Osteuropäische Metropole Frech, alt, bunt – warum Sofia besonders ist

Jacqueline Rother, dpa

20.9.2019

In Osteuropa gibt es spannende Orte zu entdecken – zum Beispiel Sofia. Hier bekommt man nebst Überresten längst vergangener Sowjetzeiten auch liebevoll restaurierte Prunkbauten zu sehen. Und erst die Lage!

Der Schnittpunkt zweier Kulturkreise zieht sich mitten durch Sofia. Da ist der rustikale und nostalgische Charme des Ostens und gleichzeitig die entspannte Atmosphäre des Südens.

Diese Lage beschreibt auch die Mentalität Sofias, das zwar die Hauptstadt Bulgariens ist, im Vergleich zu den Küstenstädten des Landes wie Burgas und Warna aber wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Dabei gibt es hier eine besondere Mischung aus Vergangenem und Neuzeitlichem. Sofias Erscheinungsbild ist aus mehreren Epochen zusammengepuzzelt. Die Stadt ist reich an Geschichte, aber nicht auf eine prahlende oder aufdringliche Weise. Neben den Römern, haben auch die Osmanen und die Sowjetzeit ihr Erbe hinterlassen.

Wo die Mineralbrunnen sprudeln

Sofia ist eine der wenigen europäischen Hauptstädte, die nicht am Wasser liegen ­es gibt weder einen grösseren Fluss noch ein Meer in der Umgebung. Dafür gibt es hier Thermalwasser. Die unterirdischen heissen Quellen waren der Grund, warum die Römer einst genau hier, weit entfernt von Wasserstrassen, eine Stadt gebaut haben.

Ein Prachtsbau – die Alexander-Nevski-Kathedrale.
Ein Prachtsbau – die Alexander-Nevski-Kathedrale.
Bild: iStock

Die Mineralbrunnen sprudeln noch immer in der Stadt, für alle zugänglich. Einheimische füllen hier grosse Kanister mit dem gesunden mineralhaltigen Wasser.

Dass die Bewohner mit den Behältern durch die Stadt laufen, hat noch einen weiteren Grund: Bulgarien ist das ärmste EU-Land – und das ist auch in Sofia manchmal nicht zu übersehen. Das Preisniveau im Land ist niedrig. Restaurantbesuche oder Hotelzimmer sind im Vergleich zu Westeuropa doch erheblich günstiger.

Melancholie zwischen Wohngebäuden

Ein meterhohes, melancholisches Graffiti blitzt auf der Zar-Iwan-Schischman-Strasse zwischen Wohngebäuden hervor. Die urbane Kultur erzählt von den Träumen der Stadt: neben den alten Identitäten eine neue zu finden – für den Lebensabschnitt nach dem Kommunismus, der 1990 mit den ersten freien Wahlen begonnen hat. Seit 2007 ist Bulgarien Mitglied der Europäischen Union.


Neben grosser Geschichte ist Sofia auch voller kleiner Tücken: Schiefe Steine, Schlaglöcher und hervor ragende Metallstücke machen aus einem Spaziergang mitunter einen innerstädtischen Parcours. Auf der anderen Seite passen die holprigen Gehwege irgendwie zum Underdog-Image der Stadt. Man muss sie mögen, wie sie ist: frech, alt, bunt.

Wer, um nicht stürzen, häufig nach unten blickt, dem werden schnell die kleinen bunten halbhohen Läden in einigen Strassen auffallen. Die sogenannten Knieläden sind Überbleibsel aus der Zeit des Kommunismus und immer noch in Gebrauch. Vornehmlich bieten Schuster, Kioske oder Buchhändler ihre Dienste aus den Kellerfenstern heraus an.

Ein Schatten liegt in der Ferne

In Sofia ist von fast überall in der Ferne ein Schatten zu sehen: Das Witoschagebirge strahlt von weitem eine erhabene Ruhe in Richtung Stadt aus. Die Ausläufer reichen bis an die Stadtautobahn heran. Nur eine halbe Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln vom Zentrum entfernt liegen weite Berghänge und steile Aufstiege.



Ein Prachtbau ist die Aleksandar-Newski-Kathedrale mit ihren strahlenden Goldkuppeln. Ein Besuch lohnt, kurz bevor gegen 19 Uhr die Türen schliessen. Dann ist fast niemand mehr dort und die Atmosphäre mit den vielen Kerzen samtig schwer.

Dass in Sofia nicht nur die vorherrschende Religion der Bulgarisch-Orthodoxen ihren Platz hat, beweist das Viereck der religiösen Toleranz im Zentrum der Stadt – eine Gegend mit hoher Symbolkraft, eingerahmt von der Banja-Baschi-Moschee, der orthodoxen Kathedrale Sweta Nedelija, der Sofioter Synagoge und der katholischen Kathedrale St. Joseph. Eine seltene Zusammenkunft, auf die man hier sehr stolz ist und die exemplarisch für die Vielfalt Sofias steht.

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