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1'000 Fragen – Teil 2/4 Marco Rima: «Sorry Leute, aber dafür entschuldige ich mich nicht»
Von Bruno Bötschi
22.10.2019
Das längste Interview der Schweiz, Teil zwei: Komiker Marco Rima über sein freches Mundwerk, die Singkünste seiner Frau, den Klimawandel und die Frage, ob die Schweizer mehr Humor haben als die Deutschen.
Das «1'000-Fragen-Interview» – es wurde in der Bar Daniel H. in Zürich geführt – , wird in vier Teilen auf «Bluewin» publiziert. Der erste Teil des Gespräches kann hier abgerufen werden. Morgen, Dienstag, erscheint Teil drei.
Wer das Interview lieber schaut als liest, guckt sich das obige Video an.
Herr Rima, wer wacht gewöhnlich früher auf – Sie oder Ihre Frau?
Ich.
Heute Morgen auch?
Ja – heute musste ich um sechs Uhr aufstehen, duschen und los.
Worin besteht der Unterschied zwischen allein und einsam sein?
Am schlimmsten ist es, wenn man in einer Partnerschaft einsam ist. Das ist heavy. Alleinsein ist schön, wenn man unterwegs ist und für sich sein möchte. Einsam ist einfach nur blöd.
Was spricht für die grosse Liebe?
Es ist wunderbar, mit jemandem das Leben teilen zu dürfen – sich auszutauschen, Spass zu haben. Man liebt sich dann am meisten, wenn man sich selbst liebt und Dinge tun darf, die der andere gutheisst. Meine Frau bekam kurz vor der Hochzeit kalte Füsse: ‹Dann kann ich nicht mehr studieren, nicht mehr nach New York!› Da sagte ich ihr: ‹Wieso nicht?› Sie: ‹Ja, und wenn wir dann Kinder haben?› Ich: ‹Das ist doch kein Problem. Dann komme ich dir nach!› Sie: ‹Echt?› Ich: ‹Klar, dann organisieren wir das. Lebe du dein Leben. Es ist dein Leben, es sind deine Entscheidungen. Wir finden einen gemeinsamen Weg.› Im Leben ist es doch einfach so: Wir kommen mithilfe der Mutter zur Welt. Aber sterben tun wir allein.
Und was spricht fürs ewige Single-Dasein?
Gar nichts. Super langweilig.
Ihre Frau ist gleichzeitig Ihre Managerin – funktioniert das gut?
Das funktioniert sogar bestens, weil sie sich auf das Business konzentriert und ich damit überhaupt nichts zu tun haben möchte. Ich rede nicht gern über Geld, dafür gebe ich es gern aus. Christina ist Schwäbin und weiss, wie man sparsam lebt: Schaffe, schaffe, Häusle baue … Zudem hat sie Business studiert. Unsere ganze Prosperität und unser Haus haben wir einzig und allein ihr zu verdanken.
Sie spielen auf der Bühne, und sie spielt mit dem Geld …
So ist es. Wir reden uns gegenseitig nicht rein. Natürlich reden wir über eine neue Tournee, also das Wie, Wo und Was. Christina gibt mir auch Tipps, doch grundsätzlich haben wir beide unsere jeweiligen Arbeitsgebiete.
Der Künstler Rima hat nie Streit mit der Managerin Rima?
Nein, weil ich weiss, dass ich jemanden habe, der mir den Rücken freihält und meine Art erträgt.
Stimmt es, dass Sie und Ihre Frau ziemlich schnell explodieren können?
Wir sind sehr schnell sehr konkret im Sinne von: Wenn es ein Problem gibt, sprechen wir sofort darüber. Aber ansonsten haben wir eine sehr friedliche Beziehung.
Woran erkennt man, dass Sie im nächsten Moment explodieren?
Bei mir gibt es kein Frühwarnsystem. Da geht es sofort los von 0 auf 100. Typisch Widder.
Sind Sie gut im Entschuldigen?
Das kann ich richtig gut. Es ist mir wichtig, dass sich der Rauch verzieht, dass man wieder gut auskommt. Ich fahre auch nie weg von zuhause, ohne zu sagen: Ich habe dich lieb.
Also wenn Sie Streit hatten mit Ihrer Managerin, sagen Sie Ihrer Frau trotzdem noch Tschüss, bevor Sie das Haus verlassen?
Der Vorteil ist, dass ich mit meiner Managerin noch überhaupt nie Streit hatte. Mit meiner Frau kann ich Streit haben, aber da wir uns nur über Peanuts streiten, beispielsweise Kinder-Erziehungsfragen, lassen sich diese Uneinigkeiten gut besprechen.
Ihre Frau sorgt sich anscheinend gut um das Geld. Haben Sie trotzdem ab und zu Existenzangst?
Habe ich nicht.
Wer füllt die Steuererklärung aus?
Dafür haben wir einen Treuhänder.
Wer kauft öfter ein?
Ich – also die Lebensmittel.
Wer kocht?
Ich.
Küchenkräuter – ja oder nein?
Ja.
Handy auf dem WC – ja oder nein?
Ja. Auf dem Tisch während des Essens herrscht bei uns jedoch absolutes Handyverbot.
Wann haben Sie das letzte Mal bedauert, Ihr Handy nicht ausgeschaltet zu haben?
Noch nie.
Wann sind Sie offline?
Wenn ich golfen gehe. Dann will ich mit meinen Kollegen oder mit meiner Frau golfen – und nichts anderes. Oder wenn ich einen Spaziergang mache und den Kopf auslüften möchte. Ich bin immer mehr offline. Das bedeutet für mich eindeutig mehr Lebensqualität.
Wer arbeitet mehr, Sie oder Ihre Frau?
Hmm. Wir teilen uns die Arbeit sehr gut auf. Für mich ist meine Arbeit keine Arbeit. Das ist eine Berufung, eine Passion, eine Begeisterung. So gesehen arbeitet Christina mehr. Sie muss die Tournee zusammenstellen, das Ticketing machen, die Leute einstellen, alles organisieren. Das heisst, sie trägt mehr Verantwortung. Ich gehe dann nur noch das Kalb machen.
