt, ändere sich mitunter. Damit könnten election deniers nicht umgehen, wie Trump Ende November 2020 zeigt. Er wittert nachgeschobene Wahlzettel: «Diese Wahl war vorbei, und dann haben sie Haufen gemacht. Sie nennen es Haufen – grosse, massive Haufen.»
«Erinnert Ihr euch, dass sich der Führer der freien Welt über grosse, massive Haufen beklagt hat? Als würde er im Elefantengehege des Bronx Zoo arbeiten? ‹Gopf, wer hat den Elefanten Cheesecake gegeben? Es wird Tage dauern, das sauberzumachen.›»
Dabei zeige der Fall Kari Lake, dass grosse Haufen doch okay sind, wenn sie bloss auf die richtige Seite fallen. «Das zeigt, dass das alles Scheisse ist, ein erfundener Vorwand, um zu rechtfertigen, was auch immer sie wollen.» Es gebe jedoch noch einen gefährlicheren Kandidaten – der für das Amt des Secretary of State, der Dinge beurkundet und in der Funktion auch eine Wahl abnimmt.
Den Bock zum Gärtner machen
Ein Clip ab 8.51 Minuten stellt Mark Finchem vor, einen election denier mit Verbindungen zu den rechtsradikalen Oath Keepers, der am 6. Januar beim Sturm aufs Kapitol dabei war. «Das ist verrückt», erregt sich der Gastgeber. «Wir können nicht einen Typen, der die letzte Wahl kippen wollte, künftige Wahlen kontrollieren lassen.»
Man müsse diese Typen jetzt stoppen, bevor es zu spät sei. Deshalb findet Meyers es ermutigend, dass das Justizministerium bei seinen Ermittlungen zum 6. Januar vorwärtsmacht: Trumps früherer enger Berater Pat Cipollone ist vorgeladen worden, um über die Ereignisse auszusagen.
Der Sprecher im Nachrichten-Clip ab 10.14 Minute wertet das Ganze als einen «aggressiven Schritt» der Behörde. Unklar sei bloss, um welche Untersuchung es gehe: die zum Sturm aufs Kapitol oder diejenige, die das Aufstellen falscher Wahlleute klären soll.