Papiersack oder Plastiktüte?Raten Sie mal, welche Einkaufstüte die beste Umweltbilanz aufweist
Meret Meier, Nachhaltigkeitsblog
4.9.2018
Baumwolle, Papier, Plastik, Recycling-Kunststoff: Welches Material macht Tragtaschen am nachhaltigsten? Wir haben nachgeforscht – das Fazit erstaunt.
Die Diskussion über die Nachhaltigkeit von Tragtaschen, insbesondere Plastiksäcken, hat in der Schweiz längst die politische Bühne erreicht. Die Wegwerf-Plastiksäcke verschwinden langsam oder sind gebührenpflichtig geworden. Doch wie sieht es mit der Nachhaltigkeitsbilanz von Plastiktüten genau aus?
In der Wahrnehmung der meisten Konsumentinnen und Konsumenten ist die Tragtasche aus Papier am nachhaltigsten, diejenige aus Kunststoff (Polyethylen) dagegen hat einen schlechten Ruf. Doch so einfach sei es nicht, meint Armin Rutz, Inhaber von Europac AG, welche auf Verpackungen und Tragtaschen spezialisiert ist. «Wenn eine Tasche nur einmal verwendet wird, dann ist der Plastiksack ökologischer als die Papiertragtasche», meint Rutz und bezieht sich dabei auf die ganze Ökobilanz einer Tasche.
Plastiktüte wird im Durchschnitt 25 Minuten lang verwendet
Die Herstellung einer Papiertüte braucht fast doppelt soviel Energie wie die Herstellung eines Plastiksacks. Hinzu kommt die deutlich höhere Belastung durch Stickoxide, Schwefeldioxide und andere Chemikalien, mit denen die Zellstofffasern behandelt werden müssen.
Der schlechte Ruf der Kunststofftaschen hat viel damit zu tun, dass sich diese kaum biologisch abbauen lassen und somit die Umwelt und insbesondere die Meere massiv verschmutzen, wenn sie achtlos liegengelassen werden.
Eine Plastiktüte ist im Durchschnitt 25 Minuten lang in Gebrauch. Meist werden sie gekauft, einmal verwendet und dann weggeworfen. Je nach verwendetem Kunststoff dauert es zwischen 100 und 500 Jahre bis sich eine Plastiktüte zersetzt hat, wenn sie nicht recycelt wird. Für die Umweltbilanz ist entscheidend, wie oft ein Gegenstand verwendet wird. Weltweit werden pro Minute eine Million Plastiktüten verwendet – einmalig. Das ist ökologisch äusserst fragwürdig.
Ob Papiertüten im Einzelfall besser oder schlechter sind als Tüten aus Kunststoff, hängt vom verwendeten Rohstoff (Altpapier, Recycling-Kunststoff) und der Art der Entsorgung ab. Und eben auch davon, wie oft eine Tüte verwendet wird.
Plastiksäcke machen nur drei Prozent aller Kunststoffverpackungen aus
Um das Ganze etwas in Relation zu setzen, müsse man auch den Anteil von Tragtaschen im Vergleich zur ganzen Kunststoff-Verpackungsmenge sehen, meint Rutz. Dieser mache in Deutschland, Österreich und der Schweiz nämlich gerade mal drei Prozent aus.
Die Migros, eine der grössten Abnehmerinnen von Tragtaschen in der Schweiz, äussert sich zu dem Thema wie folgt: «Entscheidend ist die Häufigkeit des Wiedergebrauchs. Eine durch die externe Firma Carbotech AG erstellte Ökobilanz kommt zum Schluss, dass die im Jahre 2008 neu eingeführte Kunststofftragtasche (2 Franken) bei einem viermaligen Mehrgebrauch gegenüber der Papiertragtasche geringere Umweltauswirkungen ausweist. Kaufen die Konsumentinnen und Konsumenten mit der Kunststoff-Mehrwegtasche achtmal so oft ein wie mit einer herkömmlichen Papiertasche, sparen sie 35 Prozent CO2 ein.»
Biologisch abbaubare Materialien als Alternativen?
Alternativen wie biologisch abbaubare Materialien schneiden in Ökobilanzen – entgegen der verbreiteten Meinung – nicht zwingend besser ab als synthetische. Bei biologischen Produkten müssen zusätzliche Faktoren wie die intensive Landwirtschaft, Monokulturen, Einsatz von GVO-Pflanzen (Gen-Mais) und Überdüngung berücksichtigt werden. Selbst im Hinblick auf die Vermüllungsproblematik ist Bioplastik derzeit keine Lösung. Das Material verrottet am besten in der 60 Grad warmen Industriekompostierung. Im Meer verrotten oder vermodern die Bioplastiksäcke derzeit gar nicht.
Was können wir gegen unsere Wegwerfwirtschaft tun?
