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Bötschi fragt
Katrin Sass: «Wir werden der Angela Merkel noch nachweinen»
Von Bruno Bötschi, Berlin
4.11.2019
Katrin Sass gehört zu den bekanntesten Schauspielerinnen Deutschlands, Lebenskrisen führten sie an den Abgrund. Ein Gespräch über ihre Alkoholsucht, den Mauerfall vor 30 Jahren – und wie sie immer wieder aufgestanden ist.
Ein sonniger Herbstnachmittag in Berlin, in einem Café mit Blick auf das Brandenburger Tor, dem vielleicht prächtigsten Bauwerk der Stadt.
Die im ostdeutschen Schwerin geborene Katrin Sass, 62, ist gut gelaunt, doch unschlüssig. Nicht die Fragen des Journalisten bringen Sie aus dem Takt. Es ist Lucky, ihr junger Hund. Er hat absolut keine Lust unter dem Tisch Platz zu nehmen.
Irgendwann reicht es der Schauspielerin, und sie bringt Lucky zurück ins Auto. Nach der durch den Vierbeiner verursachten Aufregung gönnt sich die Sass zur Tasse Milchkaffee ein Stück Kuchen.
Und dann geht es los mit dem Gespräch – über das Leben, ihre Sucht, die Mauer und die Rückkehr des «Usedom»-Krimi im November. Die Sass wird darin zum zehnten Mal in die Rolle von Ex-Staatsanwältin Karin Lossow zu sehen sein.
Frau Sass, sagen Sie bitte auf einer Skala von eins bis zehn: Wie verrückt ist die Welt gerade?
Acht.
Also ziemlich verrückt?
Ja, aber es kann noch verrückter kommen – manche behaupten zwar, der Zustand der Welt sei «unglaublich schlimm». Aber so etwas würde ich nie sagen. Wenn man sich das einredet, wird es gefährlich.
Und wie verrückt sind Sie?
Ich würde sagen: drei, auf der Skala. Würde mich jemand anders beurteilen, käme wohl sieben heraus. Ich kann mich selber nicht richtig beurteilen.
Das Jahr 2019 ist möglicherweise ein verrückt schönes Jahr für Sie: Sie können drei Jahrestage begehen – 30 Jahre Mauerfall, 20 Jahre ohne Alkohol – und im November wird der 10. Usedom-Krimi ausgestrahlt.
Ich muss Sie korrigieren, es sind bereits 21 Jahre ohne Alkohol.
Im «Spiegel» stand kürzlich, Sie würden heuer 20 Jahre Trockenheit feiern.
Das war falsch – am 22. Juli 2019 waren es 21 Jahre.
Im «Spiegel» war weiter zu lesen, dass Sie die Wende «im Suff verpennt» hätten.
Sie sagen es sehr deutlich und sehr richtig. Ich muss dazu aber anmerken: Ich bin in manchen Dingen ein ziemlicher Schisshase. Als die Mauer am 9. November 1989 aufging, hiess es anfänglich: Jene, die sofort rübergehen, dürfen nicht mehr zurück in die DDR kommen. Da dachte ich mir: Moment mal, darauf muss ich mich zuerst vorbereiten. Aber vielleicht konnte ich es im ersten Moment auch einfach nicht richtig fassen, was da gerade passierte. Auf jeden Fall bin ich erst drei Tage danach zum ersten Mal in den Westen rübergefahren.
30 Jahre Mauerfall, 21 Jahre ohne Alkohol: Was von beiden beeinflusst Ihr Leben nachhaltiger?
Beides hat mein Leben gleichermassen beeinflusst. Ich kann nicht sagen, was wichtiger ist.
Drogen und Alkohol scheinen zu Ihrer Branche dazuzugehören – oder ist das ein falscher Eindruck?
Drogen kannte ich zum Glück nicht. Wenn wir in der DDR auch noch Drogen gehabt hätten, dann wäre ich wahrscheinlich verreckt. Ich bin froh, dass wir das Zeugs nicht hatten ... dafür danke ich der Deutschen Demokratischen Republik (lacht).
Schauspielerin Beatrice Richter erzählte in einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit», früher habe es immer geheissen, «du musst nach dem Dreh mitgehen zum Saufen, sonst gehörst du nicht dazu».
Ich habe das ähnlich erlebt. Als ich noch am Theater arbeitete, gingen wir nach dem Spiel meistens alle zusammen in die Kantine. Wir mussten irgendwie runterkommen. Die zwei, drei Kollegen, die Brotdosen dabeihatten und direkt nach Hause gingen, wurden schräg angeschaut. Heute weiss ich: Die mit den Brotdosen hatten recht.
Haben Sie heute auch eine Brotdose dabei?
Ich hatte früher keine Dose und besitze auch heute keine. Und sowieso, ich spiele kein Theater mehr. Die Bühne hat für mich den Reiz verloren. Aber nach Dreharbeiten für einen Film sind die Gefühle ähnlich: Man fragt sich, wo alle sind – und vermisst das Zusammensein. Man fällt in ein Loch.
Was tun Sie heute in solchen Momenten?
Ich gehe raus in meinen Garten und gucke auf den See. Ich mache also genau das Gegenteil von dem, was ich früher tat. Das Wasser wirkt beruhigend auf mich.
2001 haben Sie, nur einen Tag bevor Sie für Ihre Rolle in Film «Heidi M.» den Deutschen Filmpreis gewannen, in der Late-Night-Show «Koschwitz» öffentlich gemacht, dass Sie jahrelang alkoholkrank waren ...
Sie wissen aber auch alles. Sehr fleissig ... – ich dachte, nur die Deutschen sind so fleissig.
Warum outeten Sie sich gerade damals?
Als ich mit Freunden im Sommer 2018 «20 Jahre Trockenheit» in meinem Garten feierte, lud ich auch Moderator Thomas Koschwitz ein. Er kam tatsächlich vorbei, obwohl ich ihn jahrelang nicht mehr gesehen hatte. Meinen Gästen stellte ich Koschwitz mit dem Satz vor: «Das ist der Mann, der mich geoutet hat, weil er in seiner Sendung gefragt hat, ob ich wegen meiner Alkoholsucht als Fernsehkommissarin rausgeschmissen worden bin.» Später kam Koschwitz auf mich zu und sagte: «So war das nicht, du hast die Geschichte nicht mehr richtig in Erinnerung.»
Wie war es dann?
Während der Sendung gab es eine Pause, in der mich Koschwitz fragte, ob es okay sei, wenn er mich in der Sendung fragen würde, warum ich als TV-Kommissarin rausgeschmissen worden bin. Ich sagte: «Fragen Sie einfach.» Als die Sendung weiterging, redete Koschwitz und redete, aber er stellte die besagte Frage nie. Bis ich irgendwann das Mikrofon nahm und sagte: «Aber Sie wollten mir doch noch eine Frage stellen.» Ja, ich war es selbst, die das Thema rausgelockt hat – nicht Koschwitz. Ich hatte nach all den Jahren völlig vergessen, dass ich mein Outing selbst forciert hatte.
Wie ging es weiter?
Nach der Sendung rief mein Agent an und sagte: «Das war es für dich, Katrin. Deine Laufbahn ist beendet.»
Was passierte am nächsten Tag?
Irgendwann meldete sich mein Agent wieder und sagte: «Hattest wieder mal Glück, es kamen ganz viele Anrufe von Menschen, die meinten: Hut ab vor der Sass.» Wahrscheinlich waren das alles Leute, die mit dem zweiten Glas Wein vor dem Fernseher sassen, als die Koschwitz-Sendung lief.
In einem Interview haben Sie einmal gesagt: «Wenn mir jemand Ketten anlegt, dann werde ich nervös.» Fühlte sich der Alkohol nie wie eine Kette an?
Als ich noch trank, fühlte es sich nicht so an – heute weiss ich jedoch: Ich war abhängig, und natürlich lag ich in Ketten. Es war eine schreckliche Zeit. Zuerst kam die psychische Abhängigkeit, danach die physische. Musste ich einen Tag ohne Alkohol auskommen, hoffte ich einfach, dass ein Arzt in der Nähe wäre. Es war die Hölle.
Jeder Griff zur Flasche, heisst es, sei ein Schrei nach Liebe. – Welche Liebe suchten Sie?
Wonach suchen wir Menschen? Nach DER Liebe natürlich.
Sie waren damals verheiratet.
Na und? Wir Menschen suchen doch selbst in einer Beziehung weiter. Ich dachte: Ich muss alles für meinen Mann tun, weil ich mich ständig für meine Alkoholkrankheit entschuldigen wollte. Gleichzeitig fand ich jedoch: Ich bekomme nix zurück. Aber das alles zu erklären, würde jetzt zu lange dauern … – und ich bin ja auch keine Therapeutin.
Haben Sie mal richtig schlimm in der Liebe gelitten?
Och, wer denn nicht – das gehört doch zum Leben. Aber ich möchte das nicht mehr erleben, wirklich nicht mehr. Ach, die Liebe gibt es doch gar nicht, ach, darüber will ich heute auch nicht reden.
Okay, akzeptiert.
Ich glaube nicht daran, dass wir lieben, um geliebt zu werden. Ich glaube vielmehr an bestimmte Beziehungen, die wunderbar funktionieren. So wie die Beziehung des Ehepaares, das bei mir ums Eck wohnt. Die beiden sind seit 60 Jahren zusammen und sind so etwas von symbiotisch. Sie sind 84 und 86 Jahre alt und gehen nach wie vor Hand in Hand spazieren. So was Schönes! Ganz toll!
Sie waren in der DDR eine erfolgreiche Theater- und Filmschauspielerin – und sind es auch im vereinten Deutschland. Wie haben Sie das geschafft?
Das weiss ich nicht und will ich auch nicht wissen. Ich möchte der Antwort auf diese Frage wirklich nicht weiter nachgehen. Nur so viel: Ich bekam vorgestern ein Drehbuch für einen Kinofilm auf den Tisch. Die Rolle hat mich fast umgehauen ... Hammer! Hammer! Aber in solchen Momenten bleibe ich ganz still, schreie mein Glück nicht in die Welt hinaus. Denn wie gesagt: Ich weiss nicht, warum es in den letzten Jahren so gelaufen ist für mich. Andere hat der Alkohol dahingerafft, ich kam davon weg – und nicht nur das, ich kam wieder hoch.
Hat Ihnen der berufliche Erfolg geholfen, den Alkohol vergessen zu machen?
Ich weiss wirklich nicht, warum ich es geschafft habe von der Flasche wegzukommen. Auch für meinen Therapeuten ist es ein Rätsel, wie ich den Entzug damals ganz ohne Klinik hinbekam.
Im «Zeit-Magazin» erzählten Sie darüber: «Ich wusste gar nicht, dass das ein kalter Entzug ist, an dem man sterben kann. In der Wohnung meiner Mutter ging’s dann los: Brechreiz, Zittern, ich wusste nicht, ob das Herz hinten oder vorne rauskommt.»
Es stimmt, es war lebensgefährlich. Aber das habe ich erst im Nachhinein erfahren. Und was ich auch erst später erfahren habe: Es gibt viele Menschen, die drei, vier Monate in der Klinik sind, keinen Schluck Alkohol mehr trinken, aber kaum sind sie wieder draussen, kaufen sie im nächsten Laden eine Flasche Bier.
In der TV-Serie «Weissensee» spielten Sie die Sängerin Dunja Hausmann, die gern einen über den Durst trinkt: Nutzten Ihnen Ihre Erfahrungen mit dem Alkohol bei den Dreharbeiten?
Ja, natürlich. Es gab eine Szene, die war nach meiner Erfahrung völlig falsch geschrieben. Friedemann Fromm, der Regisseur von «Weissensee», ist ein wunderbarer Mensch. Deshalb war mir klar, ich muss mir sehr genau überlegen, wie ich meine Bedenken äussern werde.
Um welche Szene ging es?
Die Szene spielte in der Wohnung. Die betrunkene Hausmann sackt in der Küche zusammen und entschliesst sich, ihren ganzen Alkohol wegzuschütten und danach duschen zu gehen. Ein alkoholkranker Mensch würde so etwas nie tun. Er schüttet doch nicht alle seine Medizin weg. Ein Alkoholiker würde versuchen, etwas aufzuheben für den nächsten Morgen, und er müsste auch zuerst einen Schluck trinken, sonst würde er gar nicht mehr hochkommen.
Wie ging Regisseur Friedemann mit Ihren Einwänden um?
Er hat sie angenommen und die Szene geändert. Das fand ich toll.
Im November sind Sie wieder im Usedom-Krimi zu sehen. Sie spielen darin die Staatsanwältin Karin Lossow, die vor Jahren ihren Mann umgebracht hat, und jetzt wieder in der Freiheit ist – und einfach nicht ruhig sitzen kann. Die Lossow provoziert gerne – tun Sie das im richtigen Leben auch?
Ja, das hat die Lossow von mir ... ach was, das war jetzt ein Witz (lacht schallend). Mir macht die «Usedom»-Serie sehr viel Spass, weil es kein normaler Krimi ist – es geht nicht nur um Kommissar, Polizei und Täter, sondern es geht auch immer um das Thema «Familie».
Brauchen Sie eine gute Stimmung am Set, um gut spielen zu können?
Ja.
Was tun Sie, wenn Sie sich am Set überfordert fühlen? Es heisst, Sie können sehr impulsiv sein ...
... och, darüber will ich jetzt nicht reden ...
Sind Sie gut im Entschuldigen?
Ich entschuldige mich lieber dreimal als keinmal.
Wie impulsiv haben Sie reagiert, als Sie erfahren haben, dass Sie in der DDR von Ihrer besten Freundin bespitzelt worden sind?
Ich wusste lange vorher, dass mich die Stasi bespitzelt. Aber ich hätte niemals erwartet, dass es meine beste Freundin gewesen ist. Der Moment, als ich das erfahren habe, ist … war … ich kann das gar nicht in Worte fassen ... – erst blieb mir die Luft weg, dann wollte ich nur noch losheulen. Als ich die Frau später am Telefon hatte, wurde es laut, sehr laut. Es fühlte sich lange so an, als würde ich in einem ganz schlechten Film mitspielen.
Das müssen Sie erklären.
Zuerst konnte ich es nicht fassen, was in den Stasi-Unterlagen über mich geschrieben stand. Das war schon ... ach, dass wir heute, 30 Jahren später, immer noch darüber reden, ist ja ein Zeichen dafür, wie heftig es gewesen ist.
Hätten Sie die Freundin am liebsten geschlagen?
Nein, nein ...
Wie hat sich nach diesem Vertrauensbruch die Beziehung zu Ihren Mitmenschen verändert?
Die meisten Menschen werden nach solchen Erlebnissen vorsichtiger, andere ziehen sich ganz zurück. Leider oder vielleicht auch Gott sei Dank ist das kein Charakterzug von mir. Ich fände es furchtbar, wenn ich ständig darauf achten müsste, wem ich was sage. Ach, ich trete lieber ab und zu in ein Fettnäpfchen. Das gehört zu meinem Leben, das weiss ich.
Haben Sie sich als Frau je benachteiligt gefühlt?
Nein – das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich mich immer sofort gewehrt habe, wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte. Warum machen das Frauen nicht? Sind wir immer noch im Mittelalter?
Wann waren Sie zuletzt eingeschüchtert von der grossen, weiten Welt?
Sie meinen, wann ich das letzte Mal Angst hatte vor den politischen Entwicklungen auf der Welt? Natürlich habe ich ein grosses Problem mit dem Rechtsruck in Deutschland und mit dem hohen Wähleranteil für die AfD. Aber ich möchte nicht sagen, dass ich deswegen Angst kriege. Nein, das will ich diesen Leuten nicht vermitteln.
In Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben neulich mehr als 20 Prozent der Wähler für die AfD gestimmt. Viele behaupten, sie hätten das aus Protest getan, weil der Osten von den Westdeutschen noch immer nicht ernst genommen werde und jene sich arrogant verhalten würden.
Wie kann man nur Protestwähler werden? Das ist doch der totale Blödsinn. Protestwähler wählen ja scheinbar eine Partei nicht wegen ihrer Inhalte. Aber was tue ich dann, wenn diese Partei an die Macht kommt? Wer behauptet, in Deutschland gebe es keine Meinungsfreiheit, der erzählt Quatsch. Es gibt rechte Zeitungen, es gibt linke Zeitungen, und auch die AfD-Politikerinnen und -Politiker werden regelmässig in Talksshows eingeladen.
Kürzlich titelte der «Spiegel» auf dem Titelbild: «So isser, der Ossi».
Diese Art von Pauschalisierungen mag ich überhaupt nicht. Da krieg ich eine Wut. Genauso werde ich wütend, wenn mir irgendein junger Mensch an den Kopf wirft, in der DDR sei sowieso jeder dritte bei der Stasi gewesen. In solchen Momenten stehe ich auf die Hinterbeine und wehre mich: Halt! Stop! Ja, die DDR war meine Heimat. Es sagte zwar mal jemand, eine Diktatur könne keine Heimat sein. Aber natürlich war die DDR meine Heimat. Und natürlich hatten wir als Schauspieler auch unsere Nischen.
Wie haben Sie die deutsche Wiedervereinigung 1989/90 erlebt?
Ein grosses Glück ist, dass wir damals nicht von Panzern überrollt worden sind. Aber natürlich ist einiges falsch gelaufen und auch viel Trauriges passiert. Aber wie hätte es anders gehen sollen? Hätte die DDR die BRD übernehmen sollen? Natürlich hätte man in der Anfangsphase vieles besser machen können und genauer überlegen sollen, was kann man wie verbinden. Mit der Treuhandanstalt lief auch ganz viel schief. Ich würde mir wünschen, dass alle den 9. November 1989 noch einmal erleben könnten. Damit wir alle noch einmal begreifen, wie grossartig das war. Ohne Schüsse, ohne Blut.
Mit Angela Merkel und Joachim Gauck haben zwei frühere DDR-Bürger lange zusammen die beiden exponierten Staatsämter Deutschlands bekleidet. Werden die beiden nicht als Identifikationsfiguren wahrgenommen?
Das frage ich mich auch. Eines ist sicher: Wir werden der Frau Merkel noch nachweinen. Ich finde es grossartig, wie Frau Merkel die Kritik an ihr abperlen lässt. Ich bewundere diese Frau. Ich finde es widerlich, wie die Leute auf dem Merkel- Satz «Wir schaffen das» von 2015 herumhacken – Das ist doch ein ganz menschlicher und christlicher Satz.
Was werden Sie am 9. November 2019 tun?
An diesem Tag möchte ich einige Freundinnen und Freunde einladen, eine Feuerschale in meinem Garten aufstellen und meine Stasi-Akte verbrennen. Aber ich weiss nicht, ob ich das auch wirklich schaffen werde. Lange Zeit hatte ich die Akte im Kleiderschrank in meinem Schlafzimmer gelagert. Irgendwann dachte ich, ich will diese schlechte Energie nicht mehr in meiner Nähe haben und verbannte die Akte in den Keller. Und jetzt ist, glaube ich, die Zeit gekommen, dass Zeugs ganz verschwinden zu lassen. Ich weiss ja ganz genau, was da alles drinsteht. Ich will nicht, dass jemand anderes darin lesen muss, wenn ich einmal nicht mehr bin.
Was ist Ihr Plan für das Alter?
Ich habe keine Pläne.
Warum nicht?
Was kommen muss, kommt. Und: Ich bin eine ganz schlechte Planerin. Wollen Freunde mit mir für die nächste Woche etwas abmachen, sage ich immer: Ruft mich am Tag selber nochmals an. Ich weiss, es ist ein furchtbarer Charakterzug, aber ich kann es nicht ändern.
Früchten Sie sich vor dem Ende?
Ja – deshalb habe ich vor einiger Zeit angefangen, Texte und Bücher von Menschen mit Nahtod-Erlebnissen zu lesen. Irgendwie ist es ja verrückt, wie wir Menschen am Leben hängen. Wir waren ja vorher auch nicht da.
Glauben Sie an ein Danach?
Ja – aber erst, seit ich keinen Alkohol mehr trinke. Seitdem glaube ich auch nicht mehr an Zufälle.
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn es mit der Schauspielerei nicht geklappt hätte?
Ein Hund.
… aber sie sind doch ein Mensch …
… ja eben, da hätte ich mir Hängeohren machen lassen, eine Hundemaske wie Sänger Cro getragen und hätte gebellt (lacht).
Und ernsthaft?
Ich kann mir das nicht vorstellen, ich habe ja nie etwas anderes gekannt. Wahrscheinlich hätte ich etwas mit Tieren gemacht – vielleicht eine Hundepension geführt. Obwohl, das gibt wahnsinnig viel Arbeit – und wenn ich ehrlich bin, Arbeit ist gar nicht so meins.
Sind Sie ein fauler Mensch?
Ich weiss gar nicht, ob faul das richtige Wort dafür ist. Aber ich hasse arbeiten ... obwohl, ich weiss gar nicht richtig, was arbeiten ist.
Ist die Schauspielerei keine Arbeit für Sie?
Nein, sie ist zwar manchmal anstrengend. Aber es ist doch ein Riesenglück, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann.
Bibliografie: Das Glück wir niemals alt, Katrin Sass, Ullstein, ca. 11.90 Fr.
«Der Usedom-Krimi» läuft Donnerstag, 7. November, und am Donnerstag, 14. November, um 20:15 Uhr auf ARD. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.
Do 07.11. 20:15 - 21:45 ∙ Das Erste ∙ D 2019 ∙ 90 Min
Sendung ist älter als 7 Tage und nicht mehr verfügbar.