Was wird sich ändern, wenn Ihre Kinder erwachsen sind und nicht mehr daheim wohnen werden?
Dann kommen viele Reisen auf mich zu, und wir werden eine kleinere Wohnung nehmen. Wir sind jetzt gerade daran, eine solche Wohnung zu bauen, die dann unsere Dependance wird. So können wir später einmal unser Haus vermieten und mehr reisen.
Wann haben Sie das erste Mal das Meer gesehen?
Schon relativ früh, weil mein Papi auf dem Reisebüro arbeitete. 1966 fuhren wir mit dem Auto, einem Opel 1700, nach Torremolinos an der Costa Brava ... 24 Stunden Fahrt. Das war noch zu jener Zeit, als die Strände von Hotelbauten frei waren. Dort lernte ich auch schwimmen. Das war der Hammer.
Wann waren Sie das letzte Mal in Spanien?
Mit meiner Frau besuchte ich vor einigen Jahren Andalusien. Zum Abschluss gingen wir nach Torremolinos, weil es mich wundernahm, wie es dort jetzt aussieht. Die gesamte spanische Küste zugebaut zu sehen, war für mich ein Schock. Das gibt es praktisch nur noch in Australien, diese unendlich weiten, unbebauten Küstenstreifen. Diese Erkenntnis tut weh.
Wie sieht Ihre Badehose aus?
Das ist ein sehr geiles Format – vom Bauchnabel bis zu den Knien ... nein, es ist einfach eine normale Shorts.
Kaufen Sie jeden Sommer eine neue Badehose?
Meine Frau wäre froh, wenn ich öfter neue Kleider kaufen würde. Denn seit sie mich kennt, trage ich fast immer dieselben Kleider. Einkaufen liegt mir nicht so.
Interessieren Sie sich dafür, wie das Wetter morgen sein wird?
Überhaupt nicht. Das Wetter findet einfach statt. Und das Wetter wird doch sehr oft anders, als es vorausgesagt wurde. Allenfalls vor Dreharbeiten achte ich etwas mehr auf Wetterprognosen. Bei Aussenaufnahmen kann es sehr entscheidend sein, ob es regnet oder nicht.
Lust, als Tourist auf den Mond zu fliegen?
Nein. Null. Es gibt ja nichts dort oben. Und nur wegen mir eine Rakete dort hinaufzuschicken, wäre eine zu grosse Umweltsünde. Ich fliege sonst schon genug.
Was macht den Zauber des Matterhorns aus?
Ich sah das Matterhorn erst mit etwa 36 Jahren zum ersten Mal. Das war ein grosses Einatmen, diesen riesigen Felsen, diesen Zahn vor dir zu sehen. Ich sah so etwas noch selten und war sehr beeindruckt.
Was macht den Zauber von Zürich aus?
Ich liebe die Stadt Zürich. Obwohl: Als Zuger darfst du natürlich nie zugeben, dass du Zürich gut findest – wegen der ZSC Lions. Doch hat es dort auch coole Spieler, und ich kenne sogar den Präsidenten – auch ein cooler Typ. Leider. Es ist einfach immer blöd, wenn die Gegner gute Leute sind. Nein, im Ernst: Zürich ist einfach eine sehr tolle Stadt. Ich bin immer stolz, wenn ich mit ausländischen Gästen nach Zürich gehe. Es ist einzigartig dort.
Was macht den Zauber von Davos aus?
Davos ist sehr schön zum Skifahren, es hat ein paar schöne Ecken, und man sollte sich nie negativ in einer Fernsehsendung über Davos äussern. Das kommt ganz schlecht an.
Vor einem Jahr haben Sie sich in der Quizsendung ‹Spiel für dein Land› ziemlich in die Nesseln gesetzt – Sie sagten: ‹Nichts gegen die Davoser. Geile Hockeymannschaft, super nette Leute, aber die Stadt ist zum Kotzen.›
Richtig. Da hörte ich den Wortlaut meines Vaters von 1968 wieder, der von einer ‹alpinen Stadt› sprach. Als ich zum ersten Mal diesen Ort mit seinen Hochhäusern sah, musste ich mir einfach sagen: Welch eine Sünde ist das denn, diesen Ort so zu verbauen, statt eine Idylle in diese Landschaft zu zaubern, wie das andere Orte auf der Lenzerheide oder im Berner Oberland geschafft haben? Darüber habe ich mich unglücklich geäussert, aber nicht, weil ich die Leute dort nicht lässig finde.
Der Davoser Tourismusdirektor hat Sie nach dieser Aussage zu einem Rundgang durch seine Stadt eingeladen. Hat es stattgefunden?
Ja, haben wir gemacht. Ich habe mich entschuldigt und bin inzwischen sehr verbunden mit Davos.
Wie ist Ihre Meinung über Davos heute?
Es gibt in Davos einen schönen Golfplatz. Auch finde ich den HCD einen coolen Hockeyclub. Mit dem langjährigen Trainer del Curto fühle ich mich verbunden, auch war ich schon oft am Spengler Cup. Ich liebe Hockey.
Wie oft haben Sie es im Leben schon bereut, dass Sie ein freches Mundwerk haben?
Das kann ich gar nicht zählen, denn es sind oft kleine Momente. Beispielsweise beim Autofahren, wenn mir einer zubrüllt: ‹Auch Prominente haben sich an die Spielregeln zu halten!› Dann brülle ich zurück: ‹Der Prominente sagt Ihnen, dass Sie ein A…. sind!› Was ich natürlich schon im gleichen Augenblick total bereue und mich auch immer sogleich entschuldige.
Furchtbar schlechtes Gewissen oder normal schlechtes Gewissen?
Wenn ich realisiere, dass ich komplett im Unrecht bin, dann entschuldige ich mich vorwärts und rückwärts. Und zwar doppelt!
Sind Sie ein mutiger Mensch?
In gewissen Dingen schon. Dumm und mutig. Vermutlich wäre ich in anderen Ländern schon erschossen worden für meine dummen Äusserungen. Aber das Herz zu sehr auf der Zunge zu haben, führt manchmal auch dazu, dass man über das Ziel hinausschiesst.
