KolumneMauerfall-Jubiläum – ist Deutschland wiedervereinigt?
Von Michael Angele
30.10.2019
Das Fremdeln von Deutschlands Ostens mit dem Westen ähnelt jenem Gefühl, das viele Schweizer angesichts der Deutschen empfinden. Die Sympathie der DDR mit der Schweiz müsste einmal aufgearbeitet werden.
Am 9. November wird es dreissig Jahre her sein, dass die Mauer gefallen ist. Aber immer noch ist Deutschland nicht richtig «wiedervereinigt» – obwohl es doch wirtschaftlich mit den fünf Bundesländern aufwärts geht, Lohngefälle und Arbeitslosigkeit langsam sinken; in Thüringen, wo letztes Wochenende gewählt wurde, liegt sie bei 5,2 Prozent.
Wie lässt sich das verstehen? Der Historiker Philipp Ther hat neulich an den Historiker Karl Polanyi erinnert, der schon im 19. Jahrhundert darauf hingewiesen habe, dass die Gefühle der Entwurzelung und des Verlusts der sozialer Identität nicht einfach verschwinden, «wenn es aufwärtsgeht».
So ist es. Und man muss diese Gefühlslage mit langen Zeiträumen und tiefen Kränkungen verrechnen. Vor dreissig Jahren haben die Ostdeutschen ja nicht nur ein ganzes System verloren, mit dem sie kaum je glücklich verbunden waren, es wurde ihnen von ihren Landsleuten aus dem Westen auch eingetrichtert, dass ihre Lebensleistung nichts wert gewesen sei.
Ampelmännchen und grüner Pfeil
Die Fabriken nicht wettbewerbsfähig, die Städte grau, selbst die Dialekte irgendwie zum Vergessen (sächsisch!). Eigentlich sind nur zwei Dinge aus der DDR in die neue Zeit übernommen werden, beide aus dem Strassenverkehr: die Ampelmännchen und der grüne Pfeil, der einen auch bei Rot rechts abbiegen lässt. Aber sogar der grüne Pfeil ist selten geworden.
Viele Wessis sind in der Wendezeit als Kolonialherren wahrgenommen worden – und werden es noch. Ich weiss, wovon ich spreche. Anfang der 1990er Jahre hatte ich eine kleine Stelle an einem Institut der Akademie Ost. Ich arbeitete für eine Zeitschrift, die den sperrigen, DDR-konformen Titel «Referatedienst der Literaturwissenschaft» trug.
Aus dem «Referatedienst» wurde «Paratext», und aus dem schwerfälligen System aus Karteikarten und Druckfahnen sollte ein digitales Projekt entstehen. Das alles war für meine Ostberliner Vorgesetzte nicht das Problem. Problematisch wurde es, als klar wurde, dass unser Projekt nicht prestigeträchtig genug war und deshalb von der machtbewussten Oberchefin aus Hamburg für coolere Projekte geopfert wurde.
Bis heute gibt es viele westdeutsche Oberchefs im Osten, aber nur wenige ostdeutsche Oberchefs im Westen. Ostdeutsche sind in der Elite des Landes markant untervertreten. Es kursiert die nicht ganz zweifelsfreie Zahl von 1,7 Prozent. Bei einem Bevölkerungsanteil von 17 Prozent wäre auch die doppelte Prozentzahl noch wenig.
Paris ja, Westberlin nein
Meine Vorgesetzte vom «Referatedienst» hat dann auf Logopädin umgeschult und lebt heute zurückgezogen in der Uckermark. Aber man muss sich gar nicht so extrem zurückziehen; unsere Wohnungsnachbarn in Prenzlauer Berg, Ossis, arbeiten beide im Westen, aber mir wäre nicht bekannt, dass sie jemals einen Abend in Westberlin verbracht hätten. Über ihren letzten Urlaub in Paris sprachen sie dagegen mit Begeisterung. Sie ziehen demnächst in die ostdeutsche Stadt Brandenburg an der schönen Havel.
