Kolumne am Mittag Ashley Graham – Heldin in Einwegunterwäsche 

Von Julia Wagner

4.3.2020

Ungeschönte Wahrheit: Ashley Graham.
Ungeschönte Wahrheit: Ashley Graham.
Bild: Getty Images

Seit Neuestem verehre ich das Plus-Size-Model Ashley Graham abgöttisch. Was das mit Heidi Klum zu tun hat?

Ich bin Ashley Grahams Fan, seit sie ein Selfie in unsexy Einwegunterwäsche gepostet hat.

Kurz zuvor war das Plus-Size-Model das erste Mal Mama geworden und zeigte sich in diesem Instagram-Post ungeschönt mit noch deutlich rundem Bauch. Dazu schrieb sie: «Zeigt auf, wenn ihr nicht wusstet, dass ihr auch eure eigenen Windeln wechseln müsst.»

Danach gab’s Ashley mit Schwangerschaftsstreifen zu sehen, ungeschminkt und beim Milch abpumpen am Rücksitz eines Ubers oder beim Windelwechseln am Boden eines Supermarkts.

Die Medien? Feiern Ashley Grahams Ehrlichkeit. Und auch ich bin froh, dass wir 2020 endlich wieder in der Realität angekommen sind.

Ashley Graham, als sie schwanger war.
Ashley Graham, als sie schwanger war.
Bild: Getty Image

Wenn wir nämlich in das Jahr 2005 zurückspulen, dann sah die Welt noch anders aus.

Blitzschnell schlank: Heidi Klum

Damals machte ein anderes Topmodel, Heidi Klum, als «Victoria’s Secret»-Engel Schlagzeilen. Acht Wochen nach der Geburt ihres Sohnes Henry schwebte sie erschlankt in Dessous über den Laufsteg, als sei nichts gewesen. 2009 präsentierte sie sich sogar nur sechs Wochen nach der Geburt von Tochter Lou in knapper Unterwäsche nahezu perfekt. 

Zur selben Zeit kam auch das Unwort «After Baby Body» in Mode. Plötzlich las man in jedem Magazin von Stars, denen man ihre Schwangerschaft kurz nach der Geburt schon nicht mehr ansehen konnte – als ob dies das erstrebenswerteste Ziel einer modernen Frau sein sollte.

Dass einige Models ihre Kinder bereits im achten Monat per Kaiserschnitt auf die Welt bringen, damit sich der Bauch nicht so ausdehnt, und sie sich anschliessend einem «Tummy Tuck» unterziehen, bei dem die Bauchdecke gestrafft wird, bleibt meistens unerwähnt.

Für ein paar Milliönchen Gage

Fakt ist ja, dass jede junge Mama wie ein Topmodel aussehen könnte. Vorausgesetzt, sie hat eben auch einen Personal Trainer, einen Diätkoch, eine Nanny und eine Visagistin, die das Sixpack per Spray Tan aufmalt. Ein paar Milliönchen Gage als zusätzliche Motivation, um diesen Kampf wider die Natur durchzustehen, sind da sicher auch hilfreich.

Ashley Graham hat jetzt den Spiess umgedreht. Sie ist Topmodel und trotzdem eine normale, junge Mutter. Und sie ist erfolgreich, WEIL sie sich so echt präsentiert und eben kein Fabelwesen mit flachem Bauch ist.

Sie ist eine Heldin, ganz einfach nur, weil sie die Wahrheit postet – und dafür sorgt, dass sich auch Millionen anderer «normaler» Frauen wie Heldinnen fühlen können, die ebenfalls Dehnungsstreifen und Augenringe haben und kurz nach der Geburt inkontinent sind.

Ironisch genug, dass es ein Model braucht, um uns wieder zu zeigen, was eigentlich real ist. Aber genau für diese Wahrheit muss man Ashley Graham umso dankbarer sein.

Regelmässig gibt es werktags um 11:30 Uhr bei «Bluewin» die Kolumne am Mittag – es dreht sich um bekannte Persönlichkeiten, mitunter auch um unbekannte – und manchmal wird sich auch ein Sternchen finden.

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