Was kann Ihre Zunge?
Man sagt mir nach, dass ich ein guter Küsser sei (er fragt in die Runde: Will jemand probieren?). Ich komme mit der Zunge an meine Nasenspitze.
Und Sie können ja auch einiges mit ihrer Brille …
Eine meiner ersten Langspielplatten war ‹Crocodile Rock›. Da trug Elton John eine Brille. Die Brille ist ein schönes Requisit zum Spielen.
Wie viele Dioptrien haben Sie?
1,5 bis 2. Ich bin kurzsichtig. Wenn man älter wird, wachsen erwiesenermassen die Arme.
Sie leiden also unter Alterssichtigkeit?
Das ist das Gemeine: Das Leben wird im Alter immer gefährlicher. Eigentlich sollte man die Treppenstufen besser sehen als in jungen Jahren. Und an der Bushaltestelle siehst du das Schild nicht, und der Bus fährt dir vor der Nase weg. Mittlerweile mache ich mir Notizen, wohin ich die Brille gelegt habe. Doch weil ich die Brille nicht habe, kann ich die Notizen nicht lesen und suche die Brille erst recht. Und wenn ich die Brille dann endlich gefunden habe, kommt die Vergesslichkeit noch dazu. Dann stehe ich auf der Treppe und weiss nicht mehr, was ich eigentlich wollte.
Das Alter scheint ziemlich kompliziert zu sein. Weniger kompliziert sind Ferien. Fahren Sie gern weg?
Durch meine Frau lernte ich wieder zu reisen. Sie ist ein Reisefüdli. Ich bin gern daheim. Und wenn ich weg bin, bin ich ein Heimweh-Schweizer. Ich möchte nie in der Fremde sterben, sondern zu Hause.
Warum fällt es vielen Menschen so schwer, einfach zu Hause zu bleiben?
Ich habe ein schönes Zuhause mit vielen Freunden. Für mich ist das Heimatgefühl eng verbunden mit Sprache, Menschen, Freunden, einer Umgebung, die mir gefällt, und die ich auch gern den anderen Menschen zeige.
‹Been there, done that› – was halten Sie von der aktuellen Werbekampagne einer Schweizer Airline?
Berührt mich nicht gross, auch wenn mit dieser Airline ebenfalls fliege. Dem ‹-air› trauere ich heute noch nach. Ich bin sicher, man hätte diese Airline retten können.
Sie reden von der falschen Airline, ich meine nicht die Swiss … Aber können Sie mit dem Werbespruch etwas anfangen?
Nein. Ich finde es einen riesigen Witz, dass man in der heutigen Zeit für 25 Franken nach London fliegen kann. Ich finde es absolut richtig, dass jetzt im Parlament über eine Abgabe diskutiert wird. Ich bezahle auch gern mehr fürs Benzin. Und wenn ich fliege, soll ich dafür auch mehr bezahlen. Die Frage ist berechtigt, ob wir so viel fliegen sollten. Früher, als mein Vater noch im Reisebüro arbeitete, bezahlte man für ein Flugticket nach Ägypten 7'000 Franken, um das Land anzuschauen. Und wenn die Reservation für das Hotel mit dem Telefax nicht geklappt hat, dann ging man zwei Tage in die Wüste. Die Rückmeldungen, die mein Vater jeweils erhielt, waren überwältigend, weil die Leute etwas Einmaliges erlebten. Heute zählen nur das super Hotel, das super Buffet und der lässige Swimmingpool. ‹Und was hast du vom Land gesehen?› – ‹Was, Land?› Das finde ich verwerflich. Das Reisen und Fliegen sollte wieder einen grösseren Wert haben.
Und wenn ich schon dabei bin: Die Kampagne der SVP mit dem Slogan ‹Reisen ist nur noch für die Reichen. Wählt uns!› finde ich richtig gruslig. Das macht mich staubig. Man holt dort das Gefühl der Leute ab: Die Reichen dürfen noch, und wir schauen für euch, dass ihr weiterhin euren SUV fahren dürft und günstig reisen, wohin ihr wollt. Das war jetzt eine politische Aussage, obwohl ich nicht alles, was die SVP sagt, schlecht finde, und umgekehrt auch manche Parolen der Grünen oder SP zum Kotzen finde. Darum bin ich auch in keiner Partei. Ich habe ein Rundum-Denken, sodass mich die Linken als Rechten sehen und die Rechten als Linken.
Welches Buch würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Ein sehr tolles Buch ist ‹Briefe der Liebe› von Maria Nurowska. Darin geht es um eine Frau, die mit einem polnischen Widerstandskämpfer verheiratet ist, der das Getto aufgrund der Hilfe eines SS-Mannes überlebt hat. Der polnische Widerstandskämpfer hasst Juden und weiss nicht, dass sie halbe Jüdin ist. Im Buch geht es nicht darum, wer warum schlechter ist, sondern darum: Du findest überall Menschen, die besser oder schlechter sind. Das finde ich spannend. Übertragen auf unser politisches System: Es gibt in jeder Partei tolle Menschen, aber auch Vollpfosten.
Welche Pfosten gibt es denn in Australien? Mit Ihrer Familie waren Sie mehrfach längere Zeit in ‹Down Under›.
In Australien gibt es in der Regierung viele Vollpfosten, weil sie sich an der Klimapolitik nicht beteiligen – wie die Amerikaner und die Russen auch nicht.
Wieso reisen Sie trotzdem immer wieder dorthin?
Ich habe meine Frau in Australien kennengelernt. Ich war schon fünfmal dort, und es zieht mich immer wieder dorthin zurück. Das Land hat etwas an sich, das mich fasziniert. Die Australier sind unglaublich liebe Leute, ihr Easy-Going ist fantastisch. Und doch sind sie nicht oberflächlich, sondern sehr herzlich.
Sind Australierinnen, Australier humorvoll?
Sie lieben es zu lachen. Es gibt grosse Comedyfestivals in Melbourne und Sydney. Tolle Leute, grosse Schauspieler. Wir Schweizerinnen und Schweizer sind auch ein sehr humorvolles Volk. Wir sind viel lustiger, als wir in der Presse immer dargestellt werden. Wir können unglaublich über uns selber lachen.
