«Tatort: Das Verhör» im Check Wie viele Femizide gibt es in der Schweiz?

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4.9.2022

Toxische Männlichkeit der krassesten Art war Thema des ersten «Tatorts» der neuen Saison 2022/23. Die Ermittler bekamen es mit einem diabolischen Bundeswehr-Hauptmann zu tun. Realistisch oder völlig gaga?

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Ob die Bundeswehr glücklich war mit dem Start in die «Tatort»-Saison? Zwar zeigte der Ludiwgshafener «Tatort: Das Verhör» mit Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) auch eine moderne weibliche Truppen-Chefin (Katrin Röver als Oberstleutnant), aber eben auch als Hauptfigur/Bösewicht den antifeministisch gewalttätigen Hauptmann Kessler, der zudem vom ehemaligen James-Bond-Gegenspieler Götz Otto gespielt wurde.

Wie überzogen, spannend, realistisch oder gaga war dieser Verhör-Thriller rund um lebendig verbrannte, weibliche Opfer? Und wie oft kommt Mord aus Frauenhass tatsächlich in der Schweiz vor?

Worum ging es?

Investmentbankerin Ann-Kathrin Werfel wurde grausam getötet, indem man sie lebendig verbrannte. Der erste Verdacht fällt auf ihren Ex-Ehemann Patrick Werfel (Jonathan Müller), dem das Mordopfer früher schon häusliche Gewalt vorgeworfen hatte. Herr Werfel allerdings präsentiert ein bestens bezeugtes Alibi.

Die Spur eines Pickup-Transporters führt dann zu Bundeswehr-Offizier Kessler (Götz Otto). Bei weiteren Ermittlungen erhärtet sich die Indizienlage gegen den süffisant freundlich-korrekten Hünen. Während eines Verhör-Marathons wird klar: Dieser Mann tut sich schwer mit Frauen in Macht- und Führungspositionen. Doch wie gefährlich oder tatfähig ist der Hauptmann wirklich?

Worum ging es wirklich?

Um zu erkennen, dass hier von extremer toxischer Männlichkeit erzählt wird, brauchte man kein Soziologiestudium. Offizier Kessler und seine von starken Frauen gedemütigten «Follower» waren ziemliche Comic-Bösewichte, deren verletzte Männlichkeit auch vor komplex erdachten Tötungs-Arrangements nicht zurückschreckte – wenn ihnen «die Weiber» zuvor blöd gekommen waren.

Ausgedacht hat sich diesen Krimi Stefan Dähnert, der unter anderem die beiden legendären Odenthal-Folgen «Tod im Häcksler» (1991) sowie dessen stimmungsvolle Fortsetzung «Die Pfalz von oben» (2019) mit Ben Becker schrieb. Vor allem letzterer Film war ein stimmungsvoller, psychologisch durchaus komplexer Stoff.

Wobei Dähnert eben auch nicht vor dem Holzhammer respektive Häcksler zurückschreckt. Sein neuer «Tatort: Das Verhör» beinhaltet zwar lange Wort-Duell-Szenen, dennoch ist der Film in seiner überzogenen Handlungs-Drastik eher ein Frauenhass-B-Movie. Unterhaltsam, aber auch ein bisschen gaga.

Wie viele Femizide gibt es in der Schweiz?

Eine offizielle Statistik, wie viele Femizide in der Schweiz jährlich stattfinden, gibt es nicht. Das Bundesamt für Statistik (BfS) weist aktuell nur Gewaltstraftaten nach Geschlecht und im Bereich häusliche Gewalt aus. Das Motiv oder der Tathintergrund wird jedoch nicht erfasst.

Im September 2020 starteten die Journalistin Sylke Gruhnwald, die Wissenschaftlerin Nadia Brügger und die Grafikerin Pauline Martinet das Rechercheprojekt «Stop Femizid». Danach wird alle zwei Wochen eine Frau durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet.

Woher kennt man «Bösewicht» Götz Otto?

Schlagartig bekannt wurde der 1967 in Offenbach geborene Hüne als Handlanger des Chef-007-Gegenspielers Elliot Carver (Jonathan Pryce) im James-Bond-Film «Der Morgen stirbt nie» (1997). Der 1,98 Meter große Götz Otto, ausgebildet an der renommierten Münchener Otto-Falckenberg-Schule, passte von seiner Physis einfach zu gut ins Klischeebild des blonden deutschen Bad Guys, als dass man ihn übersehen hätte können.

Danach hatte der privat besonnen wirkende, sozial engagierte Familienvater (vier Kinder, heute bei München wohnend) lange Zeit sein Image als Brutalo-Hüne weg. Beispiele: In Oliver Hirschbiegels «Der Untergang» (2004) war er Sturmbannführer Otto Günsche.

2005 agierte er als Bösewicht Harry Melton im Ensemble der Karl-May-Spiele Bad Segeberg. Zuletzt war Otto im März 2022 im starken Franken-«Tatort: Warum» zu sehen. Man will nicht spoilern, ob als «Guter» oder «Böser», aber sagen wir es so: Er blieb seinem Image treu.

Wie geht es beim Ludwigshafener «Tatort» weiter?

Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) werden voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2023 mit «Lenas Tante» zurückkehren. Auch dieses Drehbuch stammt von Stefan Dähnert. Tom Lass ("Druck", «Liebe. Jetzt!") inszenierte seinen ersten "Tatort».

Worum geht es? Lena wird von ihrer Tante (Ursula Werner), einer ehemaligen Staatsanwältin, besucht, die sich immer stärker für den aktuellen Fall um einen mutmaßlich ermordeten Rentner interessiert. Je mehr die Tante geheim hält, desto merkwürdiger scheint ihr Verhalten Lena, so dass sie beginnt, ihr trotz des eigentlich guten Verhältnisses zu misstrauen.