FrauensacheWeiblicher Zyklus – wann trainieren, und wann besser nicht?
Von Sulamith Ehrensperger
16.9.2019
Der weibliche Zyklus beeinflusst die körperliche Fitness. Zwar reagiert jede Frau aufs hormonelle Wechselspiel anders, doch zyklusgesteuertes Trainieren kann sich lohnen.
Nach ihrem schlechten Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 gab die chinesische Schwimmerin Fu Yuanhui preis: «Ich habe gestern meine Periode bekommen und fühle mich sehr müde.» Damit hatte sie ein Tabu angesprochen.
Die weiblichen Hormone, der weibliche Zyklus und die Menstruation – immer noch wird solcherlei lieber nicht thematisiert. Eben auch im Sport – und dies, obwohl gewisse Phasen des Zyklus betreffend Training durchaus genutzt werden können. «Viele stossen das Thema von sich weg», bestätigt Sibylle Matter, Sportärztin bei Medbase und Triathletin. «Erst wenn es Probleme macht, kümmern sich die Frauen darum.»
Der Thematik Frau und Sport widmet sich Sibylle Matter seit Jahren. «Bei Leistungs- und Spitzensportlerinnen ist es ein Thema, weil sie das auch jeden Monat merken. Aber auch bei Patientinnen, die nicht speziell Sport machen, vor allem wenn sie unter Schmerzen, Schweregefühl, Stimmungsschwankungen oder psychischen Tiefs leiden.»
Zum Weltrekord während der Periode
Während der Periode intensiv zu trainieren oder gar an einem Wettkampf teilzunehmen, kann für Profi- wie Hobbysportlerinnen zur speziellen Herausforderung werden. Für manche gilt das auch in den Tagen davor. Doch weder Trainingslehre noch Sport- oder Spitzenmedizin haben sich bisher dem weiblichen Hormonhaushalt intensiver gewidmet.
Dass durchaus auch Höchstleistungen möglich sind, zeigte Paula Radcliffe 2003: Am ersten Tag ihrer Periode gewann die Britin damals den London Marathon, dies in bis heute gültiger Weltrekordzeit von zwei Stunden, 15 Minuten und 25 Sekunden. «Ich würde sagen, dass das Thema bis heute eine Wissenslücke ist», sagte Radcliffe «BBC Sport». «Zu oft sind Ärzte im Sport Männer – und sie verstehen es nicht.»
Können die unterschiedlichen Phasen des weiblichen Zyklus für die Trainingsplanung genutzt werden? Ja, aber man muss wissen wie. Der weibliche Zyklus wird hormonell betrachtet in drei Phasen eingeteilt. Diese hätten durchaus einen Einfluss auf das individuelle Gefühl beim Sport, wie Matter erklärt.
Die erste Zyklusphase für Kraftaufbau nutzen
In der Follikelphase – die mit dem ersten Tag der Menstruation beginnt – ist der Östrogenspiegel gegenüber dem Progesteron dominant, was insgesamt eher einen anabolen Effekt hat. Sportlerinnen können laut Matter die erste Zyklusphase für das Krafttraining nutzen und in diesem Zeitraum beispielsweise Maximalkraft trainieren.
«Bezüglich Ausdauer gibt es keine Empfehlungen, wann am effektivsten trainiert werden kann. Da ist die individuelle Verfassung innerhalb des Zyklus entscheidender als der hormonelle Einfluss auf die Trainierbarkeit», so Matter.
Als zweite Phase bezeichnet sie die sehr kurze Phase des Eisprungs, in welcher Östrogen und Progesteron ansteigen. Um den Eisprung herum werden die Bänder eher lockerer oder laxer, wie die Sportärztin erklärt. «Es gibt aber keine Studie, die belegt, dass beispielsweise vordere Kreuzbandverletzungen bei Athletinnen im Spielsportbereich dann häufiger wären.»
In der dritten Phase, der Lutealphase, dominiert das Hormon Progesteron. Während den Tagen vor der Blutung leiden Frauen häufig am prämenstruellen Syndrom (PMS). «Dieses zeigt sich bei manchen Frauen mit physischem und psychischem Unwohlsein sowie Wassereinlagerungen – und führt bei manchen zu einem Leistungstief», so die Sportärztin.
Schmerzen hemmen die Leistung
Wie können Hobbysportlerinnen dieses hormonelle Wechselspiel besser ausnutzen?
Es ginge primär darum, dass Frau sich mit dem eigenen Zyklus auseinanderzusetzen habe: «Es lohnt sich, sich selber zu beobachten – wann und wo habe ich Tiefs, und wie beeinflussen sie mich», sagt Matter, «und sich dann zu fragen: Will ich etwas dagegen unternehmen?»
Wer jeden Monat starke Schmerzen habe, leide ja nicht nur im Training, sondern leide auch im Alltag, gibt Matter zu bedenken. Dies habe auf Dauer auch einen Einfluss auf die Leistung: «Bei Schmerzen rate ich, dies mit einer Fachperson zu besprechen und zu schauen, ob es Gründe für sie gibt. Sind diese nicht extrem stark, kann es Frau oft mit Schmerzmitteln in den Griff bekommen. Bei langwierigen oder schweren Fällen braucht es allenfalls eine hormonelle Therapie.»
Es ist bekannt, dass einige Sportlerinnen die Pille ohne Unterbruch nehmen, um gar keine Blutungen mehr zu haben. Diese Praxis sieht Matter individuell angepasst durchaus als Lösungsweg. Mit einer Hormonspirale kann auch ein dauerhaftes Ausbleiben der Menstruation für bis zu fünf Jahre erfolgen, was für viele Sportlerinnen eine willkommene Lösung ist. Eine Verschreibung müsse jedoch immer individuell passieren.
Bewegung während der Blutung – ja oder nein?
Die Sportärztin betont, dass es statistisch gesehen kaum Veränderungen der sportlichen Leistungen innerhalb des Zyklus gebe, individuell allerdings sehr wohl. Sie empfiehlt Sportlerinnen mit einem regelmässigen Zyklus, die Phasen zu beobachten und entsprechend nutzen zu lernen. «Wer im Verlauf des Zyklus keinen Unterschied merkt, sich also wohlfühlt, der soll sich auch nicht gross Gedanken dazu machen.»
Was ist mit Sport während der Menstruation? Es gibt dazu laut Matter wenig wissenschaftliche Studien: «Frauen, die völlig erschöpft sind oder derart Schmerzen haben, dass sie sich kaum bewegen können, sollten mit Sport besser pausieren.» Wer hingegen auch nur ein bisschen Energie habe, könne sich mit Bewegung etwas Gutes tun.
Ein lockeres Training könne etwa Verspannungen oder Schmerzen lösen – «weil während der Aktivität teils schmerzhemmende Substanzen ausgeschüttet werden.»
Der wichtigste Tipp der Sportärztin: Frau sollte sich bloss nicht mit Schmerzen zum Training quälen – Bewegung und Spass müssten immer einhergehen.
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