Die KolumneGeschminkte Politiker: Ist das wirklich nötig?
Mara Ittig
6.5.2018
Immer wieder fallen Staatsmänner auf, indem sie ihrer Schönheit und Jugend etwas gar offensichtlich auf die Sprünge helfen. «Bluewin»-Redaktorin Mara Ittig ist irritiert.
«Oh Gott, hat der Permanent Make-Up an den Augen? Die Brauen gezupft? Etwas ist mit seinem Gesicht, mit einem orangefarbenen Teint und hellen Halbblond unter den Augen, vermutlich von der Schutzbrille im Solarium.»
Da rechnet James Comey in seinem Enthüllungsbuch («Grosser als das Amt») äusserst medienwirksam mit Donald Trump ab und etwas vom ersten, das mich beschäftigt, ist sein Äusseres. Die Auftritte des Ex-FBI-Chefs wirken auf mich irgendwie bizarr. Das liegt nicht an seiner Kompetenz, sondern an seinem unnatürlichen Äusseren.
Staatsmänner, Politiker und Gestalten vom öffentlichen Leben, die so offensichtlich – und das lässt den Schluss nahe, auch so dilettantisch – bei ihrem Aussehen nachhelfen, unterstelle ich offenbar mangelnde Kompetenz. Asche auf mein Haupt! Mich irritiert es.
Mich irritiert es auch im Alltag, wenn mir eine Frau mit dermassen voluminös aufgespritzten Lippen gegenübersitzt, dass ich unwillkürlich an einen Unfall denken muss. Es lenkt vom Wesentlichen ab.
Hinzu kommt: Müssten Männer dieses Kalibers nicht bessere Stylisten um sich scharen? Menschen, die in der Lage sind, Haare so zu färben? Dass man nicht von weitem sieht, dass da wohl einer Mühe hat mit dem Älterwerden.
Müssen Politiker instagrammable sein?
Noch nie war es so wichtig wie heute, präsentabel auszusehen. Das gilt auch für Politiker. Eine deutsche Studie kam zum Schluss, dass attraktive Bundestagskandidaten höhere Wahlchancen haben als weniger Attraktive.
Aus diesem Grund ist es nur legitim, wenn sich auch Staatsmänner mehr um ihr Äusseres kümmern, als dies Helmut Kohl, Otto Stich oder François Mitterand taten.
Kürzlich geisterten die (Un-)Summen durch die Presse, die französische Staatsoberhäupter monatlich für ihre Frisur ausgeben. Ich kann diese Männer verstehen. Wenn ich ständig aus allen Winkeln gefilmt und fotografiert würde, wäre es mir auch lieber, meine Haare führten kein unkontrolliertes Eigenleben.
Emmanuel Macron, Barack Obama, Justin Trudeau oder auch Didier Burkhalter machen uns vor, wie das im besten Fall aussieht: Gepflegt, attraktiv, lässig, aber eben auch Kompetenz ausstrahlend verhandeln sie politische Geschäfte. Sie sehen quasi nebenher gut aus, wirken nie zu bemüht um ihr Äusseres. Und genau das macht diese Männer attraktiv.
Und dann gibt es da noch die anderen, die negativen Beispiele: Silvio Berlusconi sieht dank Make-Up, schlecht getöntem Haar und Lifting inzwischen aus wie seine eigene Wachspuppe.
Als Wladimir Putin im Februar seinen Wahlsieg verkündete, stach sein faltenfreies, aufgedunsenes Antlitz ins Auge. Es scheint, als wolle hier jemand krampfhaft das Image eines jungen, vitalen Mannes vermitteln. Das lässt erst recht aufhorchen: Junge, vitale Männer haben das nicht nötig.
Äusserlichkeiten sollten nicht vom Inhalt ablenken
Kein Wunder also, wirken diese Herrschaften stets ein wenig verzweifelt und gockelhaft. Macht alleine reicht für Männer heute offenbar nicht mehr aus, um attraktiv zu sein.
Nur: Haben Staatsmänner nicht Wichtigeres zu tun, als gut auszusehen? Sollten nicht politische Geschäfte weiter oben auf ihrer Agenda stehen als das eigene Gesicht? Sie können jetzt antworten: Es kommt in der Politik auf den Inhalt an und nicht auf Äusserlichkeiten. Stimmt.
Nur: Wenn Äusserlichkeiten so auffällig sind, dass sie vom Inhalt ablenken, verrutscht der Fokus unwillkürlich.
Wissenschaftlich ist erhärtet, dass man attraktiven Menschen automatisch mehr Kompetenzen zuschreibt. Das mag gemein sein, ist aber nun mal so, weil unser Hirn offenbar so funktioniert.
Aber auch hier gilt: Zu viel des Guten ist nicht schön. Botox-Fratzen, Make-Up-Masken und orangefarbene Selbstbräuner-Visagen sehen nicht attraktiv aus. Und wirken deshalb auch nicht kompetent.
Hab ich's mir doch gedacht.
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