Video zeigt Schützen auf dem Dach Deshalb übersah der Secret Service den Trump-Attentäter

jke

15.7.2024 - 20:35

Donald Trump wird von Agenten des US-Geheimdienstes Secret Service geschützt. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
Donald Trump wird von Agenten des US-Geheimdienstes Secret Service geschützt. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
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Weniger als 150 Meter entfernt von Donald Trump richtete sich der Attentäter seine Stellung auf einem Dach ein. Besucher*innen machten mit Schreien auf ihn aufmerksam. Die Polizei und der Secret Service müssen sich nun harten Fragen stellen.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Anschlag auf Donald Trump hat eine Welle der Kritik am Secret Service ausgelöst, der für den Schutz des ehemaligen US-Präsidenten verantwortlich war.
  • Ein ehemaliger Geheimdienstoffizier bezeichnete das Versäumnis des Secret Service, den Schützen auf dem Dach zu entdecken, als «grobes Versagen».
  • Der Attentäter positionierte sich 120 Meter von der Bühne entfernt auf einem Dach und eröffnete das Feuer zehn Minuten nach dem Beginn von Trumps Rede.
  • Obwohl die Scharfschützen des Secret Service den Angreifer schliesslich ausschalteten, wurde ein Zuschauer getötet und zwei weitere schwer verletzt.
  • Expert*innen kritisierten die Sicherheitsmassnahmen und forderten eine gründliche Untersuchung des Vorfalls.

Nach dem Anschlag auf den früheren US-Präsidenten Donald Trump braut sich ein Sturm über den Sicherheitskräften des Secret Service zusammen, die den republikanischen Kandidaten mit Unterstützung der Staatspolizei von Pennsylvania bei der Wahlveranstaltung in Butler, Pennsylvania, hätten schützen sollen. 

Matt Shoemaker, früherer Geheimdienstoffizier und republikanischer Politiker, bezeichnete den Vorfall gegenüber «Business Insider» als «grobes Versagen» der Personenschützer*innen. Es sei unglaublich, dass man einen mutmasslichen Schützen auf einem Dach habe übersehen können, der eine klare Schusslinie zum Podium gehabt habe.

Der Ablauf des Anschlagsversuchs wirft viele Fragen zum Sicherheitsdispositiv auf. Trump, eine der umstrittensten Figuren der amerikanischen Politik, polarisiert das Land stark. Die Verfügbarkeit von Schusswaffen in den USA erhöht die Gefahr solcher fatalen Vorfälle zusätzlich.

Scharfschütze positionierte sich 120 Meter entfernt

Zeug*innen und Behördenvertreter*innen rekonstruierten, dass der Schütze kurz nach Beginn von Trumps Rede mit einem halbautomatischen Sturmgewehr auf das Dach eines einstöckigen Gebäudes kletterte, etwa 120 Meter von der Rednerbühne entfernt.

Trump betrat die Bühne mit einer Stunde Verspätung und begann seine Rede über illegale Zuwanderung. Zehn Minuten später eröffnete der Attentäter das Feuer. Viele Anwesende hielten die Knallgeräusche zunächst für Feuerwerk.

Ein Schuss traf Trump am rechten Ohr und verletzte ihn leicht. Die Personenschützer*innen reagierten sofort, schirmten Trump ab und erwiderten das Feuer. Eine Kugel tötete jedoch einen Zuschauer hinter Trump, zwei weitere Personen wurden schwer verletzt.

«Ein Fehler in der Planung»

Die Scharfschütz*innen des Secret Service erwiderten das Feuer des Angreifers sofort und töteten ihn. Etwa eine Minute später standen Trump und seine Leibwächter*innen wieder auf. Der Präsidentschaftskandidat streckte mehrfach die Faust in die Höhe und wurde unter «USA»-Rufen des Publikums zu seiner Limousine begleitet.

Unterdessen zeigten Aufnahmen und Videos der Zuschauer*innen den leblosen Körper des Attentäters auf dem Dach des Gebäudes.

Der Gouverneur von Pennsylvania berichtet über den Ermittlungsstand nach dem Attentat auf Trump.
Der Gouverneur von Pennsylvania berichtet über den Ermittlungsstand nach dem Attentat auf Trump.
Sue Ogrocki/AP

Das Gebäude, auf dem sich der Schütze eingerichtet hatte, gehört der Firma «American Glass Research» und lag ausserhalb des Sicherheitsperimeters. Besucher*innen von Trumps Veranstaltungen müssen normalerweise eine Sicherheitskontrolle durchlaufen, doch dieses Gebäude blieb unbeachtet.

Der ehemalige FBI-Agent Steve Moore ist erstaunt: «Die Tatsache, dass jemand zuliess, dass dieses Dach unbeobachtet und unbewacht blieb, könnte ein Fehler in der Planung oder Ausführung gewesen sein.»

