Tagebuch eines KomikersUrsus Wehrli: «Ich bin Weltmeister im Unterwasserrugby»
Von Ursus Wehrli
5.3.2020
Tagebuchschreiben gilt als erstrebenswert. Es soll die Selbsterkenntnis fördern. Wer das Tagebuch des Schweizer Komikers Ursus Wehrli liest, hat zudem viel zu lachen.
Über Jahre hinweg hat sich Kabarettist und Bestsellerautor Ursus Wehrli Notizen gemacht, was er tagsüber erlebt hat, welche Gedanken ihm durch den Kopf geschossen sind, was er sich einfach gerne mal ausdenkt oder was ihm zuvor noch nie aufgefallen war.
Entstanden ist das anregende, geistreiche und absurde Tagebuch «Heute habe ich beinahe was erlebt». Ein Buch, das den Lesenden fröhlich stimmt und zudem viel Lust machen will, aufmerksamer durch die Tage zu gehen.
Ursus Wehrli ist Linkshänder, Querdenker und gelernter Typograf. Seit 32 Jahren tourt er zudem zusammen mit Nadja Sieger als Komikerduo Ursus & Nadeschkin zwischen Wattwil, Berlin und New York und wurde in dieser Konstellation mehrfach ausgezeichnet.
«Bluewin» publiziert exklusiv Auszüge aus dem Tagebuch von Wehrli. Es handelt sich hier um einen originalen Textauszug. Deshalb erfolgten keine Anpassungen gemäss «Bluewin»-Regeln.
Heute habe ich beinahe was erlebt
Donnerstag: Nachdem ich geschlafen hatte, aufgewacht und aufgestanden bin, geduscht, die Zähne geputzt, rasiert, mich angezogen, den Morgengruß und die Fünf Tibeter gemacht hatte, nachdem ich gefrühstückt und die Zeitung gelesen, zwei Anrufe erledigt, die Mails gecheckt und eine neue Druckerpatrone eingelegt, eingekauft, gekocht, zu Mittag gegessen, den Müll rausgestellt und mich kurz hingelegt hatte, nachdem ich den Vorplatz gefegt, eine mir zugelaufene, hinkende Katze zum Arzt und ein Paket zur Post gebracht hatte und für mein Patenkind ein Maxi-Set Caran-d'Ache-Stifte für Fr. 36.– gekauft hatte und als Geschenk verpacken ließ, nachdem ich mir ein Spiegelei mit Speck gebraten hatte und einen Ferienprospekt, der Schiffsreisen entlang der norwegischen Küste anpries, durchgeblättert hatte, habe ich mich aufs Sofa gesetzt, die Abendnachrichten und einen (recht unterhaltsamen) Film geschaut, um zu sehen, was andere so erleben. Dann habe ich mich schlafen gelegt. Denn: Morgen ist auch noch ein Tag!
Samstag: Früh aus dem Bett, aber nur kurz. Schlafe danach bis Mittag. Am frühen Abend lasse ich den Tag Revue passieren und kann zu Recht stolz sein.
Mittwoch: Ich bin unerwartet Weltmeister im Unterwasserrugby geworden, obwohl ich mich auch mit dem zweiten Platz zufriedengegeben hätte.
Samstag: Heute ging alles schief. Das war ein Fest.
Freitag: Beim Lösen eines Kreuzworträtsels fällt mir kein einziges Wort ein. Ich fülle beim Lösungswort statt dem gesuchten Wort GRILLSAISON das Wort KABELSALAT ein und schicke den Talon ein. Nun heißt es: Daumen drücken!
Dienstag: Heute habe ich mich verletzlich gegeben, was mir, wie ich finde, gut gelungen ist. Wer weiß, vielleicht ergibt sich wieder mal eine Gelegenheit, ein Gefühl zu zeigen.
Sonntag: Im Berner Jura. Dort gibt es eine Stelle, wo man Gold schürfen kann. Mit dem richtigen Werkzeug, einer Goldwaschpfanne, einem Glanzstimulator und hohen Stiefeln kann man im seichten Flusswasser mit ein bisschen Glück kleine Nuggets finden, die man in der Wechselstube, die gleich neben der Fundstelle eingerichtet ist, in Geld eintauschen kann. Ich habe den Ort nicht gefunden.
Mittwoch: Ich habe mich als Busfahrer der Linie 32 anheuern lassen. Jeden Tag von ZÜRICH, HOLZERHURD nach ZÜRICH, STRASSENVERKEHRSAMT und wieder retour. Bei der vierten Runde habe ich mich bei ZÜRICH, ZWINGLIHAUS entschieden, eine neue Strecke anzubieten, und bin durchs Sihltal gefahren. Als in Langnau am Albis noch niemand reklamierte, bin ich weiter ins Tessin gefahren, wo ich mir zusammen mit den Passagieren einen schönen Tag gemacht habe. Auf der Rückfahrt habe ich einen Fahrgast gebüßt, weil er nur Kurzstrecke gelöst hatte.
