TV-Kritik SRF-«Heimweh»: Kann man sich sparen!

Von TV-Experte Gion Mathias Cavelty

5.10.2019

SRF muss per 2020 zusätzlich 16 Millionen Franken einsparen – TV-Experte Gion Mathias Cavelty hätte da einen Tipp: die Reisegelüste von SRF-Dokumentarfilm-Teams in ferne Länder drosseln.

In der vierteiligen Doku «SRF bi de Lüt: Heimweh» geht es um die Schicksale von Mathias Madritsch (will nach 23 Jahren von Bangkok in die Schweiz zurück), Lia Rodriguez (will nach 20 Jahren in der Schweiz nach Kuba zurück) und Matthias Gisler (will nach zwei Jahren Dienst als Schweizergardist nach Gunzwil/Luzern zurück).

Zwei der drei Geschichten hätte man sich getrost sparen können, und zwar die ersten zwei (produktionstechnisch auch zweifellos die teuersten).

Geschichte 1: Lia (31, Auswanderungsgrund: «Ich will wieder zrugg, hei, wil ich alles an Kuba vermisse»; das reicht offenbar als journalistischer Aufhänger) landet nach einigem Abschiedsbrimborium in Kuba, rasch geht's an den Strand. «Endlich! Kubanischer Sand unter meinen Füssen», schwärmt sie. «Isch mega! Eifach diheime sii! Mir gaht's guet, mir gaht's würkli mega guet!» Dann wird im Meer geplantscht. Und in einer Bar Mojitos geschlürft. Und zu den Klängen von «Guantanamera» (originell!) in den Strassen Havannas getanzt. Mit einem dicken Onkel in der Küche gescherzt. Traumhafte Szenen (für die Direktbeteiligten). Der Zuschauer, der sie (mit-)finanziert hat, hat davon freilich nix. Ebensowenig wie von der genialen Erkenntnis, die Lia relativ rasch kommt: «Ds Bild vo Kuba isch nit zu 100 Prozent das, wo-n-ich gedanklich gha han» – weil man im dortigen «System» unter anderem nicht offen sagen könne, was man denkt.



Geschichte 2: Man sieht Mathias Madritsch (47) in Bangkok zum Plausch fötelen; mit seiner Freundin Saruta in einem Tempelbezirk in Pattaya herumschlendern; ein letztes Abendessen in Bangkok einnehmen («Häsch das Krokodil am Spiess gseh?»); sich in der Bar, in der seine Tochter arbeitet, ein Bier genehmigen. Nach dem One-Way-Flug in die Schweiz kann man den Gesichtern seiner mitausgereisten Freundin und denen seiner Kinder überdeutlich ablesen: In Arni/Aargau ist es nicht ganz so lässig wie in Bangkok. Was grob geschätzt auch schon 100 Prozent der Zuschauer bekannt war. Aber immerhin «gaht's de Chatze guet. Welcome to Switzerland!».

Die Leiden des jungen Gisler

Die dritte Geschichte – also die Rückkehr des 22-jährigen Schweizergardisten von Rom nach Gunzwil in den elterlichen Bauernhof – hingegen ist ein Knüller. Denn: Matthias Gisler will die 1000 dazwischenliegenden Kilometer auf dem Rücken eines Pferdes zurücklegen. Warum? Wird nicht so ganz klar; Matthias findet es bloss «irgendwie zu kurz, einfach in den Flieger einzusteigen und zurückzufliegen». Und deswegen hat er die «verrückte Idee» mit dem Pferd.

Spannend mitzuverfolgen, wie er sich Gedanken zum Unterfangen macht (was, wenn das Ganze doch eine Nummer zu gross ist?); wie ihm viele Pferdehalter davon abraten; wie er sich trotzdem nicht entmutigen lässt. Wie er schliesslich einen geeigneten Gaul sucht («es chliises, praktischs Rössli») – und ihn auf einem italienischen Reithof findet: Brio heisst der auserwählte Wallach.

Wie Matthias losreitet; sechs Wochen soll der Ritt dauern. Das Wetter ist mies, die Nerven liegen schon nach dem ersten Tag blank. Brio legt sich auch schon mal spontan auf die Seite, mit Matthias auf dem Rücken. Bei Piacenza dann der Schock: Brio hat eine akute Kolik, geschwollene Beine, kann nicht mehr laufen. Grosses Kino ist das! Abenteuer pur!



Ob Matthias in der letzten Folge trotz allem in Gunzwil einreiten kann? Alle Daumen sind gedrückt!

Fazit: Flüge nach Rom gibt's ab 82 Franken, für ein dreiköpfiges Doku-Team würde das also nur 246 Franken kosten. Also: Alle Wege führen nach Rom!

(Generell wäre es vielleicht keine schlechte Strategie für das Schweizer Fernsehen, jeweils zwei Drittel einer Sendung zu streichen. Bei der Tagesschau zum Beispiel die schlechten Nachrichten.)

«SRF bi de Lüt: Heimweh» lief am Freitag, 27. September, um 20.05 Uhr auf SRF 1. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

Und hier noch die Bilder des Tages
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