Mitte Mai trafen sich in Zürich bis zu 70 Unternehmer aus verschiedensten Branchen, um gemeinsam über das Thema Kreislaufwirtschaft zu diskutieren.
Bild: Francesca Camilla Bruno/GreenBuzz
Organisiert wurde der Diskussionsabend von GreenBuzz; eine Community, die Unternehmen und Organisationen miteinander vernetzt und mit Know-How unterstützt, um nachhaltig zu wirtschaften.
Bild: Francesca Camilla Bruno/GreenBuzz
Die diskutierten Ansätze am Abend waren vielfältig. Verschiedene Unternehmens- und Organisationsvertreterinnen und -vertreter präsentierten ihre Ideen.
Bild: Francesca Camilla Bruno/GreenBuzz
Ikea beispielweise verfolgt eine dreiteilige Strategie, um mehr Zirkularität zu erreichen.
Bild: Francesca Camilla Bruno/GreenBuzz
WWF präsentierte eine Studie, in der untersucht wurde, ob Verzicht mit Wohlbefinden kompatibel ist.
Bild: Francesca Camilla Bruno/GreenBuzz
Durch die gegenseitige Vernetzung können Konzepte für nachhaltiges Engagement ausgetauscht werden und neue Ideen entstehen.
Bild: Francesca Camilla Bruno/GreenBuzz
An ihren regelmässig organisierten Events strebt GreenBuzz genau dies an: Gemeinsam eine neue Denkweise für eine nachhaltige Zukunft entwickeln.
Bild: Francesca Camilla Bruno/GreenBuzz
Auch Armin Rutz sieht das problematisch: «Aus ethischer Sicht lehnen wir den Vertrieb von Tragtaschen aus Maisstärke und biodegradablen Kunststoffen ab.» Weil es nicht sein könne, dass wir Lebensmittel für Tragtaschen verwenden, solange es noch Hunger gäbe auf dieser Welt.
Die Baumwolltragtasche schneidet am schlechtesten ab
Ganz genau wissen wollten es die Verfasser einer EMPA-Studie, die Taschen aus sechs Materialien genauer unter die Lupe genommen haben. Verglichen wurden Papier, Neugranulat (herkömmliche Plastiksäcke), Baumwolle, kompostierbare Tragtaschen, Recycling-Kunststoff (über 80 Prozent Blauer Engel würdig) sowie Kunststoff aus nachwachsendem Rohstoff.
Was überrascht: Die Baumwolltasche schnitt im Test dermassen schlecht ab, dass sie gar nicht mehr weiter verglichen wurde. Da es sich bei dieser Tasche um ein landwirtschaftlich erzeugtes Produkt handelt, belastet ihre Produktion die Umwelt weitaus stärker als die anderen Materialien im Vergleich. So hatte die Baumwolltasche die höchsten Werte bei den Punkten Versauerung, Treibhauseffekt, Überdüngung, Sommersmogbildung, Ozonschichtabbau, Abbau fossiler Brennstoffe usw.
Aber auch hier gilt: Je öfter eine Baumwolltasche benutzt wird, desto umweltfreundlicher wird sie mit jedem Gebrauch. Nach 30 Mal einkaufen ist eine Baumwolltasche «grüner» als Einweg-Plastiktüten (selbst wenn diese etwa dreimal benutzt werden).
Die beste Tragtasche: oft verwendet und aus rezykliertem Material
Am besten schnitten die Materialien ab, welche aus rezykliertem Kunststoff oder Kunststoff aus nachwachsendem Rohstoff bestehen. Dies beim einmaligen wie auch beim mehrmaligen Gebrauch einer Tasche. Die Rangliste:
1. Platz: Taschen mit mehr als 80 Prozent Recycling-Kunststoff
2. Platz: Kunststoff aus nachwachsendem Rohstoff
3. Platz: Neugranulat (herkömmliche Plastiksäcke)
4. Platz: Papier
5. Platz: Kompostierbare Tragtaschen
6. Platz: Baumwolle
Wenn es um die Umweltverträglichkeit von Tragtaschen geht, haben die meisten Konsumenten also ein falsches Bild. Ein Grossteil denkt, dass Taschen aus Papier am nachhaltigsten sind. Besser schneiden aber Taschen aus rezykliertem Kunststoff oder aus Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen ab. Sogar der herkömmliche Plastiksack schneidet besser ab als die Papiertüte. Viele Detaillisten erkennen diesen Trend. So berichtet Armin Rutz, dass immer mehr grössere Firmen wie Transa, Media Markt oder die deutsche Warenhauskette Karstadt neu auf Taschen mit mehr als 80 Prozent Recyclinganteil setzen. Für uns Konsumentinnen und Konsumenten gilt jedoch: Die umweltfreundlichste Tasche ist immer noch diejenige, die wir möglichst oft verwenden.
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