Samstag: Kurz nach neun klingelte der Tod an meiner Türe. Ich habe ihm bestimmt, aber freundlich gesagt: Wir brauchen nichts.
Donnerstag: Heute hat die Sonne getrödelt und ging eine Stunde zu spät unter. Das fiel aber niemandem auf.
Sonntag: Nochmals der Tod, diesmal per Telefon. Er könne so nicht arbeiten, sagte er mir, er habe es (sowas von) satt, dauernd abgewimmelt zu werden, er tue schließlich auch bloß seine Arbeit. Es sei einfach der falsche Zeitpunkt, versuchte ich, ihn zu beschwichtigen, worauf er, da ich ganz offensichtlich einen wunden Punkt getroffen hatte, sehr aufbrausend erwiderte: »Falscher Zeitpunkt, falscher Zeitpunkt, falscher Zeitpunkt!« Seinem Argument, dass die Statistik auf seiner Seite sei und dass die exponentiell ansteigenden Bevölkerungszahlen ganz klar Wasser auf seine Mühlen wären, konnte ich nichts Überzeugendes entgegensetzen, und ich beschloss, bevor ich mich in unnötige (und zeitraubende) Diskussionen mit dem Tod verstricken würde, das Gespräch abrupt zu beenden, versteckte mich im Schrank und machte eine gute Dreiviertelstunde keinen Mucks.
Mittwoch: Heute habe ich wieder mal was erfunden. Es läuft ohne Strom, erleichtert einem einiges und ist stufenlos verstellbar. Leider funktioniert es nicht.
Freitag: Heute habe ich mich ein bisschen verliebt. Aber niemand hat es gemerkt.
Sonntag: Heute war ich aufmüpfig. Ich habe das Blatt meines Abreißkalenders einen Tag zu früh abgerissen. Beflügelt von meinem anarchistischen Anflug, bin ich anschließend vor einer Ampel gestanden und bei Grün stehen geblieben. Das war ein Fest!
Montag: Mein Tagesablauf: Kaum aufgestanden, drehe ich im Zimmer meine Runden. Dabei denke ich mir den Tag aus. Nach dem Morgentee und einem weichen Ei gönne ich mir eine Rast. Diese wiederhole ich in unregelmäßigen Abständen, je nachdem, wie ich mir das ausgedacht habe. Klingelt das Telefon, nehme ich den Hörer ab und sage »Telefon«. Manchmal schreibe ich auch. Briefe, Prosa und Berichterstattungen. Die anfallenden Kosten begleiche ich mittels Spenden von anonymen Freunden, die mir auch kochen und die Wäsche bügeln. Nachmittags lebe ich von Ersparnissen und verjuble einiges davon in Raststätten und Gaststuben. Gern streife ich durch Wälder und sammle Erfahrungen. Meine Gummistiefel kommen mir dabei zunutze. Täglich bin von Neuem erstaunt, was einem das Leben bietet: z.B. Nebelschwaden. Reißnägel. Unterwasserrugby. Oder Hoffnungsschimmer. Kurz nach dem Eindunkeln werde ich frech. Dies zeigt sich an den bildhaften Redewendungen, die mir flott von den Lippen kommen. Wer dann mit mir zusammen ist, kann was erleben. Ich bin bis gegen neun Uhr unterwegs, dann leiste ich mir ein Taxi, sortiere die umstehenden Passantinnen nach Verwandten und leitenden Angestellten und spendiere eine Runde um den Häuserblock. Ich bin ein regelrechter Knüller. Dann schiebe ich eine wichtige Verabredung vor und denke mir eine Heimreise aus. Im Bett lese ich nie. Vor allem keine Bücher von Kafka.
Dienstag: Heute habe ich dasselbe erlebt wie gestern. Aber umgekehrt.
Samstag: Heute habe ich Verstecken gespielt. Ich wurde aber noch nicht gefunden.
Freitag: Ich frage mich, ob meine Tagebucheinträge irgendwen interessieren. Zur Visualisierung dieser Frage stelle ich ein Foto auf HugMe, welches mich im Wald neben einer knorrig wuchernden jungen Buche in Form eines Fragezeichens zeigt. Dass ich noch keine Likes gekriegt habe, gibt mir zu denken und erhärtet meine Vermutung, dass meine Frage durchaus berechtigt ist.
Sonntag: Golfball gefunden. Vertiefungen gezählt. Es sind 334.
Montag: Habe mich verzählt. Es sind 336.
Vielleicht sollte ich anfangen, Golf zu spielen. Ich möchte mich gerne mal den Satz sagen hören: »Gestern habe ich mein Handicap verbessert.« Gerne würde ich auch mal den Satz sagen: »Ich gehe wieder mal nach Alaska.« Der letzte Satz meines Lebens sollte sein: »Mal schauen, was passiert, wenn man hier drückt.«
Mittwoch: Heute habe ich den ganzen Tag etwas gemacht. Ich stelle fest: Etwas machen ist eigentlich immer eine gute Idee.
Dienstag: Heute hatte ich kein Glück. Gegen Abend kam auch noch Pech dazu.
Tödliches Gift: Der Wunderbaum (Ricinus communis) gilt mit seinen Früchten als giftigste Pflanze auf der Erde. Das Endosperm der Samen ist stark giftig, da es das toxische Eiweiss Rizin enthält. Rizin ist eines der potentesten natürlich vorkommenden Gifte überhaupt. Der Tod tritt unbehandelt durch Kreislaufversagen etwa 48 Stunden nach der Vergiftung ein. Der Wunderbaum ist in Ost- und Westafrika beheimatet, wird
Bild: iStock
Gross, grösser, am grössten: Der Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum) im Westen der USA ist das massivste beziehungsweise voluminöseste bekannte Lebewesen der Welt. Der immergrüne Baum kann bis zu 95 Meter hoch und einen Stammdurchmesser von 17 Meter haben.
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Kletternder Parasit: Mit einem Durchmesser von über einem Meter bildet die Riesenrafflesie (Rafflesia amoldi) die grösste Einzelblüte. Allerdings existiert die gigantische Blüte der Kletterpflanze nur wenige Tage, dann zerfällt das rote, nach Aas riechende Organ. Zurück bleibt ein Haufen schwarzen Schleims.
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Blüte mit Heizung: Naht die Blütezeit, macht die Titanwurz eine erstaunliche Verwandlung durch: Bis zu zehn Zentimeter am Tag schiesst ihr gigantischer Blütenstand nach oben. Und um Insekten für die Befruchtung anzulocken, verströmt das Fortpflanzungsorgan einen Aasgeruch und heizt sich auf 36 Grad Celsius auf.
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Königin der Anden: Die Riesenbromelie (Puya raimondii) ist die weltweit grösste Bromelie, mit mehr als zehn Metern Höhe. Sie hat auch eine der grössten Blütenstände aller Pflanzen und ist eine vom Aussterben bedrohte Art, die in den Anden in Peru und Bolivien beheimatet ist.
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Ganz schön alt: Der Riesen-Eukalyptus (Eucalyptus regnans) wächst als immergrüner Baum, der ein Alter von etwa 400 Jahren erreichen kann. An bevorzugten Standorten kann er Wuchshöhen von 65 Metern in 50 Jahren erreichen. Er gilt als der höchste Laubbaum der Welt, möglicherweise sogar als der höchste Baum überhaupt. Bei einem 1872 gefällten Exemplar wurden 132 Meter an Höhe gemessen.
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Königlich stark: De Riesenseerose Victoria ist wohl eine der eindrucksvollsten Pflanzen auf dem blauen Planeten überhaupt. Mit bis zu drei Metern hat sie den grössten Blattdurchmesser. 1840 entdeckt vom Botaniker Richard Schomburgh, wurde sie benannt nach Queen Victoria. Viele Botanische Gärten bauten in der Folge eigene Victoria Häuser.
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Gefiederte Blätter: Die Raphia-Palme ist vorwiegend im tropischen Afrika beheimatet. Ihre Blätter gelten mit bis zu 25 Meter Länge als die grössten im Pflanzenreich. Sie sind nicht nur sehr gross, sondern auch gefiedert und bleiben nach dem Absterben an der Pflanze.
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Schweres Früchten: Der Jackfruchtbaum (Artocarpus heterophyllus) ist in Indien beheimatet. Er bekommt, wenn man von Zuchterfolgen wie Riesenkürbisse und dergleichen einmal absieht, die schwersten Früchte. Sie können mehr als 30 Kilogramm wiegen.
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Über 4000 Jahre alt: Im Patriarch Grove in den White Mountains in Kalifornien stehen 17 Exemplare der Langlebigen Kiefer (Pinus longaeva), die über 4000 Jahre alt sind. Ein Baum, dessen Alter von 4700 Jahren durch Auszählung der Jahresringe in einem kleinen Bohrkern bestimmt wurde, trägt den Namen «Methuselah». (Archivbild)
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Fast 10'000 Jahre alt: Über die älteste individuellen Lebewesen wird, je nach Definition, gestritten. Aber eine Pflanze ist es auf jeden Fall: Eine Gemeine Fichte (Picea abies) in Schweden, deren Stamm viel jünger ist, konkurriert mit den Langlebigen Kiefern. Sie geht aus Wurzelwerk hervor, das seit etwa 9600 Jahren existieren soll.
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Affen-Gesicht: Wer die Dracula simia ansieht, wundert sich wahrscheinlich nicht, warum sie den Beinamen Affen-Orchidee trägt. Viel Fantasie um das Gesicht eines Primaten zu erkennen, braucht es nicht. Die Pflanze wächst in 300 bis 600 Meter Höhe in Peru und Ecuador und duftet nach Orange.
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Klein, aber hübsch: Die Wurzellose Zwergwasserlinse (Wolffia arrhiza) gilt als kleinste Blütenpflanze über- überhaupt. Ihre Blüten sind für das menschliche Auge unsichtbar. Der Pflanzenkörper selbst ist maximal 1,5 Millimeter lang. Und übrigens: Sie ist als Aronstabgewächs mit der Titanwurz recht eng verwandt.
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