Drohnenangriff in AfghanistanUSA töten Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri
Von Christiane Jacke, Arne Bänsch, Can Merey und Jan Kuhlmann, dpa
2.8.2022 - 05:01
2011 brachten die USA Al-Kaida-Chef Bin Laden zur Strecke, nun dessen Nachfolger Al-Sawahiri. Ein Drohnenangriff tötet den Top-Terroristen in Afghanistan. Was US-Präsident Biden als Erfolg preist, wirft auch unangenehme Fragen auf.
02.08.2022, 05:01
02.08.2022, 08:40
Von Christiane Jacke, Arne Bänsch, Can Merey und Jan Kuhlmann, dpa
Mit einem gezielten Drohnenangriff in Afghanistan haben die USA den Anführer des Terrornetzwerks Al-Kaida, Aiman al-Sawahiri, getötet. US-Präsident Joe Biden verkündete in Washington, Al-Sawahiri sei am Wochenende bei einem «Präzisionsschlag» in der afghanischen Hauptstadt Kabul ums Leben gekommen. Zivile Opfer habe es nicht gegeben. Jahrzehntelang sei Al-Sawahiri Drahtzieher von Anschlägen auf US-Amerikaner gewesen, er habe eine Schlüsselrolle bei diversen Terrorangriffen gespielt, sagte Biden. «Jetzt wurde der Gerechtigkeit Genüge getan. Und diesen Terroristenführer gibt es nicht mehr.»
Biden äusserte sich bei einem kurzfristig anberaumten Auftritt auf einem Balkon des Weissen Hauses persönlich zu dem Schlag gegen die Terrorgruppe – trotz Corona. Der Präsident befindet sich derzeit wegen einer Infektion mit dem Virus in Isolation. Biden sagte, der Schlag gegen Al-Sawahiri sei ein Zeichen für die Entschlossenheit und die Fähigkeiten der Amerikaner im Kampf gegen den Terror.
Nachfolger von Osama bin Laden
Al-Sawahiri war Nachfolger von Osama bin Laden, der als Kopf der verheerenden Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA galt. Bin Laden war 2011 in Pakistan bei einem aufsehenenerregenden Einsatz von einer US-Spezialeinheit getötet worden. Nun schalteten die Amerikaner auch dessen Nachfolger aus – aber geräuschloser, per Fernsteuerung quasi. Nach Angaben der Regierung in Washington waren für den Schlag gegen ihn keine amerikanischen Kräfte in Kabul.
Eine ranghohe Vertreterin der US-Regierung sagte, die Attacke auf Al-Sawahiri sei über Monate vorbereitet worden. Man habe ihn in einem Unterschlupf in Kabul aufgespürt. Dort sei er am Samstagabend Ortszeit schliesslich getötet worden, als er auf den Balkon des Hauses getreten sei. Keiner von Al-Sawahiris Familienangehörigen, die sich mit ihm in dem Haus aufgehalten hätten, sei verletzt worden.
Als langjährige Nummer zwei von Al-Kaida war der Ägypter 2011 nach dem Tod Bin Ladens an die Spitze des Terrornetzwerks aufgerückt. Schon vorher hatte sich der gelernte Arzt aus Kairo den Spitznamen «Terror-Doktor» erworben. Allerdings gelang es ihm nie, unter den Dschihadisten das ikonenhafte Ansehen seines Vorgängers zu erreichen.
Operation Neptune Spear – die Tötung Osama bin Ladens
Osama bin Laden auf einem Foto aus Afghanistan von 1988 – er hat die Terrororganisation Al Qaida gegründet und ist für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich. Seither ist er auf der Flucht vor der Rache von Uncle Sam. Jahrelang kann er sich ...
Bild: Keystone
... vor seinen Häschern im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan verstecken, obwohl er der wohl meistgesuchte Mann in der US-Geschichte ist. Das Foto ist aus dem Jahr 1998: Seit diesem Jahr benutzte der Terrorist keine Telefone mehr.
Bild: Keystone
Die CIA kam bin Laden durch seinen Kurier auf die Schliche, der Abu Ahmed al-Kuwaiti hiess. Seine Stimme konnte identifiziert werden. Sein Aufenthaltsort: dieses Haus in Abbottabad in Pakistan.
Bild: Keystone
Der US-Geheimdienst begann, das Haus zu überwachen, in dem sich vor allem al-Kuwaiti und seine Familie aufhielten, aber aus dem zuweilen auch ein Mann in den Hof trat, den die Amerikaner «Pacer» tauften.
