KolumneMeine Tagebücher – eine wilde Zeitreise in die Jugend
Bruno Bötschi
19.1.2025
In der Jugend führte die blue News Kolumnistin Tagebuch. Kürzlich unternahm sie mit ihren schriftlichen Erinnerungen eine Zeitreise und realisierte: Manche Themen sind bis heute die gleichen geblieben.
Michelle de Oliveira
19.01.2025, 14:45
19.01.2025, 15:04
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Vor ein paar Wochen suchte die blue News Kolumnistin Michelle de Oliveira im Estrich von ihrer Mutter nach Winterkleidern und fand dabei einer ihrer liebsten Schätze: ihre Tagebücher.
Während de Oliveira in ihren schriftlichen Erinnerungen blätterte, tauchte sie mit jeder Seite tiefer in die Vergangenheit ab.
Irgendwann packte sie die Bücher wieder zurück in die Kiste und nahm sich vor, die Tagebücher zu ihrer Pflichtlektüre zu machen, wenn dereinst ihre beiden Kinder durch die Pubertät stolpern werden.
Die vergangenen Weihnachtstage habe in der Schweiz verbracht. Ich habe nicht nur Familie, Freund*innen, Käse und Schneegestöber genossen, sondern die Zeit auch genutzt, im Estrich im Haus meiner Mutter zu stöbern.
Neben Winterkleidern (zum Glück) fand ich auch längst vergessene Spielsachen aus meiner Kindheit (hallo, «Verrücktes Labyrinth») und einer meiner liebsten Schätze:
Eine Bananenschachtel voller in Worte gefasster Emotionen, Erlebnisse und Erinnerungen. Meine Tagebücher. Elf Stück sind es, das erste habe ich mit acht Jahren begonnen, die letzten Einträge irgendwann Anfang 20 geschrieben.
Mit jeder Seite tauchte ich tiefer ab in die Vergangenheit
Das erste Tagebuch wird von einem lachenden Clown geziert, irgendwann beklebte ich die Notizbücher mit Stickern oder Postern aus der «Bravo», manche sind mit einem Schloss versehen, um andere habe ich ein Samtband gewickelt.
Zur Person: Michelle de Oliveira
Bild: Privat
Michelle de Oliveira ist Journalistin, Yogini, Mutter und immer auf der Suche nach Balance – nicht nur auf der Yogamatte. Ausserdem hat sie ein Faible für alles Spirituelle. In ihrer Kolumne berichtet sie über ihre Erfahrungen mit dem Unfassbaren, aber auch aus ihrem ganz realen Leben mit all seinen Freuden und Herausforderungen. Sie lebt mit ihrer Familie in Portugal.
Ich sass im Estrich auf dem Boden und blätterte und blätterte und tauchte mit jeder Seite tiefer ab in meine eigene Vergangenheit.
Ich lachte über manche Ausdrücke: Ich hatte (wohl aus gutem Grund) total ausgeblendet, dass ich mit 13 Jahren das Wort «götz» exzessiv verwendete.
Es bedeutete «schlecht» und «uncool». Und dem Teenie-Alter geschuldet war damals natürlich sehr vieles absolut «götz».
Ich fand Kino-Tickets und eine Telefonkarte, mit der ich in der Telefonkabine heimlich meinen Schwarm angerufen habe, nur um gleich wieder aufzulegen, kaum meldete sich jemand.
Ich las über Zerwürfnisse und Versöhnungen mit meinen Freundinnen, über Streit und Ferien mit meinen Eltern und meiner Schwester.
Das Spannende war: Ich erinnerte mich bei allen Einträgen daran, wie ich mich gefühlt hatte damals, eine emotionale Zeitreise. Ich las über die Trennung meiner ersten grossen Liebe und mir tat sofort wieder das Herz weh und Wut flammte auf.
Er hatte mich verlassen, als ich ihn während seines Sprachaufenthalts in Neuseeland dort besucht hatte. Götz!
Seit einem Jahr schreibe ich wieder Tagebuch
Die Schrift hat sich über die Jahre immer wieder verändert, genauso wie ich. Ich spürte während des Lesens bei jeder Zeile, die ich zwischen 13 und 18 Jahren geschrieben habe, wie umtriebig diese Zeit war, wie neugierig und hungrig ich auf das Leben war, und gleichzeitig keine Ahnung hatte, wer ich war und was das eigentlich alles sollte.
Irgendwann packte ich die Bücher wieder zurück in die Kiste und habe mir vorgenommen, die Tagebücher zu meiner Pflichtlektüre zu machen, wenn dereinst meine Kinder durch ihre Pubertät stolpern. Als Erinnerung daran, wie zerrissen ich mich selbst in dieser Zeit gefühlt hatte und wie nervig meine Eltern doch waren.
Seit einem Jahr schreibe ich wieder Tagebuch. Das hat zufällig angefangen. Auf meinem Schreibtisch liegt stets ein Notizbuch, in das ich Artikel-Ideen notiere, Recherchen festhalte oder einfach ein Wort aufschreibe, das mir gerade einfällt und gefällt.
Irgendwann fing ich jedoch wieder an, Gedanken, die mich umtrieben, zu verschriftlichen, Banales und Aufregendes aus meinem Leben und vor allem eines: Gefühle, die mich überforderten.
Es tut gut, das Chaos im Kopf in Worte zu fassen
Ich merkte wieder, wie gut es mir tut, das Chaos in meinem Kopf in Worte zu fassen. Diffuse Wahrnehmungen exakt zu benennen, unangenehme Wahrheiten einzugestehen und einfach einmal das Hirn zu entleeren, ohne mit jemandem sprechen zu müssen.
Oft merke ich erst nach dem Schreiben, was eigentlich gerade bei mir abgeht. Als würde ich eine Gebrauchsanweisung für mich selbst lesen.
Mittlerweile liegen zwei Notizbücher auf meinem Tisch. Eines ist für die Arbeit, das andere ist mein Tagebuch. Es ist kein Schloss dran und auch keine Boyband-Sticker drauf.
Einige Einträge beschreiben wie damals das tägliche Leben, Erfreuliches und Nerviges. Manchmal kritzle ich mit Wut im Bauch auf, was ich gerade alles «götz» finde.
Und hin und wieder mühe ich mich – genau wie damals – mit den ganz grossen Fragen ab: Wer bin ich und was soll das eigentlich alles?
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