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1'000 Fragen – Teil 4/4 Marco Rima: «Ich hatte Schwein, dass mich die Polizei nicht erwischte»
Von Bruno Bötschi
24.10.2019
Das längste Interview der Schweiz, Teil vier: Marco Rima über seine Angst vor dem Sterben, sein einziges Drogenerlebnis – und darüber, warum er so gern über Sex redet.
Das «1'000-Fragen-Interview» – es wurde in der Bar Daniel H. in Zürich geführt – , wird in vier Teilen auf «Bluewin» publiziert. Der erste Teil des Gesprächs kann hier gelesen werden, der zweite hier und der dritte hier.
Wer das Interview lieber schaut als liest, guckt sich das obige Video an.
Herr Rima, Ihr Lieblingsschulfach in der Primarschule?
Turnen.
Und in der Oberstufe?
Turnen.
Welches Bildungserlebnis hat Sie ganz besonders geprägt?
Turnen.
Haben Sie als Teenager Fotos und Poster von Popstars und Schauspielerinnen in Ihrem Schlafzimmer aufgehängt?
Nein.
Durften Sie die ‹Bravo› nicht lesen?
Doch, aber das Heftli hat mich nicht interessiert.
Und heute: Welchen internationalen Star halten Sie für begehrenswert?
Bei den Männern bin ich ein grosser Fan von Hugh Jackman. Er ist ein grossartiger Schauspieler, Musical-Darsteller und Entertainer. Bei den Frauen fällt mir spontan Penélope Cruz ein. Das ist ein Frauentyp, der mir sehr gefällt.
Welchen internationalen Star mögen Sie absolut rein gar nicht?
Uiii. Niemand.
Mit welchem zeitgenössischen männlichen Schauspieler würden Sie sich bei einer heissen Liebeszene am Set am wohlsten fühlen?
Hugh Jackman. Der ist schön gross und könnte mich so in den Arm nehmen. Das würde mir gefallen.
Mögen Sie Zungenküsse?
Ja, wenn es jemand kann.
Sie sollen ein ziemlich guter Küsser sein – zumindest hat das Schauspielerin Esther Schweins einmal über Sie erzählt ...
Ehrlich, hat sie das gesagt?
Mit ihr drehten Sie vor zehn Jahren den Film ‹Liebling, lass uns scheiden!›. Wortwörtlich sagte Esther Schweins damals in einem Interview: ‹Marco Rima gehört zu den besten Küssern weit und breit.›
Kein Wunder, wir haben das ja auch viel und gut geübt im Vorfeld. Als Sie auf RTL ‹Samstag Nacht› machte, war ich bei der ‹Wochenshow› von Sat.1, da trafen wir uns ab und zu zum Kochen. Und da haben wir uns schon mal auf unsere Filmrollen vorbereitet und uns oft geküsst.
Wie fand Ihre Ehefrau die Aussage von Frau Schweins?
Damals kannte ich meine Frau noch gar nicht. Wobei ich sagen muss: Esther und ich sind gute Freunde seit 1996, und das stimmt natürlich nicht mit dem Küssen beim Kochen.
Aber vor zehn Jahren, als ‹Liebling, lass uns scheiden!› erschien, waren Sie mit Ihrer Frau Christina schon zusammen. Wie reagierte sie auf die zahlreichen Knutsch- und Kussszenen im Film?
Als wir bei der Premiere zusammen im Kino sassen, verabreichte sie mir beim Anblick dieser Szenen irgendwann einen heftigen Ellbogenstoss. In solchen Momenten lautet meine Devise: Nie lügen! Ich sagte ihr: ‹Das ist eine super Frau. Aber ich bin mit dir zusammen. Und warum? Weil du schön und sexy bist, super Tennis spielst und küsst wie keine andere.› So macht man das. Und das war nicht gelogen. Meine Frau akzeptiert das auch, weil sie weiss, dass ich nicht lüge.
Vor Jahren wollten Sie einmal ein Buch über Männer, die sich trennen, schreiben. Was ist eigentlich aus diesem Projekt geworden?
Das ist immer noch vakant. Ich denke immer wieder darüber nach. Es gibt sehr viele Männer, die denken, dass Ihnen eine Scheidung neue Freiheiten bringt. Doch ist man danach sehr schnell an einem Punkt, bei dem die Wehmut einsetzt und man alles bereut – so im Sinne von: Das war jetzt doch zu überstürzt, ich hätte mir vielleicht doch etwas mehr Zeit geben sollen mit der Entscheidung. Ich finde, man sollte für eine Beziehung kämpfen, die Tatsachen auf den Tisch legen und schauen, ob es noch eine Chance gibt.