Man kann also sagen: Der Osten fremdelt immer noch mit dem Westen. Ich kann dieses Fremdeln gut verstehen. Es ähnelt dem, das viele Schweizer angesichts der Deutschen empfinden, die manchmal immer noch «Schwaben» heissen, was ja schon besagt, wer gemeint ist.
Dagegen gab es eine stille, meines Wissens noch nicht aufgearbeitete Sympathie der DDR mit der Schweiz. Das zeigte sich etwa an dem grossen Interesse in der DDR an Schweizer Literatur. Umgekehrt gab es eine etwas zweifelhafte Faszination für überdimensionierte Hornbrillen, Parteiabzeichen und Schwefelgeruch.
Verbitterter Spyri-Nachfahre
Rund 1'000 Menschen mit Schweizer Pass lebten sogar dauerhaft im zweiten deutschen Staat. Viele davon Kommunisten und manche Verliebte, und manche beides zugleich, wie der Reporter Jean Villain, ein Nachfahre von Johanna Spyri, den ich in quasi doppelter Verbitterung (Schweiz-DDR) ein paar Jahre vor seinem Tod in der Uckermark besucht hatte. In der DDR hatten seine Reportagebücher Millionenauflage, nun wollte kein Verlag mehr etwas von ihm drucken.
Umgekehrt haben nach der Wende ja dann viele DDR-Bürger in die Schweiz ihr Glück versucht, in der Gastronomie, auf dem Bau. Letzten Sommer traf ich einen in der Badi. Als Lastwagenfahrer verdiene er in der Schweiz das Dreifache wie zuhause. Alles supi. Es stört ihn nur etwas, dass in der Schweiz so viele Ausländer sind, das hätte er gar nicht gedacht. Hallo?
An dieser Stelle sollte man daran erinnern, dass das anhaltende Fremdeln der Ostdeutschen leider auch eine rechtsextreme Partei wie die AfD gross macht. Unter der Führung von Björn Höcke hat sie in Thüringen gerade 23,4 Prozent eingefahren. Höcke, ein Gymnasiallehrer, ist übrigens auch ein Westimport.
Der Berner Michael Angele liefert regelmässig eine Aussenansicht aus Berlin – Schweizerisches und Deutsches betreffend. Angele bildet zusammen mit Jakob Augstein die Chefredaktion der Wochenzeitung «Der Freitag». Er ist im Seeland aufgewachsen und lebt seit vielen Jahren in Deutschlands Hauptstadt. Berndeutsch kann er aber immer noch perfekt. Als Buchautor erschienen von ihm zuletzt «Der letzte Zeitungsleser» und «Schirrmacher. Ein Porträt».
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Evakuierungsaktion bei der Seilbahn Lungern-Turren in Lungern im Kanton Obwalden: Wegen einer technischen Panne mussten rund 27 Personen mit dem Helikopter gerettet werden.
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Zu zweit durch dick und dünn – und durch heiss und eiskalt: Dieses Liebespaar sprang am Valentinstag in Hamburg ins kalte Wasser.
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Halb Euroopa friert. Diese Heidschnucken in Braunschweig jedoch lassen sich von den frostigen Temperaturen nicht beeindrucken. (13.02.2021)
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Sahara-Sand färbt Schnee und Himmel orange im Skigebiet Anzère in der Schweiz.
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Menschen drängen sich in der Einkaufsstrasse Via del Corso in Rom nachdem die Corona-Massnahmen gelockert wurden.
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Irgendwo dort versteckt sich die A7: Nahe Hannover herrscht dichtes Schneetreiben auf der Autobahn.
