Essattacken Heisshunger vor der Periode – es sind nicht nur die Hormone ...

Von Sulamith Ehrensperger

11.11.2019

Grosse Lust nach Süssem oder gar Fressattacken – manchmal spielen die weiblichen Hormone verrückt. Doch nicht nur diese spielen dabei eine Rolle. 
Grosse Lust nach Süssem oder gar Fressattacken – manchmal spielen die weiblichen Hormone verrückt. Doch nicht nur diese spielen dabei eine Rolle. 
Bild: Getty Images

Viele Frauen kennen das Problem: Kurz vor der Periode meldet sich der Heisshunger, der die guten Vorsätze zunichte macht. Warum ist das so? Was hilft dagegen? Diana Studerus gibt Antworten.

Es gibt Frauen, bei denen sich die Periode mit einem grossen Appetit auf Schokolade und Co. ankündigt. Frau Studerus, ist dieser Heisshunger tatsächlich ein derart verbreitetes Phänomen?

Es ist ein Thema, auf jeden Fall. Ein Blick in die Forschung zeigt, dass überdurchschnittlich viele Frauen in der zweiten Zyklushälfte Lust auf Schokolade oder Süsses haben. Gewisse Studien berichten von bis zu 90 Prozent der Studienteilnehmerinnen.

Sind es die Hormone – oder warum verspüren wir kurz vor der Periode diesen Appetit auf Süsses und Ungesundes?

Ich glaube, die Hormone sind nicht für alles verantwortlich – da ist mehr als nur die Biologie. Frauen mit stärkeren Gelüsten unterschieden sich zwar laut den Untersuchungen durch einen anderen Hormonlevel. Die Abweichungen zeigten sich vor allem im Verhältnis von Östrogen zu Leptin, das bei der Sättigung eine Rolle spielt. Forscher gehen aber auch davon aus, dass der soziokulturelle Einfluss mitspielt. Es gehört in unserer Kultur auch ein bisschen dazu, dass man als Frau Lust auf Schoggi hat. So zeigen sich –trotz ähnlichen hormonellen Levels – grosse Unterschiede im Süssigkeitenkonsum beispielsweise zwischen Amerikanerinnen und Spanierinnen.



Warum eigentlich dreht sich der Heisshunger immer um Schoggi – und nicht um Rüebli und andere gesunde Varianten?

Es lockt das «Verbotene», denn die meisten verkneifen sich Schokolade, wann immer möglich. In der zweiten Zyklushälfte leiden zudem viele vermehrt unter Verdauungsproblemen wie Verstopfung, Blähungen und auch Wassereinlagerungen. Sie fühlen sich tendenziell unwohler, träge oder haben einen aufgeblähten Bauch. Das kann dann noch Gedanken triggern wie «ich bin ja eh schon zu dick, also spielt es keine Rolle, wenn ich jetzt eine Tafel Schokolade esse».

«Ich glaube, gut essen ist eigentlich einfach, aber manchmal erscheint es unglaublich kompliziert», sagt Ernährungsberaterin Diana Studerus. Mit ihrer Firma «Food on Record» berät sie Menschen zum Thema Ernährung.
«Ich glaube, gut essen ist eigentlich einfach, aber manchmal erscheint es unglaublich kompliziert», sagt Ernährungsberaterin Diana Studerus. Mit ihrer Firma «Food on Record» berät sie Menschen zum Thema Ernährung.
Bild: Food on Record

Grosser Appetit vor der Periode belastet und hinterlässt ein ungutes Gefühl – wie gehe ich damit um?

Die meisten wollen eigentlich lieber nicht Snacken und schon gar nicht Süsses essen. Holt einen dann der Appetit ein – es ist vielleicht ein schwieriger Tag und die Schokolade leicht greifbar –, schwupp, schon ist die Tafel weg. Danach meldet sich diese innere Stimme, die sagt: «Es ist jetzt eh egal, also kannst du auch weiteressen». Das kann in gewissen Fällen bis zum Essanfall ausufern, was enorm belastend ist. Die Betroffenen bleiben mit schlechtem Gefühl, ja fast Scham, zurück. Aber Verdrängen ist nicht die richtige Strategie. Es ist normal und auch okay, wenn wir Lust aufs Essen, Süsses und «Ungesundes» haben. Ich denke, ganz essentiell ist die Frage, wie Frau – wie auch Mann – damit umgeht.

Was hilft gegen diesen Appetit?

Wichtig ist, sich mit diesem «Gluscht» auseinanderzusetzen. Er nervt und zerstört unsere Diätpläne, sodass wir ihn lieber verdrängen als hinhören. Was ist es für ein «Gluscht»: süss oder salzig, warm oder kalt, nur einen Mund voll oder eine grössere Mahlzeit? Oder auch die Frage: In welchen Situationen kommt der Appetit? Vielleicht weil einem langweilig ist oder das Mittagessen nicht satt gemacht hat ... manchmal hat der «Gluscht» auch gute Gründe.



Immer wieder ist zu lesen, dass «Glücksnahrung», also tryptophanreiche Lebensmittel wie Nüsse, auch bei Heisshunger helfen könnten.

Bisher habe ich noch niemanden gesehen, der mit bestimmten Lebensmitteln einen durchschlagenden Erfolg hatte. Im Gegenteil, wichtiger ist von starren Vorgaben wegzukommen und sich lieber ein Bild der eigenen Essenswelt zu macht. Was mag ich gern, was brauche ich? Und über das auch reden.

Kann auch Ablenkung ein Rezept gegen Heisshunger sein?

Für manche ist Essen wie die schnellste und einfachste Möglichkeit, sich was Gutes zu tun. Dann stellt sich die Frage: Was gibt es denn noch, das du stattdessen tun könntest? Es können Kleinigkeiten sein, etwa jemanden anrufen oder sich bewegen. Manchmal hilft es, erstmal zu duschen und den «Gluscht» auf die lange Bank schieben, um zu schauen, ob er danach immer noch da ist. Zum Glück gibt es so viele mögliche Varianten, wie es Menschen gibt.

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