Republikaner kündigt Untersuchung an

Auch der pensionierte FBI-Agent Bobby Chacon zeigte sich überrascht, dass niemand das Dach bewachte, das er als «perfekten Aussichtspunkt» bezeichnete. «Dieses Gebäude ist das nächstgelegene mit einer klaren Sichtlinie zur Bühne. Ich bin schockiert, dass sie niemanden auf diesem Dach hatten», sagte Chacon zu CNN.

Das FBI wird die Untersuchung leiten und sich auf den Sicherheitsplan konzentrieren. Donald Mihalek, früherer Agent des Secret Service, erklärte dem «Wall Street Journal», dass Veranstaltungsorte normalerweise vorab inspiziert werden, um einen Sicherheitsplan zu erstellen. Freiluftveranstaltungen seien jedoch eine Herausforderung, da man nicht ganze Städte abriegeln könne.

Video zeigt Schützen auf dem Dach

Ein Teilnehmer der Veranstaltung berichtete dem britischen Fernsehsender BBC bereits am Samstagabend, dass er und andere Personen den Schützen gesehen hatten, wie er auf das Dach geklettert war – und zwar mehrere Minuten, bevor die Schüsse fielen.

Man habe deutlich erkennen können, dass der Mann bewaffnet war, und die Polizei darauf hingewiesen. Zudem habe man versucht, die Sicherheitskräfte, die mit Ferngläsern auf einem Scheunendach postiert waren und in Richtung des Publikums blickten, durch Gesten auf die Gefahr aufmerksam zu machen.

Videos auf Tiktok und X zeigen, wie Crooks unbehelligt auf dem Dach herumkroch. Besucher der Veranstaltung machten lautstark auf ihn aufmerksam. Ein Polizist soll laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AP daraufhin sogar auf das Dach geklettert, dann aber wieder umgekehrt sein.

Im toten Winkel der Agenten?

Neue Erkenntnisse zeigen nun, dass die Scharfschützenposition des Attentäters auf dem Dach offenbar weitgehend im toten Winkel der Secret-Service-Agenten lag.

FBI-Agent Moore geht ausserdem davon aus, dass der Secret Service nicht sofort schiessen konnte. Zu CNN sagte er: «Man kann nicht einfach sagen ‹Oh, da ist jemand auf dem Dach› und ihn erschiessen. Was sie tun müssen, ist schauen und warten, bis sie eine Waffe sehen. Das Problem ist, dass in diesem Bereich auf dem Dach eine Wand ihn verdeckt haben könnte.»

«Die Bösen müssen nur einmal Glück haben»

Moore ist sicher, dass es nach dem Trump-Attentat «drastische Änderungen» der Sicherheitsverfahren geben wird, einschliesslich der Erweiterung von Sicherheitszonen und der sorgfältigeren Sicherung von Veranstaltungsorten. «Der Secret Service muss jedes einzelne Mal perfekt sein. Die Bösen müssen nur einmal Glück haben oder richtig liegen», fasste Moore zusammen.

James Comer, Vorsitzender des House Oversight Committee, gab bekannt, dass eine Untersuchung zum Attentat eingeleitet wird. «Ich habe den Geheimdienst bereits um ein Briefing gebeten und fordere auch die Direktorin des Geheimdienstes auf, zu einer Anhörung zu erscheinen», erklärte Comer.

Secret-Service-Direktorin unter Beschuss

Der Anschlagsversuch auf den früheren Präsidenten Donald Trump hat nicht nur die Sicherheitslücken des Secret Service offenbart, sondern auch politische Konsequenzen nach sich gezogen. Mike Johnson, Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, kündigte auf der Nachrichtenplattform X eine umfassende Untersuchung an. Er betonte, dass die Vertreter der Sicherheitsdienste so bald wie möglich vor die parlamentarischen Ausschüsse geladen werden.

Im Zentrum der Kritik steht Kimberly Cheatle, seit 2022 Direktorin des Secret Service. Insbesondere in den sozialen Netzwerken wird sie stark angegriffen. Elon Musk, CEO von Tesla und Eigentümer der Nachrichtenplattform X, nutzte seine grosse Reichweite, um Cheatle ins Visier zu nehmen.

Donald Trump zufrieden mit Secret Service

Am Samstagabend gab Musk seine offizielle Unterstützung für Trumps Präsidentschaftskandidatur bekannt und kritisierte Cheatle scharf. «Bevor sie die Verantwortung für den Schutz des Präsidenten erhielt, hat sie also ‹Cheetos›-Packungen bewacht», schrieb Musk polemisch.

Cheatle, die vor ihrer dreijährigen Tätigkeit bei PepsiCo eine lange Karriere im Secret Service hatte, wird von vielen als erfahrener Profi geschätzt. Präsident Joe Biden, der sie 2022 als Direktorin zurück zum Sicherheitsdienst berief, lernte sie während seiner Zeit als Vizepräsident kennen, als sie Teil seines Schutzdispositivs war.

Klar ist: Der gescheiterte Anschlag auf Trump ist ein Albtraum für den Secret Service und wird Konsequenzen nach sich ziehen. Donald Trump hingegen sagte, dass der Secret Service «einen fantastischen Job gemacht» habe.

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