Bild: Keystone
War «Pacer» der meistgesuchte Mann der Welt? Die Berater von Barack Obama haben dem US-Präsidenten einen Luftangriff empfohlen, doch Sicherheit hätte das Weisse Haus nur beim Einsatz eines Kommandos.
Bild: Keystone
Obama gab grünes Licht für die Operation Netune Spear – dieses Bild aus dem «Situation Room» des Weissen Hauses geht später um die Welt. Vize Joe Biden und Präsident Obama (von links) schauen gebannt zu, als sie laufend über den Einsatz informiert werden.
Bild: Keystone
Für die Aktion mussten die beteiligten Soldaten vorübergehend aus der Armee aus- und in die CIA eintreten, weil sich die USA nicht im Krieg mit Pakistan befunden haben. Kommando-Einheiten der Navy Seals (im Archivbild zu sehen) meldeten sich freiwillig.
Bild: Keystone
Zwei hochmoderne Helikopter mit Tarneigenschaften sollten die Soldaten ins Ziel bringen, während sich zwei Chinook-Helikopter als Unterstützung im Hintergrund bereit hielten. Das Kommando flog im Schutze der Dunkelheit das Ziel an, ...
Bild: WikiCommons/Yuvalnato
... wobei einer der beiden Helikopter kurz vor dem Gebäude abstürzte. Die Soldaten blieben aber unverletzt, drangen von zwei Seiten auf das Haus vor und dann in das Gebäude ein.
Bild: Symbobild: US Navy
Die Spezialeinheit tötet im unteren Stockwerken Kurier al-Kuwaiti, seinen Bruder Abrar und dessen Frau Bushra. Als sie in den zweiten Stock hinaufgehen, erwischen sie Osama bin Ladens Sohn Khalid und sprengen sich den Weg ...
Bild: Keystone
... in den dritten Stock frei, wo sich der Gesuchte und zwei Frauen versteckt haben. Die Frauen werden beiseite gestossen, bevor der US-Soldat Robert J. O'Neill, bin Laden mit zwei Kopfschüssen liquidiert.
Bild: Keystone
Die Seals meldeten am 2. Mai 2011: «Für Gott und Vaterland – Geronimo, Geronimo, Geronimo.» Möglicherweise war Geronimo der Codename für bin Laden, doch diese These ist umstritten. Als die Soldaten um Bestätigung gebeten werden, antworten sie: «Geronimo – EKIA» (enemy killed in action).
Bild: Symboldbild: Keystone
Der grösste Feind der USA ist tot: Barack Obama schüttelte Admiral Mike Mullen die Hand. Aussenministerin Hillary Clinton schaut zu. Den Leichnam nimmt das Kommando mit. Er wird später ...
Bild: Keystone
... eingeäschert, doch kein Land will seine sterblichen Überreste übernehmen. Auch seine Heimat Saudi-Arabien nicht. Seine Asche wird schliesslich nach muslimischem Ritual keine 24 Stunden nach seinem Tod vom Flugzeugträger USS Carl Vinson aus im Arabischen Meer verstreut.
Bild: Keystone
Ein indischer Zeitungsstand am 3. Mai: Die Nachricht vom Tod des Terroristen schlug ein wie eine Bombe.
Bild: Keystone
Die «Times» erschien am 5 Mai 2011 in einer Aufmachung wie schon beim Tod von Adolf Hitler oder Saddam Hussein.
Bild: Keystone
Während die Öffentlichkeit in den USA noch am 2. Mai in frenetischen Jubel ausbrach ...
Bild: Keystone
... und erleichtert aufatmete, ...
Bild: Keystone
... sorgte der Einsatz in Pakistan ...
Bild: Keystone
... oder Ägypten für Demonstrationen gegen die USA:
Bild: Keystone
Die pakistanische Armee transportiert Teile des abgestürzten Helikopters ab: Es ist unklar, ob der pakistanische Geheimdienst über den Angriff Bescheid wusste. Die Regierung erfuhr jedenfalls erst später vom Einsatz.
Bild: Keystone
Das Haus, in dem bin Laden sein Leben liess, wurde 2012 abgerissen.
Bild: Keystone
Eines der letzten Fotos von bin Laden zeigt den Terroristen in seinem Unterschlupf wenige Tage vor seinem Tod am 2. Mai 2011. Er wurde 54 Jahre alt.
Bild: Keystone
Operation Neptune Spear – die Tötung Osama bin Ladens
Osama bin Laden auf einem Foto aus Afghanistan von 1988 – er hat die Terrororganisation Al Qaida gegründet und ist für die Anschläge vom 11. September 2001 verantwortlich. Seither ist er auf der Flucht vor der Rache von Uncle Sam. Jahrelang kann er sich ...
