Kolumne am Mittag Michelle Obama – ihr perfektes Bewerbungsvideo für die US-Präsidentschaft

Von Bruno Bötschi

29.5.2020

Michelle Obama for President? Ja, die Frau hätte durchaus das Zeug dazu.
Michelle Obama for President? Ja, die Frau hätte durchaus das Zeug dazu.
Bild: Getty Images

Wer die neue Netflix-Doku «Becoming» schaut, denkt irgendwann: Wow, das ist das perfekte Bewerbungsvideo von Michelle Obama für die US-Präsidentschaft. 

Als Michelle Obama mit ihrer Autobiografie «Becoming» vor zwei Jahren auf Promotour ging, las sie nicht in kleinen Buchläden, sie las in grossen Sportarenen.

Wie ein Popstar feierte das Publikum die ehemalige First Lady. Nach den Auftritten standen die Menschen stundenlang an, um die eigene Buchausgabe signieren zu lassen und einen Moment mit ihrem Idol zu haben.

Und nun also der Film zum Buch: Dieser Tage veröffentlichte der Streamingdienst Netflix «Becoming». Für ihre Dokumentation begleitet Regisseurin Nadia Hallgren die ehemalige Präsidentengattin auf einer Tour durch über 30 US-Städte.

«Perfekt inszenierte Leere»

«Ich bin eine ehemalige First Lady der Vereinigten Staaten und eine Nachfahrin von Sklaven», erklärt Michelle Obama im Film. Sie schaut auf ihr Leben zurück, in dem sie sich den rassistischen Beschränkungen nicht habe beugen wollen.

Trotz solch erhellender Momente, meinen es die Kritikerinnen und Kritiker nicht gut mit «Becoming»: Die «Woz» schrieb von «perfekt inszenierter Leere», die Kinozeitschrift «Variety» nannte den Film «ein verlängertes Promovideo», und die «New York Times» notierte: «Was Michelle Obama tut, wird immer von Interesse sein, sogar wenn es nicht interessant ist».

Das Problem: «Becoming» ist keine Doku, sondern erscheint mehr wie ein perfekt inszeniertes Bewerbungsvideo von Michelle Obama für die US-Präsidentschaft. Was nicht weiter verwundert: In Auftrag gegeben wurde der Film von der Produktionsfirma «Higher Ground» – sie wurde von den Obamas gegründet.

Michelle for President? Ja, die Frau hätte durchaus das Zeug dazu.

Sie ist eine Sympathieträgerin, volksnah, kann gut reden, sie ist engagiert und sehr erfolgreich. Kein Wunder, dass in den letzten Jahren immer wieder die Spekulationen aufkamen, dass sie in die Fussstapfen ihres Mannes treten wolle.

Frauen und Wohltätigkeitsorganisationen

Riesige Aktenberge, ewig lange Arbeitstage, ständig auf Reisen und ein immenser Druck. An der Seite ihres Ehemannes Barack konnte Michelle Obama von 2009 bis 2017 hautnah erleben, wie die Tage im Weissen Haus in Washington ablaufen.

Um so ein Leben zu wollen, muss man schon viel Lust auf genau das haben. Aber Frau Obama hat keine Lust. Und das, obwohl die gelernte Juristin nach wie vor politisch aktiv ist: Sie engagiert sich erfolgreich für Frauen und Wohltätigkeitsorganisationen, sie setzt sich medienwirksam für gesundes Essen ein.

Michelle for President? Nein, es ist schon länger bekannt, dass sie das Amt gar nicht will.

Trotzdem verwundert es nicht, dass ihr Name sehr oft fällt, wenn jemand fragt, wer Donald Trump im November bei den Präsidentschaftswahlen schlagen könnte.

Für viele wäre Michelle Obama die ideale Präsidentin oder wenigstens Vizepräsidentin, die das alterväterliche Image von Joe Biden, Trumps Herausforderer, mit Klugheit, Stil und Humor aufpolieren könnte.

Aber wie gesagt: Die Frau will nicht.

Und darum frage ich mich: Warum dieser Film? Warum gerade jetzt?

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr und manchmal auch erst um 12 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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