Experten zum Trump-Prozess «Sonst läuft die US-Demokratie Gefahr, massiven Schaden zu nehmen»

Von Jan-Niklas Jäger

31.3.2023

Nach Anklage: Trump könnte sich kommende Woche stellen

Nach Anklage: Trump könnte sich kommende Woche stellen

Nach der Anklage gegen ihn soll sich der ehemalige US-Präsident Donald Trump Medien zufolge voraussichtlich in der kommenden Woche der Justiz in New York stellen.

31.03.2023

Donald Trump hinter Gittern? Noch nie zuvor ist ein ehemaliger US-Präsident strafrechtlich verfolgt worden. Doch der Republikaner könnte auch unbeschadet aus der Affäre hervorgehen.

Von Jan-Niklas Jäger

31.3.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Laut Experten wird die Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ihm dabei helfen, seinen Ruf als Opfer einer «Hexenjagd» unter seiner Anhängerschaft zu zementieren.
  • Unentschiedene Wähler*innen – die politische Mitte – könnten von einer Verurteilung Trumps aber abgeschreckt werden. Schliesslich sei die Legitimität der Gerichte immer noch weitgehend intakt.
  • Ein Freispruch würde hingegen Trumps Narrativ stärken, gegen sämtliche Anfeindungsversuche seiner Gegner*innen immun zu sein.

Nun ist es offiziell: Im Zusammenhang mit seinen Schweigegeld-Zahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels und möglicherweise auch an das Model Karen McDougal wird Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump erhoben.

Das Geld dafür soll Trumps Anwalt Michael Cohen kurz vor der Präsidentschaftswahl 2016 überwiesen und dann von der Trump Organization zurückerstattet bekommen haben.

Damit könnte ein Verstoss gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung vorliegen, denn die Rückzahlung wurde als Anwaltskosten deklariert. Das könnte als Fälschung von Unternehmensdokumenten ausgelegt werden. Trump wäre der erste ehemalige US-Präsident, der strafrechtlich für einen Gesetzesverstoss belangt wird.

«Ein politisch heikler Präzedenzfall»

«Dass eine Grand Jury in Manhattan den ehemaligen Präsidenten angeklat hat, ist ein politisch heikler Präzendenzfall», sagt der USA-Experte Josef Braml, Autor des Buches «Die transatlantische Illusion». Dieser Präzdenzfall könne «möglicherweise dramatische politische Konsequenzen» haben.

«Wir wissen noch gar nicht, was genau die Anklage ist, aber es sieht so aus, als ob er Geschäftsunterlagen gefälscht hat und Ausgaben nicht so deklariert hat, wie er es unter den Bedingungen der New Yorker Gesetzgebung hätte deklarieren müssen», sagt der Experte Volker Depkat von der Uni Regensburg.

Hohe Massstäbe

Doch bis zu einer Verurteilung ist es noch ein langer Weg: «Die Staatsanwaltschaft für den District Manhattan muss jetzt Vorsatz nachweisen», betont Depkat. Und das könnte sich als schwierig erweisen.

«Bei einer politisch heiklen Strafverfolgung eines ehemaligen Präsidenten, der für eine weitere Amtszeit kandidiert, sind höhere Massstäbe anzusetzen», sagt Braml. «Sonst läuft die US-Demokratie Gefahr, massiven Schaden zu nehmen.»

Angesichts der ohnehin polarisierten US-Gesellschaft sei der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan «gut beraten, neue, auch die US-Bevölkerung überzeugende Beweise für eine schwere Straftat vorzulegen, wenn er einen sieben Jahre alten Fall wiederbelebt, auf den die Bundesstaatsanwälte nicht reagieren wollten».

Trump könnte profitieren

Doch wie wirkt sich die Anklage auf die breite Öffentlichkeit aus? Ist der ehemalige Präsident damit wirklich diskreditiert oder kann er am Ende doch politischen Nutzen daraus schlagen?

«Die meisten Amerikaner haben sich ihre Meinung zu Trump fest gebildet, da bewegt sich nicht mehr viel», sagt USA-Experte Thomas Greven von der Freien Universität Berlin. «Bei seiner Basis stärkt ihn die angebliche ‹Hexenjagd›, doch die Mehrheit der Amerikaner will das Kapitel Trump endlich abschliessen.» Das gelinge jedoch nicht immer, denn Trump beherrscht immer noch die Schlagzeilen.

«In den Vorwahlen hilft ihm die angebliche Hexenjagd, weil er sich als Opfer stilisieren kann», so Greven weiter. «Ein Freispruch würde ihn darin bestärken, sich als verfolgte Unschuld zu sehen und seinen Unterstützern Argumente liefern.»

Dass es möglicherweise zu weiteren Anklagen kommt, könne Trump sogar helfen, denn so «kann er beide Linien gleichzeitig verfolgen»: als Opfer des Establishments und als Sieger über dasselbe.

