Late Night USATrumps Kandidatur als «Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte»
Von Philipp Dahm
21.7.2022
Das Komitee, das die Vorfälle am Kapitol am 6. Januar untersucht, entlarvt Donald Trump immer deutlicher als Strippenzieher eines versuchten Coups. Eine erneute Kandidatur könnte für ihn ein rechtlicher Ausweg sein.
Von Philipp Dahm
21.07.2022, 17:22
Philipp Dahm
«Bisher hat uns ja Komitee zum 6. Januar mit reichlich Beweisen dafür versorgt, dass [Donald] Trump und seine Gang von merkwürdig geformten Idioten verschiedene Straftaten begangen haben», beginnt Seth Meyers seinen «Closer Look». Es sei ja eigentlich offensichtlich gewesen durch den Sturm an sich, doch es kämen immer neue Details heraus.
«Es ist, als würdest du den Angestellten von [der Fastfood-Kette] Dairy Queen mit heruntergelassenen Hosen und bedeckt von Glacè sehen. Du denkst: ‹Steckt Chad seinen Schwengel in die Softice-Maschine?› Und dann findest du eine detaillierte Notiz auf seinem Laptop mit dem Titel ‹Chads Sechs-Punkte-Plan, um Schwengel in die Softice-Macsine zu stecken› – und du bist dir sicher.»
Auch im Justizministerium sei man verblüfft, und es werde immer lauter darüber diskutiert, ob Trump ein Verbrechen begangen hat, so Meyers. Besonders die Aussage von Cassidy Hitchinson, der früheren Assistentin von Stabschef Mark Meadows, hat offenbar zu einem Umdenken bei General-Staatsanwalt Merrick Garland und seinen Kollegen geführt.
«Ihr kommt erst jetzt auf die Idee, über Trump zu diskutieren?», fragt Meyers etwas ungläubig. «Ihr seid sechs Jahre zu spät. Und Trump hat offensichtlich Angst vor den verschiedenen Untersuchungen zum 6. Januar. Das ist angeblich einer der Gründe, warum er wohl wieder antreten wird, was er bald ankündigen will.» Als Kandidat oder Präsident werde er nicht eingesperrt, so das Kalkül.
«Wählt mich oder ich muss ins Gefängnis»
Im Clip ab 1.53 Minute berichtet ein Nachrichtensprecher, der Ex-Präsident verbreite, dass er wieder antreten werde – als «ultimative Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte». Seine Mitarbeiter würden über Trumps «Sorgen wegen der Strafverfolgung» reden, weil eine ganze Reihe möglicher Taten untersucht würden – etwa in den Bundesstaaten Georgia und New York oder New York City.
Late Night USA – Amerika verstehen
Blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
«Es ist ziemlich erstaunlich, dass Trumps Wahlkampfslogan 2016 ‹Sperrt [Hillary Clinton] ein› war. 2024 wird er ‹Wählt mich oder ich muss ins Gefängnis› sein», feixt der Moderator.
Trump glaube also, eine Kandidatur könnte ihn vor den Ermittlern schützen. Und er weiss laut Meyers, dass ohne ihn keines der mutmasslichen Verbrechen stattgefunden hätte. «Er ist die Nummer eins. Selbst wenn einer seiner Idioten auf seine Anweisung hin das Gesetz gebrochen hätte, fällt das auch auf ihn zurück.» Ohne ihn hätten die Leute nicht den Plan geschmiedet, die Wahl zu manipulieren. «Ein Plan, der zu diesem Zeitpunkt vom Komitee in schmerzhaften Details nachgezeichnet worden ist.»
Spinner und andere Spinner finden sich»
Der nächste Clip wird eingespielt: Ab 4.21 Minute spricht der MSNBC-Sprecher darüber, wie rigoros das Komitee darauf abziele, Donald Trump eine «ultimative Strafbarkeit» nachzuweisen.
«Er war es, der diese anscheinend beliebigen Leute heraus gepflückt hat – von Sydney Powell, einer früheren Staatsanwältin, die jetzt Verschwörungstheorien verbreitet, über den rechten Kissen-Verkäufer [Mike Lindell] und Jeffrey Clark, einem beliebigen Untergeordneten, der im Justizministerium Umweltrecht vertritt, bis zu John Eastman, einem weiteren beliebigen, rechten Rechtsprofessor, der das berüchtigte Coup-Memo geschrieben hat», berichtet der Sprecher.
Dieses Team habe der 76-Jährige zusammengestellt, «um die amerikanische Demokratie zu beenden». Diese Truppe habe sich vorher nicht gekannt. «Es war Trump, der sie zusammengebracht hat.» Meyers kalauert: «So eine Crew stellst du für ‹Ocean's Eleven› zusammen, wenn das Ziel ist, erwischt zu werden.» Dass sich das Team nicht kannte, kann der Gastgeber aber nicht glauben. «Spinner und andere Spinner finden sich.»
«Kein funktionierendes Rechtssystem»?
Den Traum, doch noch einen Wahlbetrug nachweisen zu können, hat dieses Team noch nicht aufgegeben. So wie Mike Lindell – zu sehen im Clip ab Minute 7.17: «Ich werde mir die Beweise ansehen», tönt der MyPillow-Chef beim rechten Sender «Real America's Voices». «Am 21. Juli werde ich ein Flugzeug voller Anwälte, Cyber-Typen und Experten nach Arizona fliegen, um auszusagen.»
«‹Cyber-Typen› hört sich an wie das, was dein Vater über die ‹Transformers› sagt», lacht Meyers und ahmt nach: «Weisst du, falls du mal keine Lust mehr hast, deinen Cyber-Typen zuzugucken: Das Gras draussen wird auch nicht kürzer.»
Doch Spass beiseite: «Die direkte, fundamentale Frage im Herzen dieser Anhörungen und im Herzen unserer momentanen Politik ist, ob wir eine Nation von Gesetzen sind. Wenn Trump sich seiner Verantwortung für den kriminellen Plan, die Regierung zu stürzen, einfach entziehen kann, indem er für die Präsidentschaft kandidiert und sich dadurch als unantastbar erklärt, haben wir kein funktionierendes Rechtssystem mehr.»