Was hat Australien, was die Schweiz nicht hat?
Viel Meer, viel Strand, viel Platz.
Was hat die Schweiz, was Australien nicht hat?
Hohe Berge, unglaubliche Landschaften, Schluchten, es ist grün. Dann natürlich die Jahreszeiten.
Könnten Sie sich vorstellen, im Alter irgendwann nach Australien auszuwandern?
Nein, ich liebe die Schweiz, und ich liebe Europa. Du bist von der Schweiz aus mit dem Velo oder mit was auch immer wahnsinnig schnell irgendwo. Mit dem Velo in die Ferien zu gehen, ist etwas vom Schönsten, das es gibt. Du erlebst Landschaften, die bei 20 bis 30 Stundenkilometern an dir vorbeiziehen. Du kannst verweilen, schwimmen, in Herbergen Halt machen und kommst in Kontakt mit Menschen. Es müssen nicht immer die grossen Destinationen mit dem Flieger sein.
Vergangenen Frühling weilten Sie mit Ihrer Familie in Australien – und flogen extra für einen kurzen Auftritt in der Quizsendung ‹Ich weiss alles!› zurück nach Zürich. Warum?
A) hat man mich unverschämt gut bezahlt, und ich bin bekanntlich käuflich. B) hat man mich Businessclass eingeflogen. Und C) konnte ich meine Mami sehen.
Ihr Kurz-Auftritt löste im Netz einen Shitstorm aus. Hier und jetzt haben Sie die Möglichkeit, sich zu verteidigen!
Dieser Shitstorm, das waren genau zwei Leute. Das hat jemand von den Medien mitbekommen und mich angerufen. Worauf ich antwortete: ‹Sorry Leute, aber dafür entschuldige ich mich nicht. Natürlich weiss ich, dass das nicht zum Klimaschutz beiträgt, doch dieser Flieger wäre sowieso geflogen, und er war auch mit mir halb leer.› Klar ist aber auch: Wir schaffen einen Turnaround nur, wenn wir das Wachstum grundsätzlich drosseln – mit der Bevölkerung, aber auch wirtschaftlich. Wir müssen uns neu erfinden auf diesem Planeten. Der Planet wird überleben, aber wir Menschen nicht.
Die Fliegerei ist weltweit für knapp fünf Prozent des menschengemachten Klimaeffekts verantwortlich, in der Schweiz sogar für über 18 Prozent. Finden Sie, dass zurzeit ein Flug-Bashing betrieben wird?
Ich kann mich dazu nur sehr begrenzt äussern. Denn A) bin ich kein Wissenschaftler und B) gibt es auch Zahlen, die besagen, dass die Nutzung von Internet und Bitcoin noch schlimmer ist als das Fliegen. Es gibt so viele Faktoren, die zur Klimaerwärmung beitragen. Dann gibt es wieder Berichte, wonach es zu Zeiten der Römer und auch im Mittelalter wärmer gewesen sei als jetzt. Mir geht es weniger darum, ob ich das Klima erwärme, sondern mir geht es um die Fragen: Respektiere ich diesen Planeten? Gehe ich sorgsam mit den Ressourcen um? Bin ich vorsichtig mit dem Wasser? Es geht um eine eigene Einstellung, die wir unseren Kindern, Familien und Communitys weitergeben können.
Fliegen Sie heute weniger als noch vor zehn Jahren?
Nein – im Verhältnis fliege ich mehr.
Was in Ihrem Alltag müssten Sie aus ökologischer Sicht sonst noch dringend verändern?
Wir sind als Familie nur mit einem Auto unterwegs. Heute bekam ich das Auto, weil ich drei Termine auswärts habe. Zum Einkaufen nehmen wir das Velo. Wir achten auf unseren Fleischkonsum. Denn die Regenwälder werden vor allem wegen des Viehfutters abgeholzt. Ja, auf solche Dinge achten wir sehr. Doch letztendlich weiss ich auch nicht, was richtig ist.
Haben Sie ein schlechtes Gewissen, wenn Sie den Teller nicht leer essen?
Nein. Ich finde es jedoch schade, wenn man Lebensmittel wegschmeisst. Sobald das Ablaufdatum überschritten wird, schreibt das Gesetz vor, dass diese Produkte weggeworfen werden müssen. Dabei gibt es viele, die solche Produkte noch nehmen würden. In diesem Bereich gäbe es viel zu tun. Die ganze Verteilung stimmt nicht. Das ist bedauerlich.
Bei welchen Schweizern vergeht Ihnen das Lachen?
Uii ... eigentlich bei niemandem. Auch jene Schweizerinnen und Schweizer, die ich nicht mag, haben einen gewissen Unterhaltungswert. Es gibt niemanden in der Schweiz, den ich einen Vollpfosten schimpfen würde und bei dem mir das Lachen vergeht. Und es gibt schliesslich auch Leute, denen ich auf den Wecker gehe.
Ist für Sie die Schweiz mehr Hölle oder Witz?
Beides. Wir haben die Höllgrotte, das Hölloch, die Höllbrücke, und wir haben wahnsinnig viele witzige Leute wie Emil, César Keiser und viele andere, die das Land mit ihrem Humor geprägt haben. Leider kenne ich die Welschen, Tessiner und rätoromanischen Humoristen viel zu wenig.
Wie unterscheidet sich der schweizerische Humor von jenem in Deutschland – sind die Deutschen wirklich humorlos?
Das ist ein fertiger Blödsinn. Es gibt mittlerweile in Deutschland so viele Kabarettisten und Comedians. Letzthin spielte ich im «Brettl» in Erfurt. Als ich dort den Spielplan durchblätterte, haute mich das fast um: Dutzende Comedians waren da erwähnt, die ich nicht kannte. Und es gibt grossartige Komik-Sendungen im deutschen Fernsehen. Ich liebe ‹Die Anstalt› auf ZDF. Und es gibt unglaublich viele gute Frauen.