Trumps Basis «geschrumpft, aber treu»

Depkat sieht Trumps Einfluss innerhalb der Republikanischen Partei als weitgehend ungebrochen an: «Das mag sich abgeschwächt haben im Vergleich zu seiner Präsidentschaft, aber er ist immer noch eine starke Figur innerhalb der Republikanischen Partei und die Idee, dass er diese Partei erfolgreich gekidnappt hat, hat weiterhin Gültigkeit.»

Greven sieht Trumps Basis zwar als «geschrumpft, ihm aber treu ergeben» an. Diese Treue beziehe sich mehr auf die Person Trump als auf seine Partei. «Es gelingt der Partei auch weiterhin nicht, sich von Trump zu distanzieren, weil dieser glaubwürdig drohen kann, in Vorwahlen Gegenkandidaten zu unterstützen oder eine unabhängige Kandidatur zu versuchen, wenn er die Vorwahlen nicht gewinnt.»

Kein Ende des Trumpismus in Sicht

Vom Trumpismus sei die Partei ohnehin nicht befreit. Denn auch Trumps grösster Widersacher, Florida Gouverneur Ron DeSantis, wolle diesen lediglich beerben.

Gut dastehen wird Trump während des Verfahrens wahrscheinlich eher nicht. «Das wird Bilder produzieren, die kein Politiker haben will», sagt Depkat: «Trump, der seine Fingerabdrücke abgeben muss oder Trump, der sich, wie man es von Steckbriefen kennt, polizeilich fotografieren lassen muss.»

Allerdings sei der ehemalige Präsident auch gut darin, Bilder zu produzieren, die sein «Narrativ vom Aussenseiter, der von der Washingtoner Elite kleingehalten wird» bedienen. «Das kann auch alles in diese Richtung gehen.»

Wie reagieren die Unentschiedenen?

«Entscheidend ist die bislang indifferente Mitte», sagt Depkat. «Es kann sein, dass ein rechtsgültiges Urteil dazu führt, dass viele der Unentschiedenen dann doch sagen werden, einen verurteilten Verbrecher wollen wir nicht mehr in politischen Ämtern sehen.»

Doch wie genau ebendiese Mitte auf die Anklage reagieren wird, sei schwer zu sagen. «Das ist auch eine Manifestation der Spaltung, dass das in die eine oder andere Richtung gehen kann», so Depkat weiter.

Obwohl ein strafrechtlich relevanter Vorwurf gerichtlich geklärt wird, bestehe die Möglichkeit, dass das Verfahren ebenfalls «in der Polarisierung» landet, wie der Experte anfügt. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied etwa zu den Impeachment-Verfahren, die Trump unbeschadet überstanden hat, denn diese sind «den politischen Mehrheiten im Kongress verpflichtet».

Legitimität der Gerichte intakt

In einem solchen Impeachment-Verfahren ist es der Kongress, der darüber abstimmt, ob ein Präsident Amtsmissbrauch begangen hat: «Das reicht maximal bis zur Amtsenthebung und sagt nichts zum kriminellen Gehalt der Vergehen.»

Doch wenn jetzt «ein Gericht feststellen sollte, dass Trump wirtschaftskriminelle Taten begangen hat, hat das eine andere Wertigkeit», so Depkat. «Die Integrität und Legitimität von Gerichten scheint mir nach wie vor zu funktionieren und anerkannt zu sein.»

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Es mache eben einen Unterschied, dass in diesem Fall eine Jury aus «Geschworenen, die aus der Gesellschaft kommen» über den Fall entscheiden wird. «Es ist ja buchstäblich die Gesellschaft, die da auf der Geschworenenbank sitzt und da kann man nicht so einfach die Geschichte erzählen, dass das die Demokraten seien, die Trump verfolgen wollen.»

«Ein Freispruch würde Trumps Pose weiter verschärfen»

Sollte der Republikaner hingegen freigesprochen werden, würde das sein Narrativ stärken, er sei «praktisch immun» gegen Anfeindungen seiner Gegner. «Er hat ja auch mal gesagt, er könnte auf der 5th Avenue in New York jemanden erschiessen und damit davonkommen», fügt Depkat hinzu. «Ein Freispruch würde diese Pose noch weiter verschärfen.»

«An den Einstellungen zu Trump wird das Verfahren und das Urteil vermutlich wenig ändern, egal wie es ausfällt», sagt Thomas Greven von der FU Berlin. «Aber es steht zu befürchten, dass die Trump-Anhänger sich weiter Richtung Extremismus und Gewaltbereitschaft bewegen.» Sie haben auch den nötigen Drive dazu: «Sie sind nach wie vor die motiviertesten Akteure in der amerikanischen politischen Landschaft.»

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