Ihre Trostbotschaft an alle Männer mit Glatze?
Freue dich über die Haare an den Beinen.
Wie oft wechseln Sie das Hintergrundbild auf Ihrem Handy?
Das habe ich schon seit zwei Jahren nicht mehr getan. Mein aktuelles Bild entstand, als ich mit Luca, meinem jüngeren Sohn, zum ersten Mal an einen EV-Zug-Match ging.
Antworten Sie in Interviews ehrlich?
Nein ... Doch!
Also was jetzt?
Ich rufe sicher nicht irgendwelche Plattitüden ab. Das wäre langweilig.
Wir waren beim Lügen, nicht bei den Plattitüden.
Nein, ich lüge nicht.
Wann haben Sie zuletzt gelogen?
Jetzt.
Machen Lügen nicht auch Spass?
Das weiss ich nicht. Notlügen haben sicherlich ihren Sinn, weil sie Zeit verschaffen, aber Spass machen sie nicht.
So grundsätzlich: Geben Sie gern Interviews?
Ich finde es spannend, interviewt zu werden. Weil ich mich dann immer hinterfragen muss: Ist das richtig, was ich antworte? Oder habe ich die eine oder andere Meinung geändert? Spannend ist auch, Interviews zehn Jahre später nochmals zu lesen.
Machen Sie das ab und zu?
Ich habe kürzlich ein Interview gesehen, das Harald Schmidt für seine Late-Night-Show mit mir gemacht hat. Da schämte ich mich richtig: Nein, das bin nicht ich! Damals war ich einer, der sich ständig in den Vordergrund spielte.
Geht es Ihnen bei Ihren früheren Bühnenprogrammen ähnlich? Dass Sie heute finden ‹Oh, wie ist das peinlich›!?
Nein, eigentlich nicht. Weil ich den ganzen Prozess dahinter sehe.
Otto Waalkes hat in seiner kürzlich erschienen Autobiografie ‹Kleinhirn an alle› alle jene Fragen aufgelistet, die Journalistinnen und Journalisten ihm immer und immer wieder gestellt haben. Kennen Sie das Buch?
Nein.
Werden Ihnen in Interviews auch immer die gleichen Fragen gestellt?
Ja. Fragen zum Gewicht. Fragen zu ‹unter der Gürtellinie›. Und die unangenehmste: Wie es sich mit einem solch guten Aussehen denn so lebt?
Die häufigste Frage, die Otto gestellt wird, ist: Wollen Sie nicht langsam aufhören? Hören Sie diese auch oft?
Das ist wie bei Tennisstar Roger Federer … Der wird ja auch immer gefragt, ob er jetzt aufhöre, dabei gehört er immer noch zu den Top drei.
Gehören Sie auch immer noch bei den Top drei der Welt?
Nein, nein. Weltweit bin ich unvergleichbar. Daher nehme ich auch nie an Competitions teil, bei denen Kabarettisten gegeneinander antreten. Das hasse ich. Jeder ist auf seine Art und Weise cool. Und aufhören tue ich übrigens, wenn ich keinen Spass mehr habe. Ich finde diese Comebacks von Stars, die aufgehört haben, peinlich.
Die zweithäufigste Frage, die Otto gestellt wird, lautet: Verliebt? Verlobt? Verheiratet?
Das habe ich hinter mir.
Die dritthäufigste Frage ist die klassische Frage an alle Komiker, die Frage nach der Identität: Sind Sie privat eigentlich genauso komisch wie auf der Bühne?
Da antworte ich immer: Fragen Sie meine Frau, dann bekommen Sie eine ehrliche Antwort. Mit mir verheiratet zu sein hat viele gute Momente, aber man braucht auch viel Humor. Ich habe meine Tage, an denen ich ein schöner Stinkstiefel sein kann, weil ich mit etwas nicht im Reinen bin. Doch grundsätzlich ist es sehr einfach, mit mir zu leben. Ich schaue zum Haushalt, ich gehe einkaufen, ich kann kochen, und ich koche gern.
Welche Fragen beantworten Sie am liebsten?