Sind die Schweizer humorloser als die Deutschen?
Nein, im Gegenteil. Was in der Schweiz beachtlich ist: Wir sind schneller im Denken und Verstehen, weil wir mit mehr Sprachen zu tun haben. Wenn du als Kabarettist auf Französisch, Englisch und Italienisch wechselst, ist das für einen Deutschschweizer normal. In Deutschland denkt sich der Zuschauer: ‹Was macht der jetzt?› Doch wenn dich die Deutschen verstehen und lieben, dann ist die Euphorie grösser, und du wirst gefeiert.
Was können die Deutschen besser als die Schweizer?
Reden. Schneller.
Was können die Schweizer besser als die Deutschen?
Kochen.
Die schlechteste Seite der Schweizerinnen und Schweizer?
Wir haben keine schlechten Seiten.
Eine überraschend gute Seite der Schweizerinnen und Schweizer?
Gastfreundschaft.
Der klügste Mensch auf Erden?
Puh, den würde ich gern kennenlernen.
Nennen Sie bitte drei Gründe, warum das Leben wunderschön ist?
(Überlegt lange) Hmm. Ich habe ein sehr erfülltes Leben. Und dafür drei Gründe herauszufinden, ist sehr schwierig, weil es übergreifend ist. Es sind die Emotionen, die Natur, die Faszination für das Neue und Unbekannte, aber auch das Alte. Das gefällt mir an diesem Planeten.
Wenn wir schon beim Thema ‹Heimat› sind, dann wollen wir den Fragebogen dazu nicht vergessen, den Schriftsteller Max Frisch 1971 erstellt hat. Dessen erste Frage lautet: Wenn Sie sich in der Fremde aufhalten und Landsleute treffen: Befällt Sie dann Heimweh oder dann gerade nicht?
Es ist ein Wiedersehen mit meiner Heimat, oder wie Karl Valentin einmal sagte: Fremd ist der Fremde nur in der Fremde. Und das gefällt mir eigentlich auch. Das ist sehr von einem selbst abhängig, ob man ein Fremder bleibt, oder ob man sich zusammen tut. Doch wenn jemand kommt und dieselbe Sprache spricht, ist das einfach etwas Schönes.
Hat Heimat für Sie eine Flagge?
Jein. Ich gehöre zu jenen, denen bei einer Siegerehrung die Tränen kommen. Wenn Werni Günthör Kugelweltmeister wurde oder Wendy Holdener Skiweltmeisterin, und dann stehen die auf dem Podest und die Landeshymne ertönt, das finde ich irrsinnig schön. Für mich steht das Schweizerkreuz für eine schöne Symbolik: Arme ausstrecken, wir nehmen alle an der Hand, und wir sind für alle bereit. Wir sind ein sehr gastfreundliches Land, aber die Heimat trägt man in seinem Inneren. Das sind die Seele, die Sprache, das Gefühl.
Was bezeichnen Sie als Heimat: ein Dorf, eine Stadt oder ein Quartier darin, einen Sprachraum, einen Erdteil oder eine Wohnung?
Für mich begann Heimat immer dann, wenn ich mit dem Zug von Zürich in Richtung Innerschweiz unterwegs war und bei Baar aus dem Tunnel kam und den Zugersee und die Rigi erblickte. Das war für mich Heimkommen. Meine Heimat ist für mich noch immer das Zugerbiet.
Was lieben Sie an Ihrer Heimat besonders: Die Landschaft? Oder dass Ihnen die Leute in Ihren Gewohnheiten ähnlich sind? Oder ist es das Brauchtum? Oder dass Sie dort ohne Fremdsprache auskommen? Oder sind es Erinnerungen an die Kindheit?
Die Erinnerungen an die Kindheit – in Verbindung mit der Landschaft. In Seeliken schwimmen, auf der Rigi Ski fahren, den Zugerberg …
Welche Speisen essen Sie aus Heimweh, und fühlen Sie sich dadurch in der Welt geborgener?
Wenn ich in Australien bei 30 Grad im Schatten ein Fondue bekomme, dann habe ich zwar eine Verbindung zur Schweiz, aber es ist wahrscheinlich nicht so gut. Genauso wie ein Rosé in Frankreich anders schmeckt als zu Hause.
Zuger Kirschtorte ist für Sie also Heimat?
Ja, schon, obwohl sie mir nicht schmeckt. Dafür mag ich Kirschstängeli sehr.
Wie viel Heimat brauchen Sie?
Gar keine. Denn ich bin Teil dieser Heimat. So wie ich Teil dieser Welt und dieser Schöpfung bin. Ich glaube, dass in jedem von uns etwas Göttliches schlummert, weil wir ein Teil davon sind. Darum finde ich auch den Glauben etwas Tolles, weil man für sich glauben kann und niemandem etwas erklären muss.
Kann eine Ideologie zu einer Heimat werden?
(Überlegt lange) Das glaube ich nicht.
Das wären die Heimat-Frage von Max Frisch gewesen. Und nun: Tragen Sie zu Hause Jogginghosen?
Ich trage vor allem T-Shirt und Unterhose. Das ist mein Nationalkostüm. Und das trage ich auch, wenn ich zum Briefkasten vor dem Haus gehe. Es ist etwas blöd, wenn es schneit und die Schulkinder vorbeispazieren: ‹Hallo, Herr Rima!› Das ist auch gefährlich, weil ich vielleicht mit einer Anzeige rechnen muss. Aber so bin ich aufgewachsen.
Ihr Beauty-Trick?
Unter die Dusche stellen und alles trocknen lassen.
Finden Sie sich eigentlich sehr gut aussehend?
(Lacht laut) Ich mag mich mittlerweile wieder sehr, seit ich diese Phase überwunden habe, in der ich mich einmal nicht so mochte. Aber ich fühle mich nicht gerade geblendet von dem, der mich aus dem Spiegel anschaut.
Was ist das älteste Kleidungsstück in Ihrem Schrank?
Alle meine Abendanzüge, die mir nicht mehr passen. Aber ich hoffe immer noch, dass ich eines Tages wieder da reinpasse. Der älteste stammt wohl etwa von 1991.