Bild: Keystone
... vor seinen Häschern im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan verstecken, obwohl er der wohl meistgesuchte Mann in der US-Geschichte ist. Das Foto ist aus dem Jahr 1998: Seit diesem Jahr benutzte der Terrorist keine Telefone mehr.
Bild: Keystone
Die CIA kam bin Laden durch seinen Kurier auf die Schliche, der Abu Ahmed al-Kuwaiti hiess. Seine Stimme konnte identifiziert werden. Sein Aufenthaltsort: dieses Haus in Abbottabad in Pakistan.
Bild: Keystone
Der US-Geheimdienst begann, das Haus zu überwachen, in dem sich vor allem al-Kuwaiti und seine Familie aufhielten, aber aus dem zuweilen auch ein Mann in den Hof trat, den die Amerikaner «Pacer» tauften.
Bild: Keystone
War «Pacer» der meistgesuchte Mann der Welt? Die Berater von Barack Obama haben dem US-Präsidenten einen Luftangriff empfohlen, doch Sicherheit hätte das Weisse Haus nur beim Einsatz eines Kommandos.
Bild: Keystone
Obama gab grünes Licht für die Operation Netune Spear – dieses Bild aus dem «Situation Room» des Weissen Hauses geht später um die Welt. Vize Joe Biden und Präsident Obama (von links) schauen gebannt zu, als sie laufend über den Einsatz informiert werden.
Bild: Keystone
Für die Aktion mussten die beteiligten Soldaten vorübergehend aus der Armee aus- und in die CIA eintreten, weil sich die USA nicht im Krieg mit Pakistan befunden haben. Kommando-Einheiten der Navy Seals (im Archivbild zu sehen) meldeten sich freiwillig.
Bild: Keystone
Zwei hochmoderne Helikopter mit Tarneigenschaften sollten die Soldaten ins Ziel bringen, während sich zwei Chinook-Helikopter als Unterstützung im Hintergrund bereit hielten. Das Kommando flog im Schutze der Dunkelheit das Ziel an, ...
Bild: WikiCommons/Yuvalnato
... wobei einer der beiden Helikopter kurz vor dem Gebäude abstürzte. Die Soldaten blieben aber unverletzt, drangen von zwei Seiten auf das Haus vor und dann in das Gebäude ein.
Bild: Symbobild: US Navy
Die Spezialeinheit tötet im unteren Stockwerken Kurier al-Kuwaiti, seinen Bruder Abrar und dessen Frau Bushra. Als sie in den zweiten Stock hinaufgehen, erwischen sie Osama bin Ladens Sohn Khalid und sprengen sich den Weg ...
Bild: Keystone
... in den dritten Stock frei, wo sich der Gesuchte und zwei Frauen versteckt haben. Die Frauen werden beiseite gestossen, bevor der US-Soldat Robert J. O'Neill, bin Laden mit zwei Kopfschüssen liquidiert.
Bild: Keystone
Die Seals meldeten am 2. Mai 2011: «Für Gott und Vaterland – Geronimo, Geronimo, Geronimo.» Möglicherweise war Geronimo der Codename für bin Laden, doch diese These ist umstritten. Als die Soldaten um Bestätigung gebeten werden, antworten sie: «Geronimo – EKIA» (enemy killed in action).
Bild: Symboldbild: Keystone
Der grösste Feind der USA ist tot: Barack Obama schüttelte Admiral Mike Mullen die Hand. Aussenministerin Hillary Clinton schaut zu. Den Leichnam nimmt das Kommando mit. Er wird später ...
Bild: Keystone
... eingeäschert, doch kein Land will seine sterblichen Überreste übernehmen. Auch seine Heimat Saudi-Arabien nicht. Seine Asche wird schliesslich nach muslimischem Ritual keine 24 Stunden nach seinem Tod vom Flugzeugträger USS Carl Vinson aus im Arabischen Meer verstreut.
Bild: Keystone
Ein indischer Zeitungsstand am 3. Mai: Die Nachricht vom Tod des Terroristen schlug ein wie eine Bombe.
Bild: Keystone
Die «Times» erschien am 5 Mai 2011 in einer Aufmachung wie schon beim Tod von Adolf Hitler oder Saddam Hussein.
Bild: Keystone
Während die Öffentlichkeit in den USA noch am 2. Mai in frenetischen Jubel ausbrach ...
Bild: Keystone
... und erleichtert aufatmete, ...
Bild: Keystone
... sorgte der Einsatz in Pakistan ...
Bild: Keystone
... oder Ägypten für Demonstrationen gegen die USA:
Bild: Keystone
Die pakistanische Armee transportiert Teile des abgestürzten Helikopters ab: Es ist unklar, ob der pakistanische Geheimdienst über den Angriff Bescheid wusste. Die Regierung erfuhr jedenfalls erst später vom Einsatz.
Bild: Keystone
Das Haus, in dem bin Laden sein Leben liess, wurde 2012 abgerissen.
Bild: Keystone
Eines der letzten Fotos von bin Laden zeigt den Terroristen in seinem Unterschlupf wenige Tage vor seinem Tod am 2. Mai 2011. Er wurde 54 Jahre alt.
Bild: Keystone
Tötung kam überraschend
Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Al-Sawahiri im vergangenen September – genau 20 Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. In einer Videobotschaft rief er seine Anhänger damals auf, die Staaten im Westen und ihre Verbündeten im Nahen Osten zu bekämpfen. In den Jahren davor hatte es unbestätigte Gerüchte über seinen Tod gegeben. Sein genauer Aufenthaltsort war unbekannt. Experten hatten zuletzt vermutet, dass sich Al-Sawahiri im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan versteckt.
Die USA hatten ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar (rund 24,4 Millionen Euro) auf ihn ausgesetzt. Seine Tötung kam nun überraschend – kurz vor dem ersten Jahrestag des Truppenabzugs aus Afghanistan.
Die USA hatten vor knapp einem Jahr, Ende August 2021, alle Soldaten aus Afghanistan abgezogen und damit den internationalen Militäreinsatz in dem Land nach fast 20 Jahren beendet. Die Taliban hatten kurz zuvor die Macht in Kabul übernommen. Der internationale Abzug wurde durch ihren rasanten Eroberungsfeldzug erschwert und gestaltete sich chaotisch. Insgesamt stiess der Afghanistan-Abzug der Amerikaner international auf viel Kritik und Unverständnis. Biden, der wegen des Debakels unter Druck geriet, hatte damals versprochen, den Kampf gegen den Terrorismus in der Region nicht aufzugeben.
Der US-Präsident wertete Al-Sawahiris Tod nun als Beleg dafür, dass es auch ohne Tausende Soldaten auf afghanischem Boden möglich sei, Amerika vor Terroristen zu schützen. Der Schlag gegen Al-Sawahiri sei ausserdem eine Botschaft an andere: «Egal, wie lange es dauert, egal, wo ihr euch versteckt: Wenn ihr eine Bedrohung für unser Volk seid, werden die Vereinigten Staaten euch finden und euch ausschalten.»
Die Tatsache, dass sich Al-Sawahiri in Afghanistan versteckte, wirft zugleich unangenehme Fragen dazu auf, was der dortige Krieg gegen den Terror gebracht hat: Ein 20 Jahre langer Militäreinsatz, der Unsummen verschlang und Zehntausenden das Leben kostete – und der begann, weil das Land Al-Kaida-Terroristen Unterschlupf gewährt hatte.
Die US-Regierungsvertreterin sagte, amerikanischen Erkenntnissen zufolge hätten Mitglieder der aktuellen Taliban-Führung gewusst, dass sich der Al-Kaida-Chef in der afghanischen Hauptstadt aufhielt. Sie hätten damit klar gegen Vereinbarungen mit den USA verstossen. In einem Abkommen mit den USA hatten die Taliban im Gegenzug für den Abzug internationaler Truppen unter anderem zugesichert, dass von Afghanistan keine Terrorgefahr durch andere Gruppen wie Al-Kaida mehr ausgehen werde. Die Taliban werteten den Drohnenangriff der Amerikaner nun aber ihrerseits als Bruch des Abkommens – auch wenn für die Aktion keine Soldaten auf afghanischem Boden waren.
Der UN-Sicherheitsrat hat immer wieder über enge Beziehungen zwischen Al-Kaida und den Taliban berichtet. Al-Kaida musste in den vergangenen Jahren Rückschläge einstecken. Experten argumentierten jedoch, dass ihr Fokus auf globalen Terror weiter Gefahrenpotenzial habe. Und Beobachter sahen den Rückzug der westlichen Streitkräfte aus Afghanistan mit grosser Sorge und warnten davor, dass die Gruppe unter der Duldung der Taliban zu neuer Stärke kommen könnte. Wer nun die Führung Al-Kaidas übernehmen könnte, war zunächst unklar.
Von Christiane Jacke, Arne Bänsch, Can Merey und Jan Kuhlmann, dpa