Diese.
Wir könnten ja für einen Moment die Rollen tauschen – Sie dürfen mir jetzt mal fünf Fragen stellen – aber bitte nur nette …
Glauben Sie an Gott?
Jein.
Wieso Jein?
Ganz christlich aufgewachsen. Und heute nicht ganz sicher, ob es wahr ist.
Kennen Sie das Buch ‹Zelot› von Reza Azlan?
Nein.
Kann ich Ihnen empfehlen. Es ist die Geschichte über Jesus Christus und seine Bedeutung …
Es ist bald Weihnachten. Dann können Sie es mir schenken.
Gut, bekommen Sie. – Sollen Frauen Burkas tragen dürfen oder nicht?
Wenn Sie wollen, sollen sie. Aber nur freiwillig. Ich finde es zwar komisch. Doch soll jeder Mensch das machen, was er will, solange er in seinem eigenen Garten tätig ist.
Glauben Sie, dass es wahr ist, dass sich diese Frage, die ich Ihnen eben gestellt habe, tatsächlich auch Alt-Bundesrat Burkhalter stellte, als er über den Burka-Pass gefahren ist?
Diese Frage habe ich jetzt nicht verstanden. Aber ich bin auch blond.
Spielt keine Rolle. Das war nur ein Wortspiel.
Danke! Sie sehen, ich bin sehr intellektuell. – Wann erscheint eigentlich Ihre Autobiografie?
Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.
Ich denke, Sie wurden sicher schon von mehreren Verlagen angefragt, ob Sie nicht endlich eine Biografie publizieren möchten …
Für mich sind zwei Dinge entscheidend: Auf der einen Seite sind da mein Werk, meine Texte, mein Beruf. Dann gibt es aber auch private Dinge für meine Kinder, die ich gern aufschreiben würde, damit sie eines Tages wissen, wer ihr Papi war und weshalb gewisse Dinge in meinem Leben passiert sind. Dieser Teil gehört jedoch nicht an die Öffentlichkeit. Das ist eine Familiengeschichte, die innerhalb der Familie bleiben soll.
In Ihrer Autobiografie könnten Sie endlich die ganze Wahrheit über Marco Rima erzählen.
Eine persönliche Autobiografie wird es von mir nie geben.
Warum haben Sie keine Lust darauf? Bald jeder Künstler, jeder Sportler und Schauspieler veröffentlicht ja bereits mit 22 Jahren seine erste Biografie …
Ja gut, die haben auch etwas geleistet (lacht).
Und Sie haben nichts geleistet?
Ich hatte einfach viel Freude im Leben. Ich wurde auch schon angefragt, ob ich bei einem Einkaufszentrum in Zug meinen Handabdruck verewigen möchte. Das war nett, aber wenn schon, dann möchte ich ein richtiges Denkmal haben … am Dorfeingang von Ägeri, sechs bis sieben Meter gross. Neben Ruedi Rymann, dem berühmten Volksmusiker mit dem ‹Dr Schacher Seppli›.
Ich habe jetzt Lust darauf, Sie noch etwas zu piesacken ...
Das freut mich. Und danach werde ich verschachert.
Drogen und Sex – welches der zwei grossen Intimthemen ist für ein Interview zu intim?
Puh ... Sex.
Sex, Drugs und Rock'n'Roll: Wie viel Erfahrung haben Sie damit in den letzten Jahren gemacht?
Sex macht nur dann Spass, wenn man jemanden wirklich liebt. Ausser man stürzt ab und erlebt das, was man in seiner Jugend als ‹Wow!› erlebt hat. Drogen nahm ich nie. Wobei, nein: Einmal nach einer Aufführung von ‹Salto Natale› machte ein Joint die Runde, an dem ich mich auch mit ein paar Zügen beteiligte, sodass ich mit Halluzinationen im Kopf nach Hause fuhr. Ich fuhr mit 30 Stundenkilometern auf der Autobahn, was sich jedoch wie 400 anfühlte. Auf dem Hirzel musste ich mich das erste Mal übergeben, und bis ich zuhause war noch einige weitere Male. Seither sage ich: Nie mehr Drogen! Ich hatte grosses Schwein, dass mich die Polizei nicht erwischte und ich keinen Unfall verursacht habe.
Sind Sie für die Drogenfreigabe?
Das wäre sicher besser, als Drogen auf dem Schwarzmarkt zu dealen. Ich habe viel Verständnis für Süchtige. Ich war als Raucher süchtig. Ich weiss, dass ich mit einer einzigen Zigarette wieder drin wäre. Und ich bin süchtig nach Schokoküssen. Wenn ich das in den Griff bekommen würde, wäre das sehr cool. Daher: Drogensüchtige sollen begleitet werden und nicht bestraft.
Wo werden Sie am liebsten berührt?
In der Seele.
Wo am wenigsten gern?
Wenn mir jemand auf den Bauch tätschelt. Das hasse ich wie die Pest.
Was ist besser: streicheln oder gestreichelt werden?
Das Wechselspiel.
Zu welcher Tageszeit sind Sie am besten erregbar?
Am Mittag.
Wieso kommt das so schnell wie aus der Kanone geschossen? Hatten Sie heute Mittag Sex?
Nein, eben nicht! Ich habe das komplett verpasst.
Törnt Sie eher Kälte oder Wärme an?
Wärme.
Reden Sie oft über Sex?
Ich glaube schon. Es ist ein schöner, lustvoller Teil des Lebens. Hätten meine Eltern keinen Sex gehabt, wären sie nicht unter die Gürtellinie gegangen, würde es mich nicht geben. Daher staune ich immer wieder, wie die Leute so schockiert reagieren, wenn man die Dinge beim Namen nennt. Ich finde Sex etwas Lustiges und Lustvolles, und wenn man damit gut umgehen kann, ist das eine grosse Freude.
Lieblingsstellung?
Mittlerweile in meinem Alter: liegen.
Der verrückteste Ort, an dem Sie jemals Liebe gemacht haben?
Das war eine Zeltausstellung in Cannes. Meine damalige schwedische Freundin und ich vergnügten uns dort in einem Zelt. Das war natürlich mit viel Aufregung verbunden, weil uns jederzeit jemand hätte ertappen können.
Ihre Ausrede bei Erektionsproblemen?
Schatz, das passiert halt.
Irgendwelche tolle Sexspielzeuge unter dem Bett?
Nein.
Welchen Sport wird Sex dereinst ersetzen?
Bei mir? Marathonschach … Nein, keine Ahnung. Ich hoffe, dass ich die Sexualität noch lange geniessen kann. Ich habe eine junge Frau, eine Deutsche, die Ansprüche hat, klar, fadengrad …
Stimmt es, dass die deutschen Frauen mehr Sex haben als die Schweizer Frauen?
Das behaupte ich nicht, aber es ist so.
Gauben Sie, dass der Geist von Woodstock die Gesellschaft verändert hat, wie es gern beschworen wird?
Ich glaube, Woodstock war ein riesiges Ereignis. Aber für mich als Nicht-Dabeigewesener ist das schwierig zu beurteilen. Ich mag mich auch nicht an die Beatles erinnern. Meine erste Musik war Heino. Den fand ich super mit seiner tiefen Stimme (imitiert Heino). Dann kam Daliah Lavi mit ‹Montag, Dienstag, Mittwoch …› und mit ‹Wer hat mein Lied so zerstört …›. Lavi habe ich 1996 tatsächlich getroffen, als sie zusammen mit Karel Gott auftrat.
Wann haben Sie zuletzt ein Open Air besucht?
Ich war noch nie an einem Open Air.
Wann haben Sie zum letzten Mal in der freien Natur draussen geschlafen?
Im Frühling in Australien.
Wann haben Sie zum letzten Mal eine Wespe getötet?
Vor vier Tagen auf Mallorca.
Welche Insekten töten Sie am meisten?
Fliegen.
Wären Sie gern Vegetarier?
Nein.
Schon mal versucht, vegan zu leben?
Zwei Wochen lang habe ich mich mal vegan ernährt. Das war insofern cool, weil alle Entzündungen verschwunden sind. Am besten wäre, wenn sich das abwechseln würde: Mal ein veganer Tag, mal vegetarisch, mal Fleisch … also so, wie wir aufgewachsen sind. Da gab es einmal Spaghetti, einmal Suppe, Fisch am Freitag und am Sonntag einen Braten.
Raclette oder Fondue?
Raclette.
Rösti oder Kartoffelstock?
Rösti.
Ich kann Oliven und Honig nicht essen – welche Lebensmittel kommen bei Ihnen niemals auf den Tisch?
Ist das ein Lebensmittel?
Ja – und anscheinend auch sehr gesund. Kutteln, also Innereien, sind auch nicht meines.
Angenommen, Sie würden mich zu sich nach Hause zum Abendessen einladen: Was würden Sie kochen?
Züri-Geschnetzeltes mit Rösti.
Welche Getränke würden Sie servieren?
Einen sehr guter Primitivo und Mineralwasser. Und zum Dessert Erdbeeren mit Vanilleglacé.
Schätzen Sie es, wenn Ihre Gäste Geschenke mitbringen?
Ja, müssen sie aber nicht. Ich bringe auch keine mit. Darüber diskutiere ich jedes Mal mit meiner Frau, die findet, wir könnten nicht ohne Geschenk eine Einladung annehmen.
Ich bekam jahrelang von einer Freundin Rotwein geschenkt, obwohl sie wusste, dass ich lieber Weisswein trinke. Kennen Sie solche Situationen auch?
Mein Vater brachte meiner Mutter jahrelang Frigor-Schokolade, obwohl ihr diese nicht schmeckte. Bis sie sie irgendwann doch mochte. Das ist das sogenannte ‹Aufzwingen›.
Waren Sie schon einmal privat eingeladen und das Essen war total ungeniessbar?
Das kam schon ein paar Mal vor. Diese Esswaren muss man taktisch dann geschickt zum Verschwinden bringen lassen – via Serviette und in einem passenden Moment schliesslich auf die Toilette tragen …
Wenn Sie im Restaurant etwas Schlechtes serviert bekommen: Reklamieren Sie beim Service, oder essen sie ein bisschen und behaupten am Ende ‹die Portion war zu gross›?
Nein, ich reklamiere sofort. In den meisten Restaurants ist das auch kein Problem.
Wenn Sie erkannt werden, müssen Sie trotzdem selber bezahlen?
Ja, sicher. Das möchte ich auch. Aber wenn mich jemand einlädt, dann nehme ich das auch gerne a. Aber deswegen fühle ich mich nicht besser. Ich finde das peinlich, wenn mich jemand fragt: Erkennen Sie mich?
Unter- oder Oberägeri?
Oberägeri.
Ägeri- oder Zugersee?
Ägerisee. Er ist viel sauberer.
Ihr absoluter Lieblingsort in Ihrem Heimatkanton Zug?
Beim Kreuz auf dem Blasenberg. Von dort kann ich auf Zug runterschauen, sehe Immensee und die Rigi … An diesem Ort würde ich mir den Gnadenstoss versetzen, wenn es nicht mehr gehen würde.
Wo ist die Schweiz am Allerallerschönsten?
Auf dem Blasenberg.
Wenn Sie die Macht hätten, in der Schweiz allein Entscheidungen zu treffen, was würden Sie als Erstes sofort einführen?
Die Gleichstellung der Frau.
Und was sofort abschaffen?
Kirchensteuer.
War früher alles besser?
Es war anders.
Auch für Frauen?
Wenn man sich überlegt, dass Frauen kein Konto eröffnen durften ohne die Einwilligung des Mannes. Und ohne die Einwilligung des Mannes nicht arbeiten durften. Als es das Frauenstimmrecht nicht gab. Dann waren das keine lässigen Zeiten. Daher verstehe ich auch viele Frauen, warum sie noch heute auf die Barrikaden gehen. Weil viele Dinge nicht geregelt sind, obwohl wir sie politisch auf den richtigen Weg gebracht haben. Für mich war es ein riesiger Schock, diese diversen Blogs von Männern im Vorfeld des Frauenstreiktags zu lesen, und zu sehen, wie viele Herren in unserem Land noch immer am Patriarchat festhalten wollen. Erschreckend.
Die weisesten Worte, die Sie je gesagt haben?
Ich? Ich habe so viel gesagt … Der Mann hat ja immer das letzte Wort, und sei es auch nur nach einem Vortrag der Frau, auf den du ‹ja› sagst.
Gibt es etwas, das Sie fürchten?
Die Art und Weise, wie ich sterben könnte, davor habe ich Angst.
Welches war Ihre grösste finanzielle Krise?
Das gab es eigentlich nie. Denn ich habe keine Existenzängste. Wenn das Geld da ist, ist es da, und wenn nicht, ist es nicht da. Und wenn es mir gut geht, dann geht es mir gut. Und wenn nicht, dann muss man improvisieren. Wenn man Familie und Freunde hat, hilft man sich gegenseitig. Dafür muss man gar nicht Sozialist sein, sondern ein soziales Gefühl mitbringen für Mitmenschen.
Wo haben Sie Ihr Geld angelegt?
Das macht meine Frau. Ich bin froh, wenn ich zwischendurch etwas Sackgeld bekomme, so nach dem Motto: Das Geld, das du nicht hast, kannst du auch nicht ausgeben. Ich bin kein Mensch, der gut ist im Umgang mit Geld. Meine Frau macht das hervorragend.
Welche Idee oder welchen Traum haben Sie in den letzten Jahren endgültig begraben?
Dass ich bei den Miss-Schweiz-Wahlen mindestens den dritten Platz hole.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?
Ich versuche positiv in die Zukunft zu blicken. Wenn man Kinder hat, bringt das negative Denken nichts. Im Gegenteil. Man zieht das Negative höchstens noch mehr an. Aber ich bin überzeugt davon, dass die nächsten Generationen einen Weg finden werden, unseren Planeten weiterhin so drehen zu lassen, damit die Menschen ihren Platz darauf finden werden.
Und Ihre persönliche Zukunft – was denken Sie, kommt da noch auf Sie zu?
Nach diesem Gespräch: sehr viel Gegenverkehr. Dann zwei Kinder, die mir in die Arme fallen. Meine Zukunft spielt sich sehr im Jetzt ab. Das sind meine Freuden. Dann habe ich so meine Wünsche, auf die ich auch hinschaffe, damit sich diese erfüllen, dann freue ich mich.
Schon mal darüber nachgedacht, wie lange Sie Comedian sein und Grimassen schneiden wollen?
Weil ich seit jeher immer den Eindruck hatte, dass ich auf der Bühne keine Grimassen schneide, sondern meinen Figuren ein Gesicht gebe, ist diese Frage irrelevant.
Hape Kerkeling hat mit 50 seine Karriere beendet. War das mutig oder blöd?
Der war auch dicker als ich (lacht). Ich denke, dass Hape irgendwann wieder auf die Bühne kommen wird. Er ist ein ganz feiner Mensch. Ich kenne ihn schon viele Jahre und bin ein grosser Fan von ihm. Ich glaube, dass er sich jetzt einfach mal eine Auszeit genommen hat. Und so werde ich das auch handhaben. Ich werde meine Karriere nie beenden. Sondern ich werde einfach mal eine Auszeit nehmen. Das ist eine Drohung an alle. Niemand kann sich sicher fühlen, dass ich definitiv nicht mehr komme.
Komikerkollege Didi Hallervorden ist auf seine alten Tage ernst geworden – und dafür sehr gelobt worden im Feuilleton. Eine Idee auch für Sie?
Es gäbe für mich sicher das eine oder andere ernste Thema, um einen Film darüber zu machen. Ich habe auch eine Idee am Laufen mit einer Figur, die nicht so viele Lacher erzielen würde.
Otto Waalkes hingegen hat Angst vor dem Ernstwerden im Alter. Er sagt, es entspreche nicht seinem Wesen.
Ich sage mir, dass man eine gewisse Ernsthaftigkeit in jeder Lebenssituation bewahren kann, ohne seinen Humor dabei zu verlieren. Das ist wichtig. Aus diesem Grund versuche ich mir immer eine gewisse Kindlichkeit und Naivität zu erhalten.
Wie alt möchten Sie werden?
Ich würde gern alt werden und gesund bleiben, damit ich meine Kinder soweit begleiten kann, bis sie mich, wenn ich gehe, loslassen können. Ich habe meinen Papi mit 35 Jahren verloren. Ich vermisse ihn bis heute. Bin aber trotzdem der Meinung, dass ich das in diesem Alter irgendwie nehmen konnte, zumal er so gestorben ist, wie er sich das immer gewünscht hat – sehr plötzlich – zack, ist er aus dem Leben geschieden.
Möchten Sie wissen, wie Sterben ist?
Nein.
Was könnte uns Menschen die Angst vor dem Sterben nehmen?
Wenn die Wissenschaft beweisen würde, dass Sterben nicht weh tut. Wir haben vor allem Angst vor dem Schmerz. Die Schmerzen sind das Problem. Doch wenn die Forschung herausfinden würde, dass man im Moment des Sterbens riesige Glücksgefühle erlebt, weil du etwas verlassen kannst, dann wäre das eine grosse Erleichterung.
Was stört Sie an Begräbnissen?
Eigentlich nichts. Wenn man schön Abschied nimmt von jemanden, dann kann das durchaus etwas Berührendes haben. Das Leichenmahl, das in einem Besäufnis ausartet, sagt ja nur, dass das Leben weiter geht. Sehr oft kommen dann ja Menschen zusammen, die sich nicht nur über den Toten austauschen, sondern gegenseitig über das eigenen Leben: Was machst du, wie geht es dir? Ich finde es immer interessant, wenn eine Persönlichkeit aus dem Leben scheidet und alle sagen: Ein solcher gibt es nie mehr! Da hilft es, einmal einige Wochen weg zu sein. Plötzlich kommen keine Mails, und schon fühlt es sich ein bisschen wie Sterben an. Darum sage ich: Jede Position kann sofort ersetzt werden. Jene, die denken, dass ohne sie nichts läuft, irren sich.
Haben Sie schon Tote geküsst?
Nein.
Möchten Sie lieber mit Bewusstsein sterben oder überrascht werden von einem fallenden Ziegel, Herzschlag oder von einer Explosion?
Ich sage natürlich: in den Armen meiner Frau. Aber das wäre für meine Frau nicht lässig.
Oder möchten Sie auf der Bühne sterben?
Oh nein, das machte bereits Tomy Cooper. Der englische Zauberer und Entertainer fiel auf der Bühne um, aber das Publikum meinte, dies gehöre zur Show. Dabei hatte Cooper eine Herzattacke erlitten. Er verstarb auf dem Weg ins Spital.
Wollen Sie begraben werden?
Verbrannt.
Was soll dereinst auf Ihrem Grabstein stehen?
Ich möchte ein Monument. Oder besser: Ein Mausoleum. Klein: 40 bis 80 Meter.
Bei meinem Begräbnis soll ‹The Final Curtain› gesungen von Frank Sinatra laufen – und bei Ihrem?
‹Heimweh› von Plüsch.
Sie mögen Schweizer Musik?
Ja, ich finde, wir haben hervorragende Musik hierzulande. Und ich bedauere es sehr, dass der Markt nicht wirklich da ist für unsere fantastischen Sängerinnen und Musiker.
Wir bleiben noch etwas beim Sterben …
Schönes Thema. Ich fühle mich so wach jetzt.
Sind Sie Mitglied einer Sterbeorganisation?
Nein, ich versorge mich selber. Ich sage mir immer: Das Gute am Theater ist, dass du den Hauptsponsor immer im Saal drin hast, weil überall ‹Exit› angeschrieben steht ... Ernsthaft: Ich möchte normal sterben. Wenn es wirklich so wäre, dass das Leben für mich keinen Sinn mehr macht, dann gehe ich, wie schon erwähnt, auf den Blasenberg ob Zug und probiere eine Droge, die ich noch nie ausprobiert habe.
Bester Gag in Ihrem Testament?
Passt auf, ich könnte allenfalls wiederkommen.
Glauben Sie an ein Leben danach?
Unbedingt. Mit Tennisplatz.
Wie sieht Gott aus?
Das ist ein alter Mann mit einem langen weissen Bart. Ein netter Kerl, auf den ich mich freue. Weil: Mich interessiert die Dreifaltigkeit. Er ist ja dann zu dritt. Und so etwas habe ich noch nie gesehen.
Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche schrieb einmal: ‹Seines Todes ist man gewiss: Warum wollte man nicht heiter sein?› Darf man über den Tod Witze machen?
Unbedingt. Meine liebste Vorstellung ist, dass der Tod an die Türe klopfe, ich mache auf, und er sagt: (mimt gruslige Stimme) ‹Ich komme dich holen.› Und ich: ‹Du Schatz, es ist für dich!› Oder: ‹Ich habe im Moment keine Zeit.› Und ich haue die Türe wieder zu.
Was geben Sie einer jungen Komikerin, einem jungen Komiker als Ratschlag auf den Weg mit?
Glaube an dich, vertraue dir, habe viel Freude und habe Mut, die Zeit bestimmen zu lassen, wie es weiter geht.
Finden Sie, die Schweiz hat in Sachen Komik ein Nachwuchsproblem?
Nein. Null.
Es gibt ja etliche YouTube-Stars im Comedysektor.
Ich glaube, YouTube ist ein Zeichen der Zeit. Früher standen die Leute an vor einer Papeterie, 200 Meter, und warteten auf ihr Ticket. Die Wege und das Auftreten sind anders geworden.
Sie selbst sind ja auch ziemlich aktiv im Internet – drehen regelmässig kleine Filmli.
Auf Facebook, ja. Aber das ist ja bereits für die Altersschwachen.
Und auf YouTube?
Wenn ich Lust habe, dann mache ich etwas – und sonst nicht.
Meistens sind Sie ja nackt in Ihren Filmen …
Das hat was mit meinem exhibitionistischen Wesen zu tun.
Auch mit Ihrem Sohn Nicolas haben Sie schon ein Fast-Nackt-Filmchen gedreht. Haben Sie das ihm weitervererbt?
Genau, er hat auch kein Problem damit. Wir sind schon zusammen mitten im Winter in den See gesprungen. Ich sage immer: Freude haben am Leben. Auch einmal über die Stränge hauen, das Kalb machen … Das ist auch das, was ich schätze, wenn du irgendwo bist, wo dich niemand kennt. Die Leute lachen und kommen nicht draus. Das hat mich auch schon als Teenager angetrieben: Quatsch zu machen.
Ist es ein Traum von Ihnen mit Ihrem Sohn einen ganzen Abend zusammen auf der Bühne zu stehen?
Ein Traum ist das nicht. Aber wenn sich das ergeben würde aus irgendeiner Geschichte heraus … Man soll niemals nie sagen.
Was denken Sie: Wohin entwickelt sich die Schweizer Kabarettszene?
Die entwickelt sich jeden Tag wunderbar weiter. Stefanie Berger kommt bald mit neuem Programm. Sie ist für mich eine der talentiertesten Frauen hierzulande. Dann kommt Regula Esposito als Helga Schneider mit einem neuen Programm … sie ist rasend lustig. Sehr schnell, sehr witzig. Anet Corti finde ich grossartig. Ursus und Nadeschkin, Hazel Brugger und Charles Nguela finde ich auch wahnsinnig toll, auch Joël von Mutzenbecher aus Basel. Und das Schönste: Es gibt einen guten Zusammenhalt untereinander, man hilft sich gegenseitig. Das ist ein Zeichen, dass diese Szene sehr erwachsen geworden ist.
Und wie hat Ihnen die Entwicklung dieses Interviews gefallen?
Ich habe mich das ganze Interview hindurch hervorragend gefühlt. Das hat mit dem Vertrauen zu tun. Vertrauen, das habe ich ja am Anfang gesagt, ist auch gleichzusetzen mit Liebe, Dankbarkeit und viel Respekt. Das, was wir erwarten dürfen von unseren Mitmenschen. Verbunden mit einer gewissen Altersmilde.
Und wie geht es Ihrem Job?
Meinem Job? Ah, Sie meinen dem Fragenzählen. Wir sind jetzt bei 6’735 Fragen.
Seien Sie bitte ehrlich ...
... es sind jetzt genau 890 Fragen.
Das heisst, wir müssen jetzt noch eine Stunde weiterreden? Ach, Sie haben doch einfach falsch gezählt.
Ja, stimmt.
Wie fühlen Sie sich im Moment?
Sehr gut. Ich würde es sehr bedauern, wenn das jetzt die letzte Frage wäre. Ich fand es megasuper. Vor allem habe ich es noch nie erlebt, dass die Kameraleute während der Arbeit eingeschlafen sind (lacht).
Dann hören wir, glaube ich, jetzt besser auf.
Ich glaube auch ... merci, Herr Bötschi.
Ich habe zu danken.
Ich hoffe, dass wir uns später im Leben wieder einmal ...
... sehen können?
Duzen!
Bruno.
Marco.
Danke.
Danke.
Und so geht's weiter:
Das «1000-Fragen-Interview» wurde in dieser Woche in vier Teilen auf «Bluewin» publiziert – am Montag Teil eins, am Dienstag Teil zwei, am Mittwoch Teil drei, heute Teil vier.
Wer das Interview gern an einem Stück lesen möchte, kann dies am Freitagmorgen tun: Dann wird das Interview in voller Länge aufgeschaltet.