Was ist das hässlichste Kleidungsstück in Ihrem Schrank?
Ein paar Lederhosen, die ich für das Oktoberfest in München gekauft habe. Darin sehe ich nur lächerlich aus.
Wie viele Krawatten hängen in Ihrem Kleiderschrank?
Nur eine, die meinem Vater gehörte. Als Erinnerung.
Und wie viel Paar Jeans?
Eine Bluejeans, eine schwarze Jeans und eine weisse, in die ich nicht mehr reinpasse. Das wär's.
Das teuerste Paar Schuhe: Wann und wo gekauft? Und wie viel haben die Schuhe gekostet?
Ein paar Retroschuhe, die ich in Winterthur kaufte. So im Stil, wie sie die Arbeiter früher trugen. Eine sehr schöne alte Form, ein bisschen wie die von Charlie Chaplin. Gekostet haben sie etwa 350 Franken. Ansonsten kosten meine Schuhe alle so zwischen 100 und 150 Franken.
Haben Sie Stil-Vorbilder?
Ich mag gut gekleidete Leute sehr und würde mich auch gern so kleiden. Eine Zeit lang konnte ich das auch. Doch dann ging man parallel zum Fernsehbild figürlich etwas ins Breitbild. Auch mag ich es sehr, wie sich meine Frau kleidet. Aber eine männliche Stilikone habe ich nicht.
Singen Sie unter der Dusche?
Ja, wenn ich keine Eile habe.
Und im Auto?
Da singe ich gern mit. Auch mit den Kindern, wenn wir zusammen unterwegs sind. Dann hören wir die aktuellen Hits und lassen dazu etwas Dampf ab. Mit meiner Frau passiert das weniger. Ich muss zugeben: Christina kann nicht so gut singen. Eigentlich bin ich der Überzeugung, dass jeder singen lernen kann. Bei ihr habe ich aber so meine Zweifel. Aber das tut der Freude keinen Abbruch, wenn sie für mich ‹Happy Birthday› singt.
Ihr Lieblingskuschelfilm?
‹Sleepless in Seattle›.
Wann zuletzt sinnlos vor sich hingesponnen?
Das mache ich nie. Wenn ich spinne, hat das immer einen Sinn. Beispielsweise gerade kürzlich im Zusammenhang mit meinem neuen Programm ‹#no Problem!?›, mit dem ich im Herbst nächsten Jahres auf Tournee gehen werde. Im Stück geht es darum, dass ich sage, keine Probleme zu haben, obwohl ich sehr viele Probleme habe. Ich habe jetzt ein Jahr Zeit, um mich darauf vorzubereiten, und dabei spinne ich oft sinnlos vor mich hin. Was auch dazu führen kann, dass ich auf Ideen komme, die wir nie brauchen werden, über die ich aber trotzdem herzhaft lachen kann.
Wo schreiben Sie das Programm auf?
Den einen Teil entwickle ich zu Hause, den anderen auf Mallorca. Ich bin sehr gern dort. Gregory oder Rolf Knie stellen mir jeweils ihr Haus zur Verfügung, damit ich mit meinen Co-Autoren ein Sparring machen kann. Wir kochen dann auch zusammen und reden viel. Hochphilosophische Gespräche unter Männern, also nicht so gruusig, wie man immer denkt, wenn Männer unter sich sind.
Ist es denn einfacher, im Ausland über das eigene Land zu schreiben?
Ja, ich kann dann Abstand nehmen: zu meinem Zuhause, meiner Frau, den Kindern und ihren Geschichten. Wenn ich mich rausnehme und einfach mal auf mein eigenes Leben schaue, ist das ein irrsinniges Privileg. Das macht Sinn, wenn man sich dafür absetzt. Das kann ich übrigens allen empfehlen. Alle meine Programme habe ich bisher anderswo entworfen.
Sind Sie abergläubisch?
Nicht wirklich.
Welches Instrument gehört verboten?
Blockflöte, von mir auch ‹Spoitz-Chnebel› genannt. Wobei ich zugeben muss, dass es unglaublich schöne Blockflöten-Konzerte gibt, die ich sehr gern höre. Erbärmlich finde ich, wenn jemand mit Geigenspielen beginnt und es nicht kann (imitiert das Quietschen einer Geige). Aber auch Geige ist ein Hammerinstrument und gehört nicht verboten.
Sind Sie einfach zum Lachen zu bringen?
Ja.
Echt wahr, das Lächeln glücklich macht?
Auf jeden Fall. Im Moment, wenn wir unsere Lippen hochziehen, schütten wir Glückshormone aus. Darum sollten wir jeden Tag in den Spiegel schauen und uns anlächeln.
Gegen welche Ängste soll Sie Ihr Lächeln schützen?
Unsicherheit.
Wann zum letzten Mal einen Lachanfall gehabt?
Den hat mir René Tanner beschert. Das ist mein Trauzeuge, der mich früher mit meiner Firma begleitet hat. Er ist einer meiner langjährigen sowohl geschäftlichen wie freundschaftlich verbundenen Lebensbegleiter – zusammen mit Marco Schneider. Als wir kürzlich zusammen in Mallorca waren, bescherte mir René einen wahnsinnigen Lachanfall.
Wann ist Ihnen zuletzt das Lachen vergangen?
Uii. Ähm. Als ich mit meiner Frau in Frankreich unterwegs war. Wir feierten ihren Geburtstag und gingen in Terre Blanche golfen – ein wunderschöner Fleck Erde. Doch spielte ich so schlecht, dass ich mir überlegte, ob ich die Schläger jetzt essen, fortwerfen, versenken oder zerbrechen soll. Für meine Frau war das nicht so lustig, weil ich vor einem solchen Knall ungehalten bin.
Was ist Ihnen letztendlich wichtiger: Humor oder Intellekt?
Humor.
Hinter Ihrem Erfolg steckt auch viel Disziplin. Wann können Sie sich gehen lassen?
Wenn wir jetzt einen kleinen Unterbruch machen würden, dann würde ich mich endlich über diese Mohrenköpfe hinter Ihnen hermachen. Dabei würde ich mich so was von gehen lassen. Unglaublich.
