Mobile Krematorien Laut Bürgermeister schon mehr als 10'000 tote Zivilisten in Mariupol

dpa

12.4.2022 - 05:02

Wadym Boitschenko wirft den Russen vor, mit mobilen Krematorien Leichen in Mariupol zu verbrennen. Die russischen Soldaten würden humanitäre Korridore in die Stadt blockieren, um das Massaker an Zivilisten zu vertuschen.

In der seit mehr als einem Monat von russischen Truppen belagerten ukrainischen Stadt Mariupol sind nach Angaben des Bürgermeisters mittlerweile bereits mehr als 10'000 Zivilisten getötet worden. Wadym Boitschenko nannte die Zahl am Montag in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AP. Die Strassen der Stadt seien nach wie vor bedeckt mit Leichen, sagte er. Es könnten also auch mehr als 20'000 Tote sein.

Erst am vergangenen Mittwoch hatte Boitschenko die Zahl der Toten in seiner Stadt mit mehr als 5000 beziffert. Unabhängig konnten seine Angaben nicht überprüft werden. In Mariupol hat es einige der brutalsten Angriffe Russlands in der Ukraine gegeben.

Boitschenko sagte, die russischen Soldaten hätten mobile Krematorien mitgebracht, mit denen sie Leichen verschwinden lassen würden. Bei den Krematorien handele es sich um Lastwagen. «Man macht ihn auf und drinnen ist ein Rohr und die Leichen werden verbrannt», sagte Boitschenko. Russen hätten Leichen zu einem grossen Einkaufszentrum gebracht, wo sie gelagert und gekühlt werden könnten, sagte er.

Russen wird Vertuschung von Massaker vorgeworfen

Der Bürgermeister warf den Russen vor, humanitäre Korridore in die Hafenstadt zu blockieren, um das Massaker an Zivilisten in Mariupol zu vertuschen. Rund 120'000 Zivilisten in der Stadt seien dringend auf Essen, Wasser, Wärme und Kommunikationsmittel angewiesen. Aus Mariupol komme nur heraus, wer «Filtrierungscamps» der Russen passiert habe, sagte Boitschenko. Menschen, die von Russland nicht durchgelassen würden, drohten provisorische Gefängnisse. Mindestens 33 000 Menschen seien nach Russland oder in Separatistengegenden in der Ukraine gebracht worden.

Eine bei russischen Angriffen zerstörte Geburtsklinik in Mariupol. (9. März 2022)
Eine bei russischen Angriffen zerstörte Geburtsklinik in Mariupol. (9. März 2022)
Bild: Keystone/AP Photo/Evgeniy Maloletka

Ukrainische Vertreter haben russischen Soldaten vorgeworfen, Ukrainern ihre Pässe abzunehmen, sie in «Filtrierungscamps» in dem von prorussischen Separatisten kontrollierten Osten der Ukraine zu schicken und sie dann in arme Gegenden in Russland zu schicken.

Boitschenko befand sich beim Telefonat mit der AP an einem Ort ausserhalb Mariupols auf Gebiet, das von den ukrainischen Truppen kontrolliert wird. Für seine Angaben zur Verbrennung von Leichen durch russische Soldaten habe er mehrere Quellen, sagte Boitschenko. Er nannte aber wenige weitere Details.

Ukraine und Westen: Russland begeht Kriegsverbrechen

Die Ukraine und der Westen haben Russland vorgeworfen, Kriegsverbrechen in der Ukraine zu begehen. Nach dem Rückzug russischer Soldaten aus Städten in der Gegend von Kiew waren zahlreiche Leichen von offenbar hingerichteten Zivilisten gefunden worden. In Butscha wurden am Montag Leichen aus einem Massengrab bei einer Kirche exhumiert.

Der Chef der Separatisten-Regierung in Donezk in der Ostukraine, Denis Puschilin, behauptete, die ukrainische Regierung habe die Kontrolle über den Hafen von Mariupol verloren. Der Hafen befinde sich jetzt unter der Kontrolle der Separatisten, sagte Puschilin dem russischen Staatsfernsehen, wie russische Nachrichtenagenturen meldeten. Die Aussage konnte zunächst nicht bestätigt werden.

Boitschenko sagte, es werde weiter im Hafen gekämpft.

dpa