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Eine Replik der Saffa-Schnecke fotografiert vor der Schweizer Nationalbank während einer Jubiläumsaktion organisiert von Bern Welcome, zu 50 Jahren Frauenstimm- und -wahlrecht. (06.02.2021)
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Feuer an der Tankstelle: Die deutsche Rastanlage Hunsrück Ost an der Autobahn A61 ist einer nur knapp einer Katastrophe entgangen, nachdem hier ein Kleintransporter beim Betanken in Vollbrand geriet. Erst die Feuerwehr konnte das Feuer löschen – zuvor hatte der Kassier allerdings richtig reagiert und per Notschalter die ganze Tankanlage ausser Betrieb genommen. (28.1.2021)
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Da kann man auch grosse Augen machen: Auf einer österreichischen Landstrasse ist eine Waldohreule mit einem Auto zusammengestossen. Der Vogel überstand den Crash mit dem Bruch eines Flügels und wird derzeit auf einer Greifvogelstation aufgepäppelt. (28.1.2021)
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Bild: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa
Winston hat das Coronavirus besiegt: Der Gorilla erholt sich im Zoo von San Diego nach einer umfangreichen medikamentösen Behandlung von einem schweren Verlauf seiner Corona-Infektion. Bei dem 48-jährigen Silberrücken Winston waren im Zuge der Infektion eine Lungenentzündung und Herzprobleme aufgetreten. Er wurde daraufhin mit einer Antikörper-Therapie, Herzmedikamenten und Antibiotika behandelt. (26.1.2021)
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Von Ruhe auf einer Parkbank kann hier nicht die Rede sein: Möwen und Tauben schwirren und fliegen um eine Frau in Tokio umher. (26.1.2021)
Bild: Eugene Hoshiko/AP/dpa
Schnack beim Snack: Fischer Willy Rivas scherzt im peruanischen Lima mit einem Freund beim Essen in der Fischerbucht in Chorrillos. (26.1.2021)
Bild: Rodrigo Abd/AP/dpa
Banger Blick zum Horizont: Ein freiwilliger Helfer benutzt sein Walkie-Talkie, während er den Vulkan Mount Merapi während einer Eruption überwacht. Der Vulkan, der als einer der gefährlichsten der Welt gilt, ist erneut ausgebrochen und spukte mehrere Stunden glühende Asche und Gestein. (27.1.2021)
Bild: Slamet Riyadi/AP/dpa
Stausee verkommt zu «fliessenden Müllhalde: Ein Mann geht an Tonnen von Müll vorbei, die am Fusse des Wasserkraftwerks am Potpecko-Stausee in Serbien schwimmen. Vor allem Plastikabfälle gelangen durch Nebenflüsse in den Stausee und sammeln sich hier an. Eine serbische Zeitung schrieb bereits von einer «fliessenden Müllhalde». (26.1.2021)
Bild: Darko Vojinovic/AP/dpa
Dickschädeltest: Stirn an Stirn messen zwei Rinder im deutschen Naturschutzgebiet Boberger Niederung ihre Kräfte. (25.1.2021)
Bild: Daniel Bockwoldt/dpa
Nasskaltes Ende: Zwischen Frauenfeld und Matzingen ist eine 33-jährige Wagenlenkerin bei Glatteis von der Strasse abgekommen und im Murgkanal gelandet. Die Frau wurde mit leichten Verletzungen ins Spital gebracht. (26.1.2021)
Bild: Kapo TG
Opfer der Zerstörungswut: Ein Mann räumt in einem Fast-Food-Restaurant in Rotterdam auf. Die Niederlande sind erneut von sogenannten Corona-Krawallen erfasst worden. Hunderte gewaltbereite Jugendliche hatten nach Polizeiangaben in mehreren Städten randaliert und dabei auch die Polizei angegriffen. (25.1.2021)
Bild: Peter Dejong/AP/dpa
Auf den Hund gekommen: Vierbeiner der Indian Railway Protection Force zeigen anlässlich des indischen Nationalfeiertags ihre Kunststückchen.
Bild: KEYSTONE
Galionsfigur mit Kettensäge: Im ungarischen Szilvásvárad streckt sich ein Feuerwehrmann auf dem Dach eines Zugs, um einen Ast abzusägen, der unter der Schneelast heruntergebrochen ist und die Bahnstrecke blockiert. (25.1.2021)
Bild: Keystone
Und sie tun es immer noch: In Rio De Janeiro tummeln sich grosse Menschenmengen auf engem Raum am Strand von Ipanema in Rio de Janeiro. Und das obwohl Brasilien nach wie vor sehr hohe Corona-Fallzahlen hat.
Bild: Bruna Prado/AP/dpa
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Bild: Brenton Edwards/ADELAIDE ADVERTISER/AAP/dpa
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