Verstehen Sie auch Spass, wenn es um Humor geht?
Ja. Aber ich staune immer wieder, wie Humor definiert wird. Es gibt humorvolle Beiträge von Kollegen, die ich überhaupt nicht humorvoll finde, weil sie auch für meinen Begriff einen gewissen Anstand verletzen. Aber es ist halt alles eine Frage der Gürtellinie.
Sprache verändert sich: Was hat das für Sie als Komiker für Konsequenzen?
Das hat sehr grosse Konsequenzen. Ich muss mich heute viel häufiger fragen: Was darf ich noch sagen und was nicht? Es ist alles komplizierter und sensibler geworden, um mal so richtig auf den Putz hauen zu können. Früher sagte ich ‹Lehrer›. Jetzt muss ich ‹Lehrerinnen und Lehrer› sagen oder sogar ‹Lehrpersonen›. Das geht mir total auf den Senkel.
Es geht Ihnen auf den Senkel, dass man heute auch die Frauen einbezieht?
Nein, dass man eine seltsame Form von Sprache entwickelt ... Es gab im Nationalrat eine lustige Initiative, bei der man ‹Vater› und ‹Mutter› ersetzen wollte durch ‹das Elter›. In solchen Momenten werde ich komisch, und ich entwickle eine Gegenreaktion. Natürlich verstehe ich, dass man über ‹Mohrenkopf› diskutieren kann. Doch war das für mich nie etwas Negatives, genauso wenig wie ‹Negerhäuptling Karambuli und Negermeiteli Zusu› im Chasperlitheater. Für mich ist diese Wortwahl nicht verwerflich. Doch wenn ich mir über jedes mögliche Fettnäpfchen Gedanken machen muss, dann wird es verkrampft und unnatürlich. Meine Eltern sagten mir immer: In der Schule kannst du von mir aus Gassensprache reden, aber zuhause bitte anständig. Daher finde ich es immer schwierig, wenn es heisst: Der redet so primitiv.
Und wenn Sie damit andere verletzen?
Dann greife ich das auf. Ein Beispiel: Wenn ich sage, dass ich mit der Politik von Israel nicht einverstanden bin und dafür von jemandem als Antisemiten abgestempelt werde, dann sage ich: ‹Okay, dann bin ich speziell für dich ein Antisemit, wenn du das möchtest.› Dasselbe gilt, wenn mich jemand als Rassist taxiert. Dann sage ich: ‹Okay, wenn du das möchtest, I take it.›
Wird das Schweizerdeutsch tendenziell reicher oder ärmer?
(In Balkan-Slang) ‹Ja, klar, das isch natürli gueti Fraag, Mann hey. Es wird eifach spannend, wänn du die Interview mit Fuessballer luegsch hey, voll krass. Verantwortig übernoo. D’Mannschaft schtaat hine wie en eis …› Nein, im Ernst. Natürlich, die Dialekte verändern sich, und die Jugendsprache finde ich spannend und lustig. Das gefällt mir. Man muss das als eine Farbe nehmen. Zu meiner Zeit hatte man ja die grosse Angst, dass die Dialekte verloren gehen, weil die Zürcher sich überall breitmachen und die Dialekte in den anderen Regionen verdrängen. Aber diese Angst ist unbegründet. ‹Cham› ist für uns Zuger immer noch ‹Chom›.
Ist es Ihr Ziel, dass Sie einfach jede und jeder liebt?
Ja. Darum habe ich diesen Beruf. Ich stellte mich schon immer gern in den Mittelpunkt. Natürlich buhlt man um die Liebe der Zuschauer. Das ist etwas Wunderschönes.
Mit welchen Einsichten soll das Publikum aus Ihren Shows nach Hause gehen?
Ich möchte, dass die Leute viel gelacht haben und rausgehen mit dem Gefühl: War das ein guter Abend! Dass sie sich die Hände halten und sagen: Der hat über Dinge geredet, die uns auch was angehen.
Was halten Sie vom Begriff ‹Blödelei›?
I don’t like it.
Wieso nicht?
Weil er impliziert, dass man dumm ist.
Wirklich wahr, dass die Frauen am lautesten über Ihre Witze ‹unter der Gürtellinie› lachen?
Aber hallo – ja!
Man sagt wegen Ihrer deftigen Witze, Sie seien der Vater des Sauglattismus. Wahr oder nicht?
Der Anteil von ‹unter der Gürtellinie› im Verhältnis zum ganzen Programm ist sehr gering. Aber das ist halt das, was haften bleibt. Vor allem mit dem Fudi von gestern.
Oft wird behauptet, dass Clowns in Wirklichkeit traurige Menschen sind. Trifft das auf Sie zu?
Kann ich überhaupt nicht teilen.
Wenn bei Ihnen zu Hause die Türe zugeht, dann lachen Sie weiter …
Dann beginne ich sicher nicht gleich zu weinen. Ich habe meine Momente, in denen ich weine. Wir sind wie alle anderen auch, einfach Menschen.
Der US-amerikanische Komiker Chris Rock sagte in einem Interview: ‹Komisch zu sein, war für mich ein Mittel, um der Einsamkeit, der Grausamkeit und dem Rassismus in meiner Jugend etwas entgegensetzen zu können.› Welches war für Sie die Komik Ihrer Jugend?
Zu schauen, wie ich die Leute zum Lachen bringe. Ich war ein grosser Fan von Cabaret Rotstift und Emil. Das wollte ich ausprobieren. Damit fand ich auch eine Position in meiner Klasse, um Unsicherheiten zu überspielen wie etwa meine Schüchternheit gegenüber Mädchen.
Wann haben Sie Ihren Witz zum ersten Mal als Waffe eingesetzt?
Wenn man sich selbst nicht zu wichtig nimmt und über sich lachen kann, hat man schon in vielen Bereichen gewonnen.
Sind Sie stolz auf Ihre Handschrift?
Ja, ich finde sie schön.
Wann das letzte Mal gedacht: Ach, wäre ich doch Lehrer geblieben!
Ich wäre zwischendurch immer wieder gern in der Schule als Lehrer und würde jenen Kindern, die am Verzweifeln sind, Mut machen. Interessant ist, dass ich für meine eigenen Kinder ein schlechter Lehrer bin. Da findet eine ganz andere Emotionalität statt, die die ganze Pädagogik, die ich gelernt habe, unter den Tisch haut.
Wirklich wahr, dass Sie Ihren Schülerinnen und Schülern nie Ströfzgis verteilt haben?
Der Religionslehrer gab einmal einem Schüler von mir als Strafaufgabe das Abschreiben von Psalmen. Darauf sagte ich diesem Schüler: ‹Das machst du nicht. Du kommst morgen etwas früher in die Schule. Ich bringe ein Gipfeli mit, und du löst ein paar Rechenaufgaben. Aber du schreibst mir keine Strafaufgaben aus der Bibel ab.› Natürlich wurde ich dafür von diesem Lehrer gerügt. Darauf antwortete ich: ‹Gratuliere, wie sie den Zugang zur Religion fördern.›
Also erteilten Sie nie Strafaufgaben?
In diesem Sinne nicht. Doch sagte ich: ‹Komm am nächsten Tag etwas früher in die Schule.› Das war eine gute Möglichkeit, die Beziehung zu pflegen.
Wer ist leichter bei Laune zu halten: Schüler oder das Publikum im Kabarett?
Uii. Das Publikum, denn das kommt freiwillig.
Gibt es für Sie eine Hackordnung im Komischen?
Nein, es sind alle so individuell unterwegs. Im Gegenteil: Ich habe so viele Freunde und Kollegen. Einer meiner liebsten Freunde ist Rob Spence, ein Australier. Funny Bones. Der Komiker par excellence.
Kabarettisten schauen ja noch gern auf Comedians herab, obwohl (oder gerade weil) die oft mehr Publikum haben. Kennen Sie das?
Einen gewissen Dünkel gab es immer. Genauso wie Schauspieler finden, dass Kabarettisten keine guten Schauspieler sein können. Das hat sich aufgeweicht. Gerade der angelsächsische Raum hat bewiesen, dass Komiker hervorragende Charakterdarsteller sein können. Denn auch als Kabarettist arbeitet man oft mit den tragischen Seiten des Lebens, die man humorvoll überhöht. Es ist spannend, wenn du in einer Gegenbesetzung einmal die tragische Seite von dir zeigen darfst. Auf der anderen Seite gibt es auch ernsthafte Schauspieler, die hervorragend im komischen Fach sind.
Wie begegnen Sie humorlosen Menschen?
Gar nicht. Wir gehen aneinander vorbei.
Haben Sie Angst davor, nicht lustig zu sein?
Das denke ich nicht.
Was tun Sie, wenn ein Zuschauer während einer Ihrer Vorstellungen einen Lachanfall bekommt und sich nicht mehr beruhigen kann?
Das ist nicht einfach. Das habe ich schon erlebt. Es gibt dann Leute, die sich anstacheln lassen. Dann reagierst du als Kabarettist irgendwann darauf und gehst darauf ein. Dann merkst du, dass das ein Fehler war, weil du erst recht die Türe geöffnet hast. Tatsächlich musste ich einmal im Kaufleuten eine Vorstellung unterbrechen und einen Zuschauer ansprechen: ‹Sind Sie betrunken? Denn Sie halten alles auf.› Daraufhin applaudierte das Publikum, und es wurde wieder ruhig.
Schöne Vorstellung, dass ein Mensch Ihretwegen weint?
Ja. Passiert auch. Wenn ich ein Liebeslied singe. Wenn ich mich auslasse über Beziehungen, meine Frau oder was auch immer, dann endet der ganze Block mit einem Liebeslied, der unterstreicht, welche Gefühle ich einem Menschen gegenüber habe. Es fassen sich dann ab und zu im Publikum zwei Menschen an der Hand und vergiessen Tränen.
Was ist besser – auf der Bühne aufzutreten oder in Filmen?
Bühne. Weil es unmittelbarer ist: ohne Netz und doppelten Boden.
Wieso ist schon ewig lange kein Marco-Rima-Film mehr in die Kinos gekommen?
Weil niemand nach mir fragt. Und weil bis auf ‹Achtung, fertig Charlie› oder ‹Champions› ich alle bisherigen Filme selber mitinitiiert habe.
Eigentlich Faulpelz?
Nein.
Warum überhaupt zur Arbeit gehen?
Es ist eine sinnvolle Beschäftigung mit etwas anderem. Teilweise kann sie auch Flucht sein vor einer Situation, in der wir Luft holen. Manchmal ist es einfach gut, die private Weste an den Nagel zu hängen, rauszugehen und neue Energien zu tanken, neue Ideen zu sammeln und guter Dinge nach Hause zurückzukehren.
Ihr ulkigster Nebenjob?
Als ich angefragt wurde, ob ich als Osterhase an einer Geschäftseröffnung auftreten und das Kostüm plus die Schöggeli mitnehmen könne.
Ihre konzentrierteste Tageszeit?
(Überlegt lange) Am besten leiste ich in der Mittagszeit.
Ihre irrste Wortkreation?
Würden Sie gern für ‹Bluewin› eine Kolumne schreiben?
Wenn man mich fragt, wieso nicht.
Sind Sie bezahlbar?
Ja, wenn das Thema gut ist. Wenn es sich um Werbung handelt, bin ich sehr teuer.
Und so geht's weiter:
Das «1'000-Fragen-Interview» mit Komiker Marco Rima wird in vier Teilen auf «Bluewin» publiziert – gestern Montag ist Teil eins erschienen, morgen Mittwoch folgt Teil drei und am Donnerstag Teil vier. Wer das Interview gerne an einem Stück lesen möchte, kann dies am Freitagmorgen tun: Dann wird das Interview als Ganzes aufgeschaltet.
Marco Rima geht auf Tournee
Marco Rima geht nächstes Jahr auf Tournee. Der Vorverkauf für seine neue Show «#no Problem!?» startet am 25. Oktober 2019 bei Ticketcorner.