Denkmal mit Rekordstatus Die älteste Umlaufseilbahn der Welt – und nicht zu stoppen

20.7.2020

Mit einer Seilbahn am Schwarzwaldberg Schauinsland wollte Freiburg vor 90 Jahren hoch hinaus. Zum erhofften Wirtschaftsmotor wurde die erste Umlaufseilbahn der Welt nicht. Aber sie ist immer noch gefragt.

Günter Voigt ist morgens der erste Passagier. Eine Stunde, bevor die Seilbahn öffnet, steigt er in eine der 37 Kabinen und macht sich auf den Weg. Verantwortlich ist er für die Sicherheit der Schauinslandbahn im Schwarzwald.

Diese ist keine gewöhnliche Seilbahn. Sie ist die älteste Umlaufseilbahn der Welt und die längste in Deutschland. In Betrieb ging sie vor 90 Jahren, am 17. Juli 1930. Zum alten Eisen gehört die Bahn nicht. Als überregional bekannte Ausflugs- und Touristenattraktion zieht sie Gäste an.

Seilbahn verbindet Freiburg mit dem Berg Schauinsland

«Es ist ein Arbeitsplatz mit Aussicht», sagt Voigt und schaut aus der Gondel. Die Seilbahn im höchsten Mittelgebirge Deutschlands verbindet die Stadt Freiburg mit ihrem Hausberg, dem 1284 Meter hohen Schauinsland. Voigt (59) ist technischer Leiter. Jeden Morgen kontrollieren er und seine Kollegen die Seile sowie die Räder und Rollen, über die die Seile laufen. Hinzu kommen Masten, die bis zu 37 Meter hohen Stützen und die gesamte restliche Technik. Sie stammt, von Modernisierungen abgesehen, aus dem Jahr 1930. «Und ist heute so zuverlässig und sicher wie damals», sagt Voigt, der seit Anfang der 1980er-Jahre bei der Bahn arbeitet: «Sie läuft wie ein Uhrwerk.»



Mit 3,6 Kilometern Länge und einem Höhenunterschied von 746 Metern ist die Schauinslandbahn Rekordhalter. Damals, vor 90 Jahren, war sie eine Weltneuheit. Während bei anderen Seilbahnen Gondeln an einem Seil hinauf und wieder zurück fahren, wurden Seile und Gondeln am Schauinsland weltweit erstmals in einem Rundkurs geführt.

Betriebszeiten

Die Schauinslandbahn fährt täglich von 9 bis 17 Uhr, von Juli bis September sogar bis 18 Uhr.

Dies gilt bis heute und hat sich bewährt, sagt Voigt, während er zwischen Tal- und Bergstation pendelt. Der Vorteil: Weil die Kabinen ohne grosse Pause ihre Runden drehen, haben Fahrgäste an den Stationen kaum Wartezeiten und können gleich nach dem Einsteigen losfahren. Pro Stunde können bis zu 700 Menschen in jeder Richtung befördert werden. Zudem bleibt auch genügend Platz für Fahrräder.

Ganzjährige Attraktion im Schwarzwald

In 15 bis 20 Minuten, mit bis zu vier Metern pro Sekunde, schweben die Passagiere elektrisch, nahezu lautlos und mit bestem Blick auf Freiburg, die Rheinebene und den Schwarzwald von der Talstation auf den Gipfel des Schauinsland, eines der beliebtesten Ausflugsziele im Schwarzwald. Während andere Seilbahnen – zum Beispiel in Skigebieten – vorrangig der Beförderung dienen, ist die Schauinslandbahn mit den Jahren selbst zur Attraktion geworden. Touristen und Einheimische kommen, um zu schweben. Zudem ist die Bahn, die ganzjährig in Betrieb ist, ein Anziehungspunkt für Seilbahnfreunde und Technikbegeisterte.

«Wir haben seit Jahren steigende Passagierzahlen, insbesondere seit unserer grossen Modernisierung vor sieben Jahren», sagen die beiden Vorstände der Freiburger Verkehrs AG, Stephan Bartosch und Oliver Benz. Im vergangenen Jahr zählte die Bahn 365'000 Fahrgäste. Vor zehn Jahren, als sie 80 wurde, waren es noch 210'000 Passagiere. 70 Prozent der Fahrgäste kommen von Anfang Mai bis Ende Oktober.

Ein Stück Heimatgeschichte

«Die Schauinslandbahn ist über die Jahrzehnte hinweg ein Stück Heimatgeschichte geworden, sie ist ein lebendiges Denkmal», sagt Voigt. Eröffnet wurde sie nach nur 14 Monaten Bauzeit. Die Idee war 37 Jahre zuvor entstanden, im Jahr 1893. In einer Zeit, in der das Auto noch kein Massenprodukt war, sollte sie Freiburg und die Rheinebene mit dem Schwarzwald verbinden und so die wirtschaftliche Entwicklung der Region antreiben. Seit dem Start fährt die Seilbahn unter städtischer Regie. Motor von Wirtschaftswachstum wurde sie nicht. Mit dem Aufschwung des Automobils entstand ihr schnell ein grosser Konkurrent. Heute steht sie unter Denkmalschutz. Und dient dem Freizeit- und Touristenverkehr in einer boomenden Urlaubsregion.



In den ersten fünf Jahrzehnten fuhr in jeder Kabine ein Schaffner mit, der Fahrkarten verkaufte und die Technik im Blick hielt. Seit 1987, als die Bahn grundlegend umgebaut wurde, ist dies Geschichte. Die heute 15 Angestellten arbeiten an der Berg- und Talstation. Und machen, um die Technik zu prüfen, tägliche Revisionsfahrten.

60 Mal weniger CO2 als ein Auto

Im ökologisch orientierten Freiburg punkte die Schauinslandbahn mit ihrer Umweltbilanz, sagt Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos). Bei einer Fahrt stösst sie laut den Betreibern 60 Mal weniger CO2 aus als ein Auto auf der gleichen Strecke.

Wegen Corona musste die Bahn zuletzt sechs Wochen Pause machen. Nun läuft sie wieder. «Der Urlaub vor der Haustür boomt», sagen Bartosch und Benz. Davon könne die Bahn profitieren. Zudem laufen am Berg die Bauarbeiten für eine neue Besucher- und